Institutional Money, Ausgabe 1 | 2022

N ichts bleibt, wie es ist. In- zwischen wissen die Markt- teilnehmer, dass das auch in Bezug auf die Niedrigzins- phase gilt. Mit der Mitte März verkünde- ten Entscheidung der amerikanischen Notenbank, den Leitzins um ein Viertel- prozent anzuheben, ist die Zinswende ein- geläutet. Und mit einer Reihe weiterer Zinsschritte ist im weiteren Jahresverlauf trotz möglicher Belastungen der Wirt- schaft zu rechnen – und sogar mit dem Risiko einer Rezession. Auch wenn die EZB sich aktuell noch zurückhält, könnte es bis Ende 2022 auch in Europa zu einer ersten Anhebung des Leitzinses kommen. Kein Wunder, dass Immobilieninvestoren aufhorchen. Trotzdem munter weiter nach attraktiven Immobilien fürs institutionelle Depot su- chen, weil auf der Anleihenseite noch im- mer nichts zu holen ist und vor allem die Realverzinsung nach wie vor negativ ist? Das könnte bedeuten, dass man die Rech- nung ohne den Wirt macht. Denn wie ein zentrales Thema des folgenden Round- table-Gesprächs mit drei Consultants der Immobilienbranche zeigt, ist die Risikobe- wertung von Immobilieninvestments in ei- ner Art neuen Dimension angekommen. Neben den Komponenten Zinsen und Infla- tion kommt ein neuer Faktor hinzu, durch den die Karten neu gemischt werden: Nachhaltigkeit. Sie wurde bisher eher als eine Art Pflichtübung betrachtet, die man getrost an die Marketingabteilung delegie- ren kann. Inzwischen wird aber immer mehr Investoren bewusst: Dieses Delegie- ren würde künftig mit hoher Wahrschein- lichkeit zu einem bösen Erwachen führen. Hans Heuser: Ohne gleich zu Beginn über einzelne Nutzungsarten von Immobilien zu sprechen: Was wird die künftige Entwick- lung der Branche insgesamt bestimmen? Eitel Coridaß: Der Immobilienmarkt an sich steht aus meiner Sicht vor einer Art Zwei- teilung. Vor allem wertorientierte Invest- ments werden dabei auch künftig noch durchaus attraktiv sein. Damit meine ich Segmente, die gemeinhin als Core plus oder Value Add bezeichnet werden und in der Regel von kürzeren Mietvertragslaufzeiten und einem gewissen Renovierungsbedarf geprägt sind. Das trifft auch auf einen Bereich zu, der als opportunistisch bezeich- net wird, also entwicklungsfähige Bestands- immobilien in eher mittleren Lagen mit zum Teil erhöhtem Leerstand und durchaus höheren Renovierungs- und Umbauanfor- derungen. Ferdinand Haas: Und mit einem Core-Invest- ment werde ich als Investor das Nachsehen haben? Eitel Coridaß: Das würde ich so auf keinen Fall sagen. Aber wir befinden uns in einer Marktphase, die von steigenden Zinsen geprägt sein wird, in der sozusagen die Marktentwicklung an sich kaum noch Mehrwert schaffen wird. Anders gesagt: Das Pricing einer ausgeprägten Core-Im- mobilie mit Topmietern, langen Mietlauf- zeiten und einem erstklassigen Zustand in sehr guter bis bester Lage wird in erster Linie von der Zinssituation bestimmt und bietet dem Management aufgrund der be- reits vorhandenen Qualität kaum Wertstei- gerungsmöglichkeiten durch Schaffen von Mehrwerten oder eine Repositionierung. Markus Bell: Das blendet aus meiner Sicht allerdings eines aus: Um die künftige Ent- wicklung und die Attraktivität einer Immo- bilie zu beurteilen, wird man die Perspekti- ve aus gutem Grund deutlich ausweiten müssen. Dann kommt man nämlich schnell zum Schluss, dass wir derzeit im gesamten Immobilienmarkt vor der herausfordernds- ten Phase stehen, die wir in der Branche innerhalb der vergangenen 20 Jahren erlebt haben. Die Wertentwicklung von Immo- bilien hat in der jüngeren Vergangenheit von einer Niedrigzinspolitik der Notenban- ken und damit einhergehend immer weiter gesunkenen Zinsen in besonderem Maße profitiert. Abgesehen davon, dass es bei wieder steigenden Zinsen ohne Zweifel zu einem spürbaren Druck auf die Ertragsseite von Immobilien kommen wird: Als neuer, aber mit Sicherheit nicht zu unterschätzen- der Faktor kommt hinzu, dass das Thema Nachhaltigkeit für bisher nicht gekannte zusätzliche Herausforderungen sorgen wird, die derzeit noch erheblich unterschätzt werden, um nicht zu sagen, noch gar nicht eingepreist sind. Auch die Immobilienbranche wird nicht umhinkommen, sich nachhaltiger aufzustellen. Wir haben mit drei renommierten Consultants über die Konsequenzen gesprochen, die das für das Portfolio eines institutionellen Investors haben wird. » WIR STEHEN VOR EI » Die Immobilienbranche steht vor der heraus- forderndsten Phase der vergangenen 20 Jahre. « Markus Bell, Bell Management Consultants 250 N o. 1/2022 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R AT E G I E N | CONSULTANT- ROUNDTAB L E | IMMOB I L I EN I NVE S TMENT FOTO: © CORNELIS GOLLHARDT, CHRISTOPH HEMMERICH, GÜNTER MENZL

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=