Institutional Money, Ausgabe 1 | 2022

Stefan Stute: Deshalb kann ich mir vorstel- len, dass es zu einer ähnlichen Entwicklung kommen wird, wie wir sie aus dem Anlei- hensektor kennen. Dort wird im High- Yield-Sektor nach Investment Grade und Non-Investment-Grade unterschieden. Ähn- liches ist künftig für den Immobiliensektor denkbar. Eine Art Stranded-Asset-Linie, die Immobilien nach Kriterien wie „investier- bar“ und „nicht investierbar“ unterscheidet. Ein Objekt, das in letztere Kategorie fällt, hätte dann die Möglichkeit, durch entspre- chende Repositionierungs- oder Renovie- rungsmaßnahmen in die Investment-Grade- Kategorie aufzusteigen. Ferdinand Haas: Was ist in Bezug auf kon- krete Nutzungsarten zu erwarten, etwa im Bürobereich? Der Gesetzgeber hat inzwi- schen die Homeoffice-Pflicht aufgehoben. Wird das bedeuten, dass wir bei der Büro- nutzung zu einer Situation zurückkehren werden, wie wir sie aus der Zeit vor Corona kennen? Stefan Stute: Auch wenn es sicher noch zu früh ist, sich darüber ein klares Urteil zu erlauben, so kann ich mir offen gesagt nicht vorstellen, dass es zu einer Art Rückkehr zu der Zeit vor der Pandemie kommen wird. Natürlich ist es zu deutlichen Veränderun- gen in den Arbeitswelten und -prozessen in nahezu jedem Unternehmen gekommen. Aber wir wissen doch auch, dass die Erfah- rungen, die die Beschäftigten mit dieser neuen Art des Arbeitens gemacht haben, im Allgemeinen zu positiv sind, als dass jetzt alles auf einen Schlag wieder zurückgedreht werden könnte. Es wird vielleicht weniger Arbeitsplätze geben, weil viele Mitarbeiter auch künftig zumindest tageweise von zu Hause aus arbeiten werden. Daraus aber den Schluss zu ziehen, dass es zu einem deutlich geringeren Flächenbedarf kommen wird, wäre sicher ein Trugschluss. Was schon eintreten wird, das sind Veränderun- gen in Bezug auf die Aufteilung und die Anordnung innerhalb der Büroräumlich- keiten. Es wird mehr Gemeinschafts- und Kommunikationsflächen geben, außerdem werden die Abstände zwischen den einzel- nen Arbeitsplätzen aus Hygienegründen größer werden. Im Übrigen wird manch einer froh sein, statt der Enge des häusli- chen Arbeitszimmers wieder sein Büro in der Innenstadt nutzen zu können, wenn auch vielleicht nicht an jedem Arbeitstag. Markus Bell: Auch wir können natürlich nur in die Glaskugel schauen, was die Zukunft der Arbeitswelt im Bürobereich angeht. Wir sind bei unseren Überlegungen aber zu dem Schluss gekommen, dass wahrscheinlich 80 oder sogar 90 Prozent der Mitarbeiter wie- der ihre Büroumgebung nutzen werden, wenn auch, da gebe ich Ihnen recht, nicht in der Häufigkeit wie in Zeiten vor der Pan- demie. Ich zweifle allerdings daran, dass wir eine Überkompensation erleben werden, wie das zum Teil erwartet wird, auch wenn es zu einer Umorganisation innerhalb von Büroräumlichkeiten kommen wird. Eitel Coridaß: Was nach meiner Erwartung schon passieren wird, das ist eine Art Sprei- zung innerhalb des Büromarktes – in be- stimmten Branchen, etwa beratenden Beru- fen oder anderen, in denen die Möglichkeit zum Austausch mit Kollegen und ein krea- tives Miteinander von besonderer Bedeu- tung für das Arbeitsergebnis sind. Deshalb kann es aus meiner Sicht durchaus dazu kommen, dass der Platzbedarf eventuell sogar steigt. Das betrifft typischerweise die besseren innerstädtischen Lagen, wo sich den Mitarbeitern zudem ein attraktives Umfeld bietet. Vollkommen anders aus- sehen wird die Gleichung in Berufen, in denen sogenannte wiederholbare Tätig- keiten anfallen. Typischerweise sind das zum Beispiel Versicherungsgesellschaften oder auch Banken, wo es häufig um das Erfassen und die Bereitstellung von Daten geht. Dort spielt es im Grunde kaum eine Rolle, von wo aus die entsprechenden Tätigkeiten erledigt werden. Hier kann es zudem zu einer Reduzierung der Flächen kommen. » Kann man sagen, dass der Immobilienbranche noch das bevorsteht, was in der Energiewirtschaft bereits in vollem Gange ist? « Ferdinand Haas, Institutional Money 258 N o. 1/2022 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R AT E G I E N | CONSULTANT- ROUNDTAB L E | IMMOB I L I EN I NVE S TMENT FOTO: © CORNELIS GOLLHARDT

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