Institutional Money, Ausgabe 1 | 2022

Der jährliche orange Brief Die orangen Briefumschläge, die die Schweden jedes Jahr von ihrer nationalen Rentenstelle erhalten, sind legendär. Inzwi- schen kann die Renteninformation auf Wunsch auch digital erfolgen. Die darin enthaltene Information ist gut aufbereitet, sodass die Schweden jederzeit wissen, wie viel Rente sie erwarten können, wenn sie mit 63, 65 oder 68 in den Ruhestand gehen. „In Schweden erhalten Sie jedes Jahr einen individuellen Depotauszug mit ihren Fonds- beständen und eine Information, wie jeder Fonds aus dem Altersvorsorgeprogramm, den Sie halten, performt hat“, so Scarfone. In Deutschland ist die Einführung der digitalen Rentenübersicht hingegen erst ab Herbst 2023 geplant. Sie soll dann jeden einzelnen Bürger über die voraussichtliche Höhe seiner gesetzlichen, betrieblichen und privaten Altersvorsorge informieren. Steigerung der Aktienkultur In ihrer Renteninformation sehen die Schweden zum Beispiel, dass der AP7-Ak- tienfonds seit seiner Gründung eine durch- schnittliche Performance von über 15 Pro- zent hatte. „Beim Blick auf ihre jährliche Renteninformation entwickeln die Schwe- den ganz natürlich ein Gespür für Chancen und Risiken des Kapitalmarktes. Auch da- durch konnte sich die Aktienkultur in Schweden besser entwickeln als in Deutsch- land“, sagt Sven Schumann anerkennend. Oft wird gesagt, dass die Schweden durch ihre Erfahrung mit ihrem AP7- Aktienfonds ein anderes Risikover- ständnis hätten als die Menschen in Deutschland oder Österreich. Scarfone relativiert das ein wenig: „Von den 1.850 Euro Rente, die die Schweden im Schnitt erhalten, kommen ja gerade einmal 70 Euro aus der aktienbasierten Prämienrente. Wenn es da mal zehn Euro weniger gibt, fällt das in Bezug auf die Gesamteinkünfte des Rentners nicht sehr ins Gewicht.“ Damit dämpft er die Erwartung, dass es nicht auch in Schweden zu negativen Gefühlen un- ter den Anlegern kommt, sollte der Markt mal eine ausgeprägte Baisse- phase haben. Ein weiterer Aspekt der schwedi- schen Aktienrente ist, dass die ge- wachsene Aktienkultur auch der Finanzie- rung der nationalen Unternehmen über den Kapitalmarkt zuträglich gewesen ist, findet Schumann. „Zur Jahrtausendwende hatten die Schweden eine eher geringe Sparquote, und den nationalen Unternehmen mangelte es an Finanzierungsmöglichkeiten. Inzwi- schen sehen wir in Schweden jedes Jahr eine große Anzahl an Börsengängen, die auch auf die gestiegene Nachfrage nach Investitionsmöglichkeiten zurückzuführen ist“, erklärt Schumann. Ähnliches konnte auch in Australien beobachtet werden, nach- dem 1992 das Superannuation-Programm eingeführt wurde. Dieser Punkt dürfte für weitere Diskus- sionen sorgen, denn er ist nicht nur renten- technisch interessant, sondern betrifft auch nationale wirtschaftliche Interessen. Lange Zeit war das in Deutschland kaum ein The- ma – oder sogar ein No-Go –, denn es galt als politisch nicht korrekt, ausländische Investoren zu diskriminieren und deutsche Investoren zu bevorzugen. Aber angesichts des russischen Einmarschs in die Ukraine kommt die Diskussion darum nun rapide wieder auf. So hatte man in der Vergangen- heit in Deutschland eher lässig über den Aufkauf von Schlüsseltechnologieunterneh- men durch ausländische Investoren, zum Beispiel die Kuka-Übernahme durch den chinesischen Midea-Konzern, hinweggese- hen oder hatte ausländische Unternehmen wie Gazprom die Höhe der Gasreserven in Deutschland steuern lassen. Jetzt liegen Überlegungen zu strategi- schen Investments wieder stärker im Fokus, und man schaut genauer, wer was steuert. Dazu braucht es aber Finanzmittel aus Deutschland. Ein Staatsfonds könnte hier für mehr Liquidität sorgen, zumindest in der Aufbauphase des Fonds. Im umgekehrten Fall, beim Verzehr aus dem Fonds, wären dann aber die nationalen wirtschaftlichen Interessen anderweitig wahrzunehmen. Kritik auch in Schweden Kein Rentensystem der Welt kann so gut sein, dass es nicht auch Kritiker hat. „Oft entzündet sich die Kritik am schwedischen AP7-Modell daran, dass jetzt das Renten- niveau nicht mehr so hoch ist wie beim ursprünglichen Rentenmodell, das bis Ende der 1980er-Jahre galt“, beobachtet Scarfone. „Damals gab es 60 Prozent des Einkom- mens, bezogen auf die besten 15 Einkom- mensjahre, und das war staatlich garantiert.“ Klimaschutz-NGOs kritisieren, dass die AP7-Fonds ihre Engagements bei Firmen im fossilen Energieträgergeschäft nicht schnell genug verringern. Bei dem beträcht- lichen Volumen und der Anlehnung an den MSCI ACWI Index als Benchmark (für den Aktienfonds) ist das schwierig. AP7-Spre- cher Johan Floren erklärte dazu, dass es Anstrengungen gebe, Firmen mit fossilem Energieträgergeschäft davon abzuhalten, politisches Lobbying zu betreiben, um die Klimapolitik in ihrem Sinne zu beeinflussen und Änderungen zu verzögern. Vergleich mit Norwegen Und Norwegen? Der norwegische Staats- fonds hat sich hingegen bereits 2015 aus Energie- und Bergbauunternehmen zurückgezogen, bei denen das Kohle- geschäft mehr als 30 Prozent des Geschäfts ausmacht. Scarfone warnt vor zu engen Vergleichen der beiden Staatsfonds in Schweden und Norwe- gen, denn die Hintergründe seien un- terschiedlich. „In Norwegen stammt das Geld aus dem staatlichen Ölfonds, während es in Schweden von den Beitragszahlern aufgebracht wird.“ Auch die Anlageausrichtung differiere. „Während der norwegische Staats- fonds aktives Stockpicking betreibt, investiert der schwedische AP7-Ak- tienfonds passiv, wobei er sich an den MSCI World Index anlehnt, aber eine leichte Allokationsabweichung haben kann.“ ANKE DEMBOWSKI Wenn der orange Brief kommt … Einmal jährlich erhalten die Schweden eine individuelle Renteninformation. Die Informationen darin sind gut aufbereitet, sodass die Schweden jederzeit wissen, wie viel Rente sie erwarten können, wenn sie mit 63, 65 oder 68 Jahren in den Ruhestand gehen. Sie sehen darin auch, wie sich die Fonds, die sie in ihrem Rentenkonto halten, entwickelt haben. Quelle: Schwedische Rentenagentur 236 N o. 1/2022 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R AT E G I E N | SCHWED I SCHE S TAAT S FONDS FOTO: © SCHWEDISCHE RENTENAGENTUR

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