Institutional Money, Ausgabe 1 | 2022

ließ man das gehedgte Portfolio über einen Zeitraum von zehn Jahren laufen und kam zu einem beeindruckenden Risk-Return- Profil. Demnach liegt das gegen Tail Risks abgesicherte Portfolio beim Risiko auf einer Höhe mit der 60/40-Benchmark und zeigt gegenüber dem Index sowohl auf der Risiko- wie auch auf der Ertragsseite eine deutliche Outperformance. Der Stresstest Danach ließen die Autoren das Portfolio einen Stresstest durchlaufen, bei dem es täglich rekalibriert wurde. Angenommen wurde, dass die implizite Volatilität bei fünf- und zehnprozentigen Kursverän- derungen unverändert bleibt. Bei einem 20-prozentigen Abschlag wurden hinge- gen die impliziten Volatilitäten von fünf Black Swan Events durchgerechnet. Das gehedgte Portfolio wurde mit derselben Risikotoleranz ausgestattet wie das 60/40- Portfolio. Im 20-Prozent-Szenario wurde nicht nur eine Outperformance gegenüber der 60/40-Benchmark erzielt, das Portfolio erwirtschaftete in den Monaten mit der jeweiligen impliziten Volatilität der fünf Krisenszenarien einen durchschnittlichen Ertrag von knapp 25 Prozent; besonders auffällig war das Szenario „Oktober 2018“, das für ein Plus von rund 55 Pro- zent sorgte. Die Outperformance ergab sich durch die Tatsache, dass die Optionen einen Teil des linken Fat Tails kompensier- ten und es so möglich wurde, unter Ein- haltung des Risikobudgets den Risiko- anteil der Aktien zu erhöhen, also verstärkt Aktien zuzukaufen und so von den Auf- wärtsphasen stärker zu profitieren – genau dieses Profitieren war auch bei den ein- gangs erwähnten Black Swan Events von 2016 wichtig: Wer damals nicht gehedgt, sondern sich auf Timing verlassen hatte, lief Gefahr, das Risiko zu spät herauszu- nehmen, die damit einhergehenden Verlus- te zu realisieren, das Risiko in weiterer Folge nicht rechtzeitig wieder hochzufah- ren und so die Erholungs-Rallye zu ver- passen. Vor diesem Hintergrund gilt heute, was auch 2016 und 2018 gegolten hat: Nur höchstmögliche Diversifikation und diszipliniertes Hedging können die Resi- lienz von Portfolios erhöhen. Der Gedanke drängt sich auf, dass das für die Gesell- schaft genauso gilt. HANS WEITMAYR K O M M E N T A R B ass erstaunt blickt Europa die- ser Tage gen Osten und fragt sich: Wie konnte das geschehen? Erklä- rungsversuche finden sich zuhauf – die Bandbreite reicht von „Die NATO hat Wladimir Putins Sicherheitsbedürfnis gestört und den Angriff auf die Ukraine pro- voziert“ bis „Putin ist geistes- krank und will die UdSSR wie- dererrichten“. Vor allem Putins Diskurs, in dem er von den Fehlern aus 1917 redete, lässt leider das Szenario, wonach die präsi- diale Strategie auf die Restauration eines russischen Imperiums abzielt, als denkbar erscheinen. Und das ist aus Sicht von lang- fristig agierenden Investoren leider auch der Worst Case – sieht man von einer nuklearen Auseinandersetzung zwischen der NATO und Russland einmal ab. Denn in so einem Sze- nario hat Putin keine andere Wahl, als den Druck hoch zu halten. Die Stimmung im ei- genen Land hat sich längst zu Ungunsten machtpolitischer Ansprüche gedreht. Noch im November 2018 ergab eine Umfrage des russischen Meinungsforschungsinstituts Le- vada, dass für 53 Prozent der 1.600 Befrag- ten „unsere Vergangenheit, unsere Geschich- te“ der wichtigste nationale Identifikations- faktor seien. 88 Prozent meinten damals, Russland solle „seinen Status als Super- macht aufrechterhalten“, 45 Prozent erklär- ten, die „Rückführung“ der Krim mache sie stolz. Nur drei Jahre später ergab eine ähn- liche Umfrage 2021, dass nur mehr 32 Pro- zent eine russische Großmachtstellung als dringliches Ziel ansehen, der Fokus der rus- sischen Bevölkerung lag im Vorjahr auf Wohlstand und Sicherheit. Will sich Putin als Restaurator eines Imperiums den Eintrag in die Geschichtsbü- cher sichern, läuft dem 70-Jährigen die Zeit aber nicht nur persönlich und gesellschaft- lich, sondern auch langfristig-fundamental davon. Das flächenmäßig größte Land der Welt verfügt über eine Volkswirtschaft von der Größe Spaniens, die weitestgehend von fossilen Ressourcen abhängt. Das wäre angesichts der westlichen Transitionsbemü- hungen schädlich genug. Der Markttrend zu ESG und die damit verbundenen Desinvestitionen sorgen aber dafür, dass Russlands Modell bereits vor der Invasion unter Druck geraten ist. Milliarden Dollar, die aus dem Westen ins Land geflossen sind, waren laut Weltbank bereits am Versiegen. Das gilt nicht nur für die Privat- wirtschaft, sondern auch für den Staat, rus- sische Anleihen waren für die meisten insti- tutionellen Anleger nach seriösen ESG- Screenings bereits vor 2022 uninvestierbar. Während der soziale, politische und makro- ökonomische Anpassungsbedarf des Westens bei Eintritt eines imperialen Szenarios stark ausgeprägt wäre, könnte sich der kurzfristige Handlungsbedarf für die Finanzmärkte in engen Grenzen halten. Zieht man Analogien zu früheren Konflikten des Westens mit Russ- land – also dem Kalten Krieg – so kam es während der Kuba-Krise im Jahr 1962 zu einem rund 25-prozentigen Kursrutsch beim Dow Jones. Nach Nikita Chruschtschows Rückzieher erholten sich die Märkte und notierten Ende 1963 etwa dort, wo sie vor Ausbruch des Konflikts gestanden sind. Nachdenklich stimmt jedoch die Entwicklung der folgenden zwei Jahrzehnte: Bis 1985 kam der Dow nämlich nicht recht vom Fleck und prallte immer wieder an der 1.000- Punkte-Marke ab. Schwere Zeiten, wie die Ölpreiskrise der 1970er-Jahre führten zu herben Rückschlägen. Angesichts der offenkundigen Schwäche Russlands stehen ein derart langer kalter Krieg mit Moskau und die damit einher- gehenden komplizierten Rahmenbedingun- gen für die Aktienmärkte eher nicht zur Disposition. Europäische Investoren könnten sich also nahezu entspannen – gäbe es da nicht ein anderes Imperium, das sich im Gegensatz zu Russland gerade im Aufstieg befindet, dessen Verhältnis zum Westen alles andere als klar definiert ist und aus dem der Fluch stammt: „Mögest du in interessanten Zeiten leben.“ Das Imperium fällt zurück von Hans Weitmayr N o. 1/2022 | www.institutional-money.com 205 TA I L R I SK UKRA I NE

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