Institutional Money, Ausgabe 1 | 2022

Interessenkonflikt? Der von S&P Dow Jones als Vorteil kommunizierte Spielraum des Index- komitees ist auch ein Einfallstor für berechtigte und unberechtigte Zweifel, die vor allem bei fragwürdigen oder umstrittenen Entscheidungen auftau- chen – und das aufgrund der Prominenz des Index mitunter auf großer medialer Bühne. Doch bisher reichte das nicht aus, um den Betreiber aus der Reserve zu locken und eine klare, rein regel- basierte Methodik vorzulegen. Im Herbst letzten Jahres sah man sich jedoch mit weitaus schwerwiegenderen Zweifeln konfrontiert – und zwar mit einem möglichen Interessenkonflikt. Dieser Verdacht wird in der Studie „Is Stock Index Membership for Sale?“ geäußert, die am National Bureau of Economic Research (NBER) veröffent- licht wurde. Die Autoren schreiben, dass für Unternehmen durchaus ein hoher Anreiz besteht, in den S&P 500 Index aufgenommen zu werden – sei es aus Prestigegründen des Managements, für mehr Bekanntheit und Anerkennung oder zur Verbesserung des Marketings. Grundsätzlich erscheint es deshalb vor- stellbar, dass Unternehmen bereit wären, etwas dafür zu bezahlen, um im bekanntesten Index der Welt gelistet zu sein, wenn sich eine Möglichkeit dafür bietet. Die ent- scheidende Frage ist nur, ob das auch tatsächlich der Fall sein könnte. Erhebliche Abweichungen Das Paper betrachtet Indexauf- nahmen im Zeitraum von 1980 bis 2018. Hier können anhand der „so genau wie möglich“ nachverfolgten veröffentlichten Kriterien rund 63 Prozent der Indexmitgliedschaften erklärt werden, also welche Unter- nehmen zu einem bestimmten Zeit- punkt zum Index gehörten und wel- che nicht. Erstaunlich ist jedoch, dass sich anhand dieser Kriterien nur etwa drei Prozent der Aufnah- men direkt erklären lassen, die in einem bestimmten Quartal in den Index kamen. Die niedrige Quote ist aber auch darauf zurückzuführen, dass die Auswahl der potenziell infrage kommenden Kandidaten recht groß ist. Dennoch zeigt sich hier ein klarer Kontrast zu stark regelbasierten Indizes wie dem Russell 1000. Im Umkehrschluss heißt das: Rund 37 Prozent der Indexmitglieder und 97 Prozent der Zugänge zum S&P 500 beruhen mehr oder weniger auf diskretionären Elementen, die nicht ausschließlich durch die veröffent- lichten Regeln vorhergesagt wer- den. Zwar verbesserten sich diese Werte im Zeitraum von 2015 bis 2018 etwas auf 29 beziehungsweise 93 Prozent, aber die Abweichungen erscheinen nach wie vor erheblich. Den Autoren zufolge verletzte in diesem Zeitraum etwa ein Drittel der Neuzugänge mindestens eine Regel. Gleichzeitig wurden viele Aktien, die alle Bedingungen erfüll- ten und zudem auch eine höhere Marktkapitalisierung aufwiesen, nicht in den Index aufgenommen. Das Ganze steht im Kontrast zum Russell 1000 Index, für den anhand der veröffentlichten Regeln rund 93 Prozent der Indexmitglieder und 75 Prozent der Zugänge von 1996 bis 2016 erklärt werden können (siehe Tabelle „Regelabweichungen im Vergleich“) . Dass man sich in exklusive Clubs einkaufen muss, hat Tradition und ist nicht zu beanstanden. Ganz anders sieht es aus, wenn man sich auch die „Mitgliedschaft“ in Leitindizes kaufen könnte. Regeln vs. Diskretion Nur 67 Prozent der Indexaufnahmen erfüllten alle Kriterien. Anteil Hauptquartier in den USA 94,57 % Rechtsform einer US Incorporation 93,48 % Marktkapitalisierung über S&P-500-Level 97,83 % Jahresvolumen höher als Marktkapitalisierung 97,83 % Monatsvolumen über 250.000 Aktien 100,00 % Positive Erträge im letzten Quartal 90,22 % Positive Erträge über die letzten vier Quartale 93,48 % Free Float über Mindestwert 78,26 % Mindestzeit seit Abstieg aus S&P 500 100,00 % Alle Kriterien erfüllt 67,39 % Anzahl Tatsächliche Aufnahmen 92 Unternehmen, die alle Kriterien erfüllten, aber nicht aufgenommen wurden 224 Die Tabelle zeigt für den Zeitraum von 2015 bis 2018, welcher Anteil der in den S&P 500 aufgenommenen Unternehmen die einzelnen Kriterien erfüllte. Besonders häufig wurde die Anforderung an den verfügbaren Free Float verletzt. Dieses Kriterium wurde erst im Anschluss an den Untersu- chungszeitraum im Jahr 2019 deutlich reduziert. Quelle: Li, K. / Liu, X. / Wei, S.-J. (2021), Is Stock Index Membership for Sale?, NBER Working Paper 29365, S. 37 N o. 1/2022 | www.institutional-money.com 143 T H E O R I E & P R A X I S | B ENCHMARK

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