Institutional Money, Ausgabe 1 | 2022

ernst zu nehmendes Risiko handelt. Dabei gibt die relative Bewertung durchaus Auf- schluss darüber, bei welchen Faktoren die Gefahr besteht, dass sie durch Arbitrage zunichte gemacht werden. Geben Sie uns ein Beispiel? Rob Arnott: Betrachten wir den Value-Faktor. Der ist – ganz im Gegensatz zum Growth- Faktor – immer noch nicht weit von einem Rekordtief entfernt, er bewegt sich vielmehr im günstigsten Dezil seiner Geschichte, und das nahezu weltweit, nicht unterbewertet, aber durchaus niedrig bewertet. Und es gibt noch keinerlei Anzeichen dafür, dass es sich bei Value um einen sogenannten „Crowded Trade“ handelt. Das lässt mich zum einen darauf vertrauen, dass diese Opportunität nicht so schnell durch Arbitrage eliminiert werden kann. Wenn also unsere Annahme stimmt, dass es auch bei einem Faktor eine Erscheinung wie die Umkehr zum Mittel- wert gibt, dann kann sich das nur zu unse- ren Gunsten auswirken. Was bedeutet das in konkreten Zahlen? Rob Arnott: Für die US- und Schwellenlän- dermärkte müsste sich die Bewertung des Value- im Vergleich zum Wachstumsfaktor mehr als verdoppeln, um wieder zu histori- schen Normen zurückzukehren. Anders ge- sagt: Es bräuchte 100 Prozentpunkte an Outperformance, um Value-Werte wieder auf ein Durchschnittsniveau relativ zu den Wachstumswerten zurückzuführen. Ich be- haupte nicht, dass es genau so kommen wird, aber der Druck in diese Richtung ist enorm. Selbst wenn es nur teilweise zu einer Mittelwertumkehr kommen sollte, könnte das Tausende von Basispunkten an Outperformance für den Value-Faktor be- deuten, was viele Investoren nach wie vor zu verkennen scheinen. Liegt die Ursache für dieses Verkennen eventuell darin begründet, dass manche Akteure die Entwicklung von Aktienrenditen eher wie eine aus der Physik bekannte Brownsche Bewegung, also einen Zufalls- prozess mit einer konstanten Drift, model- lieren? Und sie daher unterstellen, dass eine solche in der Vergangenheit beobachtete hohe Drift sich auch in Zukunft als entspre- chender Einfluss wiederholen wird? Ist es nicht angebrachter, Aktien eher wie einen sogenannten Consol, also eine Anleihe mit unendlicher Laufzeit, zu modellieren? Rob Arnott: Ich denke, dass die Kursentwick- lung von Aktien eine Mischung aus zwei unterschiedlichen Phänomenen aufweist. Zum einen spielt dabei mit Sicherheit so etwas wie eine Brownsche Bewegung eine Rolle, zum anderen aber auch die Tendenz zur schon angesprochenen Umkehr zum Mittelwert, die eher für eine Modellierung als Consol spräche. Kaum jemand dürfte bezweifeln, dass extreme Bewertungen oder Kursblasen irgendwann in der Zukunft kor- rigiert werden, sprich platzen. Die Betonung liegt aber auf irgendwann, weil der Zeit- punkt einer solchen Korrektur nun einmal nicht vorhersagbar ist. Das ist im Übrigen der Grund, warum man extrem vorsichtig vorgehen sollte bei dem Versuch, auf das Platzen einer Kursblase zu wetten. Denn diese kann sich weiter aufblähen und länger anhalten, als man das erwarten würde. Mein Lieblingsbeispiel ist die Entwicklung des Aktienmarktes von Simbabwe im Jahr 2008. Rufen Sie uns das kurz in Erinnerung? Rob Arnott: Im Sommer erlebte das Land da- mals eine einsetzende Phase der Hyperinfla- tion. Die dortigen Zentralbankern sahen den » In Bezug auf eine einzelne Aktie einen weithin bekannten Effekt wie Mean Reversion anzunehmen, würde niemand anzweifeln. « Rob Arnott, Research Affiliates 44 N o. 1/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | ROB ERT ARNOT T | RE S EARCH AF F I L I AT E S FOTO: © AXEL KOESTER

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