Institutional Money, Ausgabe 1 | 2022

men reallokiert werden, hat das natürlich klare Effekte auf den Markt – ein Umstand, der David Blitz von Robeco Quantitative Investments, zum Verfassen des Positions- papiers „Betting Against Oil: The Implica- tions of Divesting from Fossil Fuel Stocks“ veranlasste, wobei er eine dieser Implikatio- nen bereits in anderen Arbeiten untersucht hat. So hat er mit seinem Kollegen Lorense Swinkels ebenfalls im Jahr 2021 die Arbeit „Is Excluding Sin Stocks Effective?“ ver- fasst, in deren Rahmen die Autoren zu dem Schluss gekommen sind, dass der Aus- schluss von Aktien aus dem fossilen Ener- gieträgerbereich das Exposure Richtung Va- lue-Faktor drastisch reduziert. Das war in der Vergangenheit nicht immer ein Nachteil – gerade der Value-Faktor wurde in der jün- geren Vergangenheit ja bereits für mehr oder weniger tot erklärt. Im Rahmen der Value-Renaissance hat ein Verzicht auf ebendiesen Faktor jedoch Performance ge- kostet. In der aktuellen Solo-Arbeit geht Blitz aber nicht auf Faktorstrategien ein, vielmehr widmet er sich den makroökonomischen Risiken, die für institutionelle Investoren bei einem Verzicht auf Energieaktien aus dem fossilen Bereich bestehen – und diese sind hoch. Das liegt an der extrem starken Kor- relation zwischen besagten Aktien und dem Ölmarkt. Dieser hat in den vergangenen Jahrzehnten relativ ausgedehnte Bullen- und Bärenmärkte ausgewiesen (siehe Chart „Ausgedehnte Bären- und Bullenmärkte im Ölsektor“) . Die Wette gegen Öl „Desinvestiert man also den Ölsektor, so geht man in Wirklichkeit eine mehrjährige Wette gegen Erdöl ein“, erklärt Blitz. Um herauszufinden, ob eine derartige Wette langfristig lukrativ ist, untersucht Blitz den Ölmarkt, erfasst die monatlichen Erträge des MSCI World und zerlegt diese Erträge in die elf GICS-Level-1-Sektoren der Refi- nitiv-Datastream-Datenbank. Das geschieht für einen Zeitraum, der von Januar 1995 bis September 2021 reicht. Errechnet man nun für die einzelnen Sektoren im Rahmen einer Regressionsanalyse die Sondererträge, wird schnell klar, was tendenziell bereits zu erah- nen war: Der Energiesektor überschießt im Einklang mit dem jeweiligen Ölmarkt.  Steigt der Ölpreis, so liegt die Überrendite bei jährlich rund sieben Prozent, fällt der Ölpreis, performen Energieaktien um mehr als zehn Prozent schlechter als der breite Markt. Massiver Einfluss Schlüsselt man den Beobachtungs- zeitraum nun nach den letzten beiden Dekaden auf, so hätte ein Verzicht auf Öl- und Gasaktien im mehrheitlich bul- lishen Umfeld von 2001 bis 2010 einen Prozentpunkt pro Jahr weniger an Ren- dite gebracht, im folgenden Jahrzehnt war es genau umgekehrt. „Diese aktive Wette gegen Öl kann also über typische Bewertungszeitspannen substanziellen Ein- fluss auf die Erträge von Aktienportfolios haben“, führt Blitz aus. Einen einfachen Weg, das ursprüngliche Risikoprofil wiederherzustellen, sieht Blitz nicht. Jeglicher Substitutionsversuch – sei es über einschlägige Futures oder aber auch über Reallokation in Sektoren, die sich ähn- lich wie das Energiesegment verhalten – führe zu einem ähnlich hohen CO 2 -Fuß- abdruck wie ein Investment in Öl- und Gas- aktien. Blitz geht deshalb davon aus, dass Divestments „zwar keine Auswirkungen auf die langfristig zu erwartenden Erträge haben, Portfolios aber kurz und mittelfristig eine signifikante Underperformance wäh- rend Öl- und Energierallyes zufügen wer- den.“ Ob sich diese Prognose so erfüllt, kann man hinterfragen. Denn angesichts der Di- vestmentdynamik könnten Portfolios ohne Öl- und Gastitel bald de facto den Markt darstellen. Die Effekte wären also für alle gleich. Bezüglich Hedging könnte es eben- falls zu mehr Flexibilität kommen, etwa, wenn Divestments verstärkt aus politischen Gründen – und nicht aus Engagement für den Klimaschutz erfolgen. Dann könnte man den Stakeholdern durchaus erklären, weshalb man einen russischen Energietitel aus dem Portfolio nimmt und etwa durch einen westeuropäischen Baustoffkonzern ersetzt, obwohl beide Titel über einen hohen CO 2 -Fußabdruck verfügen. HANS WEITMAYR Was passiert, wenn der Ölpreis steigt – oder fällt Sektorale Performances in Zeiten von Hausse- und Baissephasen am Ölmarkt Will man aus dem Energiesektor aussteigen, das Divestment aber mit ähnlichen Risikoprofilen substituieren, so landet man unweigerlich bei Branchen mit hohen CO 2 -Ausstoß. Das ist eher kontraproduktiv. Quelle: Robeco -10 % -5 % 0 % 5 % 10 % Öl-Bullenmarkt Öl-Bärenmarkt Energie Bau- stoffe Industrie Basis- konsum- güter Ver- brauchs- güter Gesund- heit Financials IT Kommu- nikation Ver- sorger Immo- bilien Überrendite » Desinvestitionen von Energieaktien stellen eine aktive Wette gegen den Ölmarkt dar. « David Blitz, Robeco N o. 1/2022 | www.institutional-money.com 181 WE T T E GEGEN ÖL

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