Institutional Money, Ausgabe 1 | 2022

tigen. Rein rechnerisch stehen für jeden Rentenversicherungspflichtigen in Schwe- den also rund 22.500 Euro im System (Zah- len per 31. 12. 2019). Dagegen nimmt sich der Grundstock von zehn Milliarden Euro, den Deutschland als Startkapital für den neuen Kapitaldeckungs- baustein der gesetzlichen Rente bereitstellen will, gering aus, aber es ist ja auch nur der Anfang. In Deutschland gibt es knapp 57 Millionen Rentenversicherungspflichtige (Versicherte ohne Rentenbezug). Bei einem anfänglichen Kapitalstock von zehn Milliar- den Euro ergibt das die Summe von 175,40 Euro pro Kopf. Mehr als ein „Anschubser“ für ein neues System kann es also nicht sein, wobei in der Praxis nicht viel Zeit zum Anwachsen bleibt: In einer Dekade verab- schiedet sich die Generation der Babyboo- mer aus demArbeitsleben und will laufende Rentenleistungen beziehen. Rentenhöhe oft überschätzt Was die Größenordnung der kapitalge- deckten Rente in Schweden betrifft, so wird diese häufig überschätzt. „Die Durch- schnittsrente eines Schweden lag 2019 bei 1.850 Euro, davon rund 1.300 Euro aus der ersten Säule. Aber gerade einmal 70 Euro, also knapp vier Prozent der Gesamtrente, stammen aus der Prämienrente“, rückt Scar- fone das Bild zurecht. Und das obwohl das System bereits seit 20 Jahren läuft. Mit dieser Rente kommt man in Schwe- den zurecht. „Rentenzahlungen sind in Schweden komplett sozialabgabenfrei, und im Pflegefall werden sämtliche Kosten für Pflege, medizinische Versorgung oder Heimplatz in der Regel von der Kommune, in der man lebt, bezahlt“, sagt Scarfone. Neben der staatlichen Rente gibt es in Schweden auch Betriebsrenten. Die Model- le werden sowohl von Versicherungsunter- nehmen als auch von Fondsgesellschaften angeboten. „Arbeitgeber können hier min- destens 4,5 Prozent des Bruttolohns für ihre Mitarbeiter einzahlen. Die durchschnitt- liche Betriebsrente in Schweden beträgt zwischen 500 und 560 Euro pro Monat“, erklärt Scarfone. Etwa zehn Prozent der Schweden haben keine Betriebsrente, teilt die schwedische Pensionsbehörde mit. Im Umkehrschluss heißt das, dass 90 Prozent der Arbeitnehmer mindestens eine betrieb- liche Rente von einem ihrer früheren Arbeitgeber erhalten. Von solchen Durch- dringungsraten kann man in Deutschland nur träumen. Betriebs- und private Rente Natürlich können die Schweden auch pri- vat vorsorgen. „Allerdings gibt es für diese dritte Säule seit 2015 keine steuerlichen Anreize mehr – und dementsprechend auch keine speziellen Programme oder eine Ver- pflichtung, privat vorzusorgen“, sagt Scar- fone. „Ich schätze, dass die Menschen in Schweden etwa 350 Euro monatlich aus ihrer privaten Altersvorsorge beziehen.“ Selbstständigen rät die schwedische Pen- sionsbehörde, mindestens 4,5 Prozent ihres Einkommens in eine private Altersvorsorge zu stecken. Privat vorsorgen können Schwe- den mit einem sogenannten Investingspark- skonto (ISK-Konto). Diese Möglichkeit hat Schweden 2012 eingeführt, und jeder, der eine schwedische Sozialversicherungsnummer hat, kann ein solches Konto einrichten. Darin lassen sich Fonds und Aktien, die an einer ordentlichen Börse gehandelt werden, halten und traden. Auf die Kursgewinne fallen keine Kapital- ertragsteuern an, sondern es wird ein fikti- ver Zinssatz besteuert (Satz der schwedi- schen Staatsanleihe plus ein Prozent), der zurzeit sehr gering ist. Solange man eine Performance erzielt, die langfristig über die- sem fiktiven Zinssatz liegt, fährt man steu- erlich günstig mit dem ISK-Konto. Während man in Deutschland angesichts der zunehmenden Lebenserwartung die Bei- träge als wichtigste Stellschraube im Fokus hat, beschäftigt man sich in Schweden eher mit dem Renteneintrittsalter. So ist das Al- ter, ab dem man die volle Rente beziehen kann, an die demografische Entwicklung gekoppelt. Dabei können sich auch die Schweden früher aus dem Arbeitsleben ver- abschieden, müssen dafür allerdings hohe Abschläge in Kauf nehmen. Fünf bis sechs Prozent sind es für jedes Jahr, das man in Schweden früher geht; in Deutschland sind es 3,6 Prozent Abschlag pro Jahr. Björn und Annegret haben in Schweden derzeit einen Korridor und können zwi- schen 62 und 68 Jahren in Rente gehen. Für Peter und Anneliese aus Deutschland liegt der Korridor derzeit zwischen 63 und 70 oder mehr Jahren, sofern der Arbeitgeber mitmacht. Aktuell sind die Schweden dabei, ein sogenanntes Richtalter einzuführen. 67 Jahre sind dafür im Gespräch, und es soll mit steigender Lebenserwartung angehoben werden. Aktuell gehen die Schweden im Schnitt mit 64,5 Jahren in den Ruhestand, was nicht weit entfernt ist von den Deut- schen, die mit 64,0 beziehungsweise 64,1 (Männer/Frauen) in den Ruhestand gehen. Österreicher verabschieden sich aktuell mit 63,2 beziehungsweise 60,4 Jahren (Män- ner/Frauen) aus dem Arbeitsleben. Steuerliche Anreize gibt es im schwedi- schen Modell in erster Linie für die erste und die zweite Säule der Altersvorsorge. Der Anreiz für die private Vorsorge ist über- schaubar. Nicht nur das schwedische AP7- Programm wird in Europa oft als Vorbild angesehen, sondern auch die Qualität der Renteninformationen. Eine gute Performance Beim Blick auf ihre Renteninformation können sich die Schweden freuen. Seit seiner Auflage im Mai 2010 erzielte der schwedische AP7-Aktienfonds eine Rendite von 15,1 Prozent per annum, während der MSCI ACWI im selben Zeitraum „nur“ bei 12,6 Prozent lag. Ein Grund für die Outperformance ist die Investitionsquote, die meist über 100 Prozent liegt. Quelle: Bloomberg 0 % 50 % 100 % 150 % 200 % 250 % 300 % 350 % 400 % 450 % 2022 I 2021 I 2020 I 2019 I 2018 I 2017 I 2016 I 2015 I 2014 I 2013 I 2012 I 2011 I 2010 AP7-Aktienfonds MSCI ACWI Index Gesamtrendite N o. 1/2022 | www.institutional-money.com 235 P R O D U K T E & S T R AT E G I E N | SCHWED I SCHE S TAAT S FONDS

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