Institutional Money, Ausgabe 1 | 2022

Die Studie untersucht nun Folgendes: Da S&P neben den Indizes auch im Rating- geschäft aktiv ist, könnten Unternehmen bestrebt sein, sich mittels strategisch ver- stärkter Käufe von Ratings bessere Aufnah- mechancen durch die Hintertür zu eröffnen. Allerdings müsste sich S&P, selbst wenn das der Fall wäre, in den Entscheidungen über die Indexmitgliedschaft auch tatsäch- lich dadurch beeinflussen lassen. Aufstiegskandidaten In ihren statistischen Untersuchungen kommen die Autoren zum Ergebnis, dass die Unternehmen tatsächlich mehr S&P-Ratings kaufen, wenn es freie Plätze und damit die Möglichkeit zur Mitgliedschaft im S&P 500 gibt. Das gilt insbesondere für Unternehmen, die nach Börsenwert zwischen den Rängen 300 und 700 eingestuft sind und damit in der Grauzone potenzieller Aufnahmekandi- daten liegen. Und auch der zweitgenannte Punkt scheint erfüllt: Es sieht so aus, als würde S&P bei der Entscheidung über Indexaufnahmen den Ratingkäufen der Unternehmen ein signifikantes Gewicht beimessen, das über die veröffentlichte Indexmethodik hinausgeht. Es wäre starker Tobak, sollten sich die Ergebnisse nicht nur als statistischer Zusam- menhang, sondern auch als faktisch wahr herausstellen. Darüber wird nun heiß disku- tiert beziehungsweise gestritten. Für Außen- stehende ist jedenfalls kaum ersichtlich, ob und wie Mitglieder des Indexausschusses von S&P tatsächlich mit Führungskräften aus anderen Bereichen des Unternehmens interagieren. Man sollte zwar annehmen, dass derartige Interessenkonflikte durch das hohe Reputationsrisiko im Falle einer Auf- deckung von Verstrickungen von vornherein unterbunden sein sollten, aber mit Sicher- heit lässt sich das nicht sagen. Geschäftsbereich Rating Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass wachsende Unternehmen, die vielleicht bald in den S&P 500 aufgenommen werden, schon allein deshalb mehr Ratings kaufen, weil sie eine zunehmende Zahl von Anleihen am Markt platzieren. Und da es sich beim Ratinggeschäft um einen eigenen, theoretisch unabhängigen Geschäftsbereich von S&P handelt, könnten und sollten diese Einschät- zungen der Kreditwürdigkeit völlig unbe- einflusst von den Indexentscheidungen sein. Vergleich zu Moody’s Doch ein Punkt spricht dagegen und er- härtet damit den statistischen Zusammen- hang der Studie: Es besteht ein starker Kon- trast der Ratingkäufe zwischen S&P und Wettbewerber Moody’s. In den USA lag der Marktanteil der beiden Agenturen im Jahr 2018 bei rund 82 Prozent. Da Moody’s kein Indexgeschäft hat, ist davon auszugehen, dass Unternehmen die Ratings stets ohne „Hintergedanken“ kaufen, während diese bei S&P wie beschrieben denkbar wären. Und tatsächlich zeigt sich das dazu passen- de Muster in den Daten: Werden etwa Plät- ze aufgrund von angekündigten Übernah- men von Unternehmen im S&P 500 frei, erhöhen die relativ großen Firmen außer- halb des Index ihre Ratingkäufe im gleichen Quartal – und zwar deutlich stärker bei S&P als bei Moody’s. Auch die Untersuchung ei- ner Regeländerung im Jahr 2002 liefert Be- stätigung. Damals kamen ausländische Fir- men nicht mehr für den S&P 500 infrage. Dadurch könnte der vorherige Anreiz ent- fallen sein, sich weiterhin um eine Mitglied- schaft im S&P 500 zu „bewerben“, wie es die Autoren formulieren. Passend dazu ließ sich ein signifikanter Rückgang der S&P- Rating-Käufe durch ausländische Unterneh- men nach dem Ereignis beobachten. Bei Käufen von Ratings des großen Mitbewer- bers Moody’s Investors Service zeigte sich dieser Effekt dagegen nicht. » Diskretionäre Aufnahmen performen oft schlechter als regelbasierte Zugänge. « Shang-Jin Wei, Professor of Finance and Economics, Columbia University Regelabweichungen im Vergleich Erhebliche Unterschiede zwischen S&P 500 und Russell 1000 Panel A: Status der Mitgliedschaft im Index S&P 500 Russell 1000 Ranggruppe nach Ranggruppe nach Marktkapitalisierung Im Index Nicht im Index Marktkapitalisierung Im Index Nicht im Index 1 bis 250 93,9 % 6,1 % 1 bis 500 100,0 % 0,0 % 251 bis 500 64,9 % 35,1 % 501 bis 1.000 95,5 % 4,5 % 501 bis 750 17,1 % 82,9 % 1001 bis 1.500 4,2 % 95,8 % 751 bis 1.000 3,1 % 96,9 % 1501 bis 2.000 1,0 % 99,0 % Über 1.000 0,2 % 99,8 % Über 2.000 0,2 % 99,8 % Panel B: Entscheidungen zur Aufnahme S&P 500 Russell 1000 Ranggruppe nach Ranggruppe nach Marktkapitalisierung Im Index Nicht im Index Marktkapitalisierung Im Index Nicht im Index 1 bis 250 4,0 % 96,0 % 1 bis 500 99,6 % 0,4 % 251 bis 500 1,7 % 98,3 % 501 bis 1000 83,2 % 16,8 % 501 bis 750 0,9 % 99,1 % 1001 bis 1500 2,4 % 97,6 % 751 bis 1.000 0,2 % 99,8 % 1501 bis 2000 0,4 % 99,6 % Über 1.000 0,0 % 100,0 % Über 2000 0,1 % 99,9 % Die Tabelle vergleicht, welcher Anteil der bestehenden Mitglieder beziehungsweise der Aufnahmen direkt durch die veröffentlichten Kriterien für den S&P 500 (Zeitraum: 1980 bis 2018) und den Russell 1000 (Zeitraum: 1996 bis 2016) erklärt wird. Quelle: Li, K. / Liu, X. / Wei, S.-J. (2021), Is Stock Index Membership for Sale?, NBER Working Paper 29365, S. 41 144 N o. 1/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | B ENCHMARKS FOTO: © COLUMBIA UNIVERSITY

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