Institutional Money, Ausgabe 1 | 2022

Vorstellung, dass Bewertung auch beim Faktor-Investing insofern eine Rolle spielt, als es natürlich auch bei Faktor-Renditen eine Rückkehr zum Mittelwert geben kann. In meiner bereits 2016 erschienenen Arbeit mit dem Titel „How can Smart-Beta go horribly wrong?“ habe ich die Zusammen- hänge ausführlich erläutert. Und ich bin dafür von einigen Konkurrenten heftig kri- tisiert worden. Mit welcher Begründung? Rob Arnott: Ich hatte in dieser Arbeit darge- legt, dass es durchaus angebracht ist, niedrig bewertete Strategien bewusst höher zu ge- wichten und das Exposure in zu teuer ge- wordenen Strategien zu reduzieren oder eventuell ganz zu eliminieren. Etwa wenn der jeweils verfolgte Faktor im Grunde nur noch deshalb eine besonders gute Perfor- mance aufweist, weil er schon vergleichs- weise teuer geworden ist. In diesem Zusam- menhang hatte ich auf die Gefahr hinge- wiesen, dass durch einen Effekt wie die Rückkehr zum Mittelwert eine künftige Outperformance auch für eine ganze Faktor- gruppe unwahrscheinlich werden kann. Hätten Sie das über eine einzelne Aktie gesagt, deren Kurs oberhalb ihrer zugrunde liegenden Fundamentaldaten notiert, hätte Ihnen wohl niemand widersprochen. Rob Arnott: Genau so ist es. In Bezug auf eine einzelne Aktie einen weithin bekannten Effekt wie Mean Reversion anzunehmen, würde niemand anzweifeln, weil jeder ak- zeptiert, dass eine solche Erscheinung exis- tiert. Es auf eine ganze Gruppe von Aktien zu beziehen, sprich auf einen Faktor, wird zum Teil auch heute noch von Marktteilneh- mern als an den Haaren herbeigezogen ab- getan. Dabei lässt sich der Effekt gerade wieder sehr leicht nachvollziehen, und zwar an der tatsächlichen Marktentwicklung. Was genau meinen Sie? Rob Arnott: Zu Beginn dieses Jahres war eine Faktorstrategie wie Qualität extrem teuer. Nicht ganz so arg überbewertet, aber dennoch relativ teuer sahen Strategien wie Momentum oder Low Volatility aus. Daher kann es im Grunde kaum überraschen, dass gerade diese drei Strategien im weiteren Jahresverlauf merklich unter Druck geraten sind. Viele Marktteilnehmer haben das zu spüren bekommen, eben weil so mancher Faktorinvestor immer noch davon ausgeht, dass die Vergangenheit lediglich so etwas wie den Prolog ihrer Fortsetzung in der Zukunft darstellt. Zu mehr als Lippenbe- kenntnissen, wonach die Bewertung auch bei Faktoren eine nicht zu unterschätzende Rolle spiele, ist es daher nicht gekommen. Die Idee, eine Mean-Reversion-Komponen- te in das eigene Faktormodell einzufügen, ist jedenfalls bis heute nicht sehr ausge- prägt. Für die meisten Investoren scheint es nach wie vor nicht nachvollziehbar zu sein, warum wirklich hohe Renditen in der Ver- gangenheit eventuell ein Hinweis auf eine in der Zukunft drohende negative Perfor- mance sein könnten. Sie sprachen von einer Naivität in zweierlei Hinsicht. Was ist der zweite Aspekt? Rob Arnott: Gemeint ist der schon angespro- chene Arbitrage-Effekt. Mit anderen Worten die begründete Erwartung, wonach die bloße Tatsache, dass ein Faktor populär und teuer wird, bedeutet, dass sehr stark zuneh- mende Mittelflüsse dessen Wirksamkeit zu- nehmend mindern oder sogar vollkommen eliminieren. Auch diese Erscheinung wird von der Faktor-Community nur allzu leicht abgetan, obwohl es sich um ein durchaus » Mancher Faktorinvestor geht immer noch davon aus, dass die Vergangen- heit lediglich so etwas wie den Prolog ihrer Fortsetzung in der Zukunft darstellt. « Rob Arnott, Research Affiliates 42 N o. 1/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | ROB ERT ARNOT T | RE S EARCH AF F I L I AT E S FOTO: © AXEL KOESTER

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