Institutional Money, Ausgabe 1 | 2022

nen, dass die Portfolioeffekte aufgrund der entgangenen Gewinne im Aktienbereich re- lativ fatal sind: Zwar haben Petro- und Energieunternehmen ihre Bewertungen in den ersten Wochen nicht verdoppelt – wie das beim eingangs erwähnten WTI der Fall war –, aber Ölfirmen wie die europäische Royal Dutch Shell haben seit ihren Tiefs im Vorjahr immerhin um 50 Prozent zulegen können. Investoren, die hier nicht dabei waren, müssten also gegenüber ihren brei- ten Benchmarks eine relativ schwächere Performance ausweisen. Aber tatsächlich ist das Thema bislang gar nicht so präsent, wie man meinen möchte. Das lässt sich zumindest aus einer Studie schließen, die im Frühjahr 2022 über die Wissenschaftsplattform Elsevier publi- ziert wurde und folgenden Titel trägt:  „Determinants of fossil fuel divestment in European Pension funds“. Das Autorentrio rund um Florian Egli, der wie seine beiden Kollegen an der ETH Zürich wirkt, hat die Divestmentaktivitäten europäischer Pen- sionsfonds erhoben. Untersucht wurden die 1.000 größten Marktteilnehmer. Insgesamt wurden von diesen Fonds Divestments von mehr als 2,6 Billionen US-Dollar gemeldet. Das ist keine vernachlässigbare Summe, repräsentiert aber nur 33 Prozent des ge- samten verwalteten Vermögens. Von den 1.000 Fonds haben auch nur 129, also 12,9 Prozent Divestments vorgenommen, mehr- heitlich im Kohlebereich (siehe Grafiken „Nichts wie raus“ und „Skandinavische Vorreiter“) . Brachliegende Ressourcen „Das bedeutet wiederum, dass es vor allem größere Investoren sind, die sich einem Divestmentprozess unterziehen“, er- klärt Egli. Eine Vorreiterrolle spielt hier Norwegen. Die Pensionsfonds des Landes verwalten in Europa das dritthöchste Kapi- tal und haben Energieaktien de facto voll- kommen abgestoßen. Bemerkenswerter- weise ist diese Strategie aber gar nicht so sehr ökologischen Zielen geschuldet. Viel- mehr ist es den Managern des Norwegi- schen Staatsfonds darum gegangen, die gesamtstaatlichen Einkommensquellen so gut wie möglich zu diversifizieren und auf diese Weise das volkswirtschaftliche Risiko zu minimieren. Begründet wurde das da- mit, dass das Land über die eigene Ölför- derung ohnehin schon ein gewaltiges Expo- sure bei fossilen Energieträgern hat, folg- lich wollte man ein solches bei den Inves- titionstätigkeiten vermeiden, weshalb alle Öltitel aus dem Portfolio des Staatsfonds entfernt wurden. „Putins Einhundert“ Neben dem ökologischen und – fallweise – wirtschaftlichen Druck bereichert mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine aber auch eine politisch-ethische Komponente die Divestmentdynamik: Aktivisten welt- weit verlangen, spezifisch aus russischen Ölfirmen auszusteigen. Relativ medienwirk- sam ist das zuletzt auch in den USA ge- schehen. Dort hat eine Allianz von 75 NGOs „Putins Einhundert“ in einem offe- nen Brief dazu aufgefordert, aus Russlands Öl-, Gas- und Kohleindustrie auszusteigen. Mit diesen „Einhundert“ ist das Who’s who der nordamerikanischen Finanzszene ge- meint – darunter laut Nachrichtenagentur Bloomberg Giganten wie BlackRock, JPMorgan Chase oder Citigroup. Kritische Stimmen zu den Russland-Investments des Westens kommen aber nicht nur von NGO- Seite. Auch Spezialisten aus der Finanzsze- ne äußern sich skeptisch. So bezeichnet Matthew Zimmer, Director of Governance Research bei Newday Impact Investing, „das Exposure sogenannter ESG-Investoren in Russland als eine Blamage – und zwar eine recht teure“. Die Dynamik bei den Divestments wird in Zukunft also eher zu- als abnehmen und auch auf kleinere Pensionsfonds übergrei- fen, „die sich bislang aufgrund fehlender Slack Resources“, also mangelnder freier Kapazitäten, eher zurückgehalten haben, wie es bei Egli et al. heißt. Tatsächlich ist der intuitiv überraschend geringe Desinvestitionsgrad auch eher mit der Neuheit des Themas zu erklären. Laut den ETH-Forschern stammen die ersten Divestment-Statements aus dem Jahr 2014. Per Ende 2020 lagen von 1.200 Investoren mehr oder weniger konkrete Absichtserklä- rung vor, aus fossilen Industrien auszustei- gen, laut Egli liegen die von diesen Mana- gern verwalteten Vermögenswerte bei 14 Billionen US-Dollar. Wenn derartige Sum- Ausgedehnte Bären- und Bullenmärkte im Ölsektor Die russische Invasion in der Ukraine könnte einen neuen Bullenmarkt losgetreten haben. Entfernt man Energieaktien aus dem Portfolio, stemmt man sich de facto in 60 Prozent der Fälle aktiv gegen einen steigenden Ölmarkt. Derartige Vorhaben wollen gut geplant – und kommuniziert – sein. Quelle: Robeco 0 50 100 150 Ölpreis Öl Bullenmarkt Öl Bärenmarkt USD/barrel 2015 2020 2010 2005 2000 1995 » Das Exposure sogenannter ESG-Investoren in Russland stellt eine Blamage dar – und zwar eine recht teure. « Matthew Zimmer, Director of Governance Research bei Newday Impact Investing FOTO: © ROBECO 180 N o. 1/2022 | www.institutional-money.com SCHWERPUNKT UKRA I NE WE T T E GEGEN ÖL

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