Institutional Money, Ausgabe 1 | 2022

mindestens vier Jahren gestreckt werden; in der vorherigen Fassung der IVV waren es noch drei Jahre. Von einem „erheblichen Teil“ wird gesprochen, wenn es um mindes- tens 40 Prozent der variablen Vergütung geht. „Die Verlängerung des Aufschubs variabler Vergütungselemente für Risikoträ- ger um ein Jahr wird die betroffenen Unter- nehmen und Individuen nicht erfreuen“, ist Jahn überzeugt. Ries ergänzt: „Wenn beson- dere Faktoren zusammentreffen (Stellung, Tätigkeit, Höhe der variablen Vergütung, Höhe der Risiken, die ein Risikoträger be- gründen kann), erhöht sich die Untergrenze des Zurückbehaltungszeitraums auf bis zu fünf Jahre, und die Untergrenze des zurück- zubehaltenen Anteils der variablen Vergü- tung auf mindestens 60 Prozent.“ Außerdem sind sogenannte Claw- back-Klauseln einzuführen. Damit wird die Pflicht des Vorstandsmitglieds oder Mitarbeiters mit Risikoträgereigenschaft zur Rückzahlung bereits gezahlter Boni begründet, wenn sich später herausstellt, dass sein Verhalten für das Unterneh- men nachteilig war. Wie solche Clawback- oder Malus- klauseln funktionieren können, war kürzlich bei Allianz Global Investors zu beobachten. Aufgrund der Belastungen aus den Klagen von US-Investoren in Struc- tured-Alpha-Produkten (die Gesellschaft hat dafür Rückstellungen von 3,7 Milliarden Euro gebildet) kommt es zu Kürzungen bei der Vergütung der Allianz-Vorstände. Auf der Bilanzpressekonferenz im Februar 2022 sagte Vorstandschef Oliver Bäte, dass das Management „den fairen Anteil der Belas- tungen“ tragen werde und es „eine signifi- kante Auswirkung“ auf die Vorstandsvergü- tung geben werde. Vergütungsbeauftragter Um die Vergütungsregelungen intern zu überwachen, müssen bedeutende Finanzin- stitute künftig einen Vergütungsbeauftragten benennen. Dieser hat eine weitgehend auto- nome Stellung im Unternehmen. „Früher lag die Vergütungsverhandlung in den Hän- den der Personalstelle, jetzt soll diese mit dem Vergütungsbeauftragten zusammenar- beiten. Er soll sich sowohl mit Risiko- als auch mit Vergütungsthemen auskennen und sich im Bereich Risikomanagement laufend fortbilden“, sagt Ries. Entsprechend gut be- sucht sind daher jetzt Seminare zum Thema Risikomanagement. Flankiert wird dies durch Strukturen im Aufsichtsrat. Dort wa- chen der Vergütungskontrollausschuss und der Risikoausschuss darüber, dass die Vergütungssysteme angemessen sind. Teil des Risikomanagements Hintergrund, warum sich der Gesetzgeber so intensiv um die Vergütung bei Banken kümmert, ist, dass Vergütungen inzwischen als wichtiger Bestandteil des Risikomanage- ments angesehen werden, nachdem sich während der Finanzkrise 2008 gezeigt hat, dass die Vergütungsstrukturen nicht immer zur Stabilität der Unternehmen im Finanz- sektor beigetragen haben. „Auch künftig sollen Vergütungssysteme zum einen die Mitarbeiter zu hohen Leistung incentivie- ren, zum anderen aber auch so ausgelegt sein, dass keine unkalkulierten Risiken eingegangen werden und der langfristige Unternehmenserfolg im Vordergrund steht“, erklärt Ries. Die Regulatoren sind alle Sektoren durchgegangen, sodass mittlerweile die Ver- gütungen in allen drei Marktsegmenten des Finanzmarktes reguliert sind: • Finanzinstitute (Banken) • Wertpapierinstitute (Vermögensverwalter) • Versicherungen Verursacher der Finanzkrise Als Erste kamen im Oktober 2010 die Finanzinstitute mit der Institutsvergütungs- verordnung an die Reihe, da sie in ihrer Gesamtheit als die hauptsächlichen Verur- sacher der Finanzkrise angesehen werden. Im April 2016 waren dann die Versiche- rungsunternehmen dran und erhielten die Versicherungsvergütungsverordnung. Nur in den Wertpapierinstituten ist die Vergütung aktuell nicht reguliert. „Sie sind im Juni 2021 aus dem Anwendungsbereich der Institutsvergütungsverordnung herausgefal- len. Die neue Konsultationsfassung für die neue Wertpapierinstitutsvergütungsverord- nung wird aber noch im Frühjahr 2022 erwartet“, sagt Ries. Sie meint, dass die Ver- gütungsregelungen für die Banken am weit- reichendsten sind: „Der Grundgedanke bei der Vergütungsregulierung in den Versiche- rungshäusern ist zwar der gleiche wie bei den Instituten, aber die Versicherungsvergü- tungsverordnung ist deutlich weniger streng als die Institutsvergütungsverordnung.“ Jahn ergänzt: „Die großen Asset Manager sind meist in einen europäischen Kontext eingebettet und richten sich nach europäi- schen Vergütungsregulierungen wie den ESMA-Leitlinien für eine solide Vergü- tungspolitik unter Berücksichtigung der UCITS Directive und der AIFMD.“ Offenbar ist das aber noch nicht das Ende. „Wir erwarten demnächst die über- arbeitete Auslegungshilfe zur IVV 4.0“, sagt Ries. Die Auslegungshilfe der BaFin zur IVV 3.0 vom Februar 2018 umfasst 76 Sei- ten und zeigt, wie kleinteilig die Vorgaben der Aufseher sind. Jahn gibt bereits einen Ausblick auf die IVV 5.0, die auch schon in Sicht ist. „Die IVV 5.0 kann laut Anga- ben der BaFin erst mit Inkrafttreten des sogenannten Puffers der Verschuldensquote gemäß KWG (neu), also nicht vor dem 1. Januar 2023, in Kraft treten.“ Gut be- schäftigt sind die Institute allerdings noch mit der IVV 4.0. „Insbesondere die weiteren Institute haben einen hohen Aufwand mit der Einführung der IVV 4.0. Einige befin- den sich noch mitten im Umstellungspro- zess“, beobachtet Ries. Tatsächlich ist viel zu tun: Risikoträger selektieren, Unterneh- mensziele bestimmen und entsprechende KPIs formulieren, Arbeitsverträge ändern, die Zurückhaltung der Gelder organisieren – und am Ende müssen die Mitarbeiter darüber informiert werden, wie die Anreize funktionieren, die sie incentivieren sollen. Vergütung ist also längst kein einfaches Unterfangen mehr. ANKE DEMBOWSKI » Für die vielen kleineren Institute gelten weiterhin nur die allgemeinen Anforderungen. « Isabel Jahn, Partnerin der Unternehmensberatung hkp-Group in Frankfurt 276 N o. 1/2022 | www.institutional-money.com S T E U E R & R E C H T | I NS T I TUT SVERGÜTUNGSVERORDNUNG FOTO: © ALEXANDRA LECHNER FOTOGRAFIE

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