Institutional Money, Ausgabe 1 | 2022

Im Grunde versucht Putin gerade nichts we- niger, als die westeuropäischen Länder zu ruinieren oder sie zumindest mit erheblich höheren Lebensmittelpreisen zu bestrafen. Und er ist eventuell gerade dabei, sein eigenes Land zu ruinieren. Welche Folgen sind zu erwarten, und wie reagiert man bei Research Affiliates darauf? Rob Arnott: So makaber es angesichts der menschlichen Tragödie, die sich gerade in der Ukraine abspielt, auch klingen mag: Als Investor muss man wie gesagt gerade am Höhepunkt von Angst und Unsicherheit darüber nachdenken, wo man investiert sein sollte und wovon man besser die Finger lässt. Und diesem Höhepunkt scheinen wir in den Schwellenländern insgesamt immer näher zu kommen. Gerade die Emerging Markets sind in Reaktion auf die Gescheh- nisse in der Ukraine beträchtlich abverkauft worden, nicht nur russische oder chinesi- sche Wertpapiere, im Grunde wurde die gesamte Palette der Schwellenländermärkte in Mitleidenschaft gezogen. Aus Ihrer Sicht offensichtlich zu Unrecht. Ist dann jetzt der Zeitpunkt für einen Wieder- einstieg schon gekommen? Rob Arnott: Man muss sich doch die Frage stellen, was der Krieg in der Ukraine eigent- lich am Ende tatsächlich mit der Entwick- lung etwa des chilenischen Aktienmarktes zu tun hat. Aus unserer Sicht nicht allzu viel. Deswegen gehen wir davon aus, dass der sukzessive Kauf von Aktien und Anlei- hen gezielt ausgesuchter Schwellenländer sicher keine schlechte Entscheidung sein wird, selbst wenn natürlich auch wir nicht wissen, wann der Gipfel der Angst jeweils erreicht sein wird. Unsere hauseigenen Mo- delle deuten jedenfalls aktuell darauf hin, dass die Risikobereitschaft von Investoren ganz allmählich wieder zunimmt, auch wenn kurzfristig natürlich enorme Unsicherheiten über die weitere Entwicklung in Russland und der Ukraine bestehen bleiben. Niemand ist in der Lage vorherzusagen, wozu ein rücksichtsloser Machthaber wie Wladimir Putin noch in der Lage sein wird, wenn er immer weiter unter Druck gerät. Und wie sieht Ihre Erwartung für die ent- wickelten Länder aus? Rob Arnott: Die aussichtsreichsten Invest- ments sind in der Regel jene, die am we- nigsten offensichtlich erscheinen. Ohne Zweifel haben sich Technologiewerte wäh- rend der Corona-Pandemie nicht ohne Grund sehr gut entwickelt und sogar die jüngste Korrektur gut überstanden. Natür- lich hat dabei gerade die Technologiebran- che von radikalen Veränderungen unserer gesamten Arbeits- und Geschäftswelt, unse- rer Kommunikation und unserer Art und Weise, Waren einzukaufen oder Dienstleis- tungen zu beauftragen, profitiert. Das mag erklären, warum immer noch viele Markt- teilnehmer davon ausgehen, dass die Tech- nologiebranche auch den aktuellen Sturm auf die Märkte besser überstehen wird als manch anderer Wirtschaftszweig. Meiner Ansicht nach ist das viel zu simpel gedacht. Inwiefern? Rob Arnott: Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten zwei bis drei Jahren zu einer Welt zurückkehren werden, die eher der Zeit vor der Corona-Pandemie ähneln wird als der Zeit von Anfang 2020 bis heute. Natürlich wird manche Entwicklung auch künftig Bestand haben. Auch in Zukunft wird Amazon einen Großteil unserer Waren zu uns nach Hause bringen. Aber die Wahr- scheinlichkeit, dass die Kursentwicklung im Tech-Sektor positiv überraschen wird, was für eine anhaltende Outperformance erfor- derlich wäre, ist ziemlich begrenzt. Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus? Rob Arnott: Als vorausschauender Investor würde ich mein Geld eher in Mainstream- Bereiche außerhalb von sehr hoch bewerte- ten Sektoren wie Technologie oder Gesund- heitswerten investieren. Denn für Überra- schungen dürften eher die Value-Segmente des Marktes sorgen, etwa Energieaktien oder Werte aus dem Finanzdienstleistungs- sektor, im Grunde ein ganzes Spektrum anderer Branchen. Hier sind die Über- raschungen nach oben zu erwarten, die für ansehnliche Kurszuwächse sorgen werden – zumal einige Value-Werte nach wie vor so preiswert sind wie nie zuvor. Wir danken für das Gespräch. HANS HEUSER » Kaum jemand dürfte bezweifeln, dass extreme Bewertungen oder Kursblasen irgendwann in der Zukunft korrigiert werden, sprich platzen. « Rob Arnott, Research Affiliates 50 N o. 1/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | ROB ERT ARNOT T | RE S EARCH AF F I L I AT E S FOTO: © AXEL KOESTER

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