Institutional Money, Ausgabe 4 | 2021

über ungünstigen Szenarien zu quantifi- zieren. Konstruktionsbedingt vernach- lässigen solche marktbasierten Maße das Tail-Risiko, das durch extreme Aus- prägungen anderer Faktoren verursacht wird, und sie erfassen nur teilweise das Risiko extremer Zustände, die durch gemeinsame Tail-Ereignisse mehrerer Faktoren verursacht werden. Wenn sol- che Left-Tail-Realisierungen von Nicht- Markt-Faktoren für das Vermögen eines repräsentativen Investors wichtig sind, dann sollte das Exposure eines Vermö- genswerts gegenüber diesen Crash-Er- eignissen dazu beitragen, die erwarteten Aktienrenditen zu erklären. Neues Risikomaß MCRASH Um die Sensitivität einer Aktie ge- genüber Crash-Ereignissen für eine Rei- he von Faktoren zu erfassen, schlagen Chabi-Yo, Huggenberger und Weigert vor, ein neues Maß für das systemati- sche Risiko einzuführen, das sie als MCRASH bezeichnen. Sie definieren MCRASH für eine Aktie als die beding- te Wahrscheinlichkeit, dass die Aktie ein Left-Tail-Ereignis ereilt, wenn zumin- dest bei einem der anderen Risikofakto- ren zum gleichen Zeitpunkt ein Left- Tail-Ereignis eintritt. Sie schlagen vor, quantilbasierte Schwellenwerte für die ent- sprechenden Left-Tail-Ereignisse der Aktie und der Faktoren zu verwenden, was bedeu- tet, dass MCRASH nicht durch univariate Risikomerkmale beeinflusst wird. Mit dieser Definition kann MCRASH als eine Verallgemeinerung der bivariaten Lower- Tail-Abhängigkeitskoeffizienten betrachtet werden. Eine erste Vorstellung davon, warum MCRASH sich vom bivariaten Crash-Risi- ko einer Aktie mit dem Markt unterscheidet, gibt die Grafik „Konzept des multivariaten Crash-Risikos“ . Sie zeigt Renditezeitreihen von den zwei Risikofaktoren A (Marktrisi- ko) und B (Nicht-Markt-Risiko) und drei einzelnen Assets (1, 2 und 3). Das indivi- duelle – univariate – Crash-Risiko aller drei Assets ist vergleichbar, da jeder der Vermö- genswerte zwei große negative Renditevor- fälle in ähnlicher Größenordnung ausweist. Die drei Assets unterscheiden sich jedoch hinsichtlich ihrer Sensitivität gegenüber den Abstürzen der beiden systematischen Fakto- ren. Bei Asset 1 kommt es zu einem gleich- zeitigen Absturz von Faktor A, der jedoch durch den Absturz von Faktor B nicht ne- gativ beeinflusst wird. Umgekehrt kommt es bei Asset 2 zu einem gemeinsamen Left- Tail-Ereignis mit Faktor B, jedoch nicht mit Faktor A. Bei Asset 3 hingegen kommt es zu einem gleichzeitigen Absturz beider sys- tematischer Faktoren. Ein bivariates Crash- Risikomaß, das sich ausschließlich auf den Risikofaktor A, den Markt, konzentriert, würde darauf hindeuten, dass das Crash- Risiko von Vermögenswert 1 und 3 iden- tisch ist und dass das systematische Crash- Risiko von Vermögenswert 2 gleich null ist. Im Gegensatz dazu berücksichtigt MCRASH das Crash-Risiko von Vermögenswert 2 und weist den höchsten Grad an systematischem Crash-Risiko dem Vermögenswert 3 zu, der gleichzeitig mit den beiden Risikofaktoren A und B abstürzt. Wenn ein Investor wegen der Tail-Events beider Faktoren besorgt ist, sollte er eine höhere Prämie für die Risikoübernahme der Crash-Möglichkeiten von Asset 3 fordern als für Asset 1 oder 2. Um diese Idee in eine Formel zu gießen, analysieren die Autoren die Relevanz des multivariaten Crash-Risi- kos für die Asset-Preise in einem Umfeld, in dem der wahre unbekannte stochastische Diskontierungsfaktor SDF durch seine Pro- jektion auf einen gegebenen Satz von Fak- toren ersetzt wird. Per definitionem kann diese Projektion dann als (messbare) Funk- tion der Faktorrenditen niedergeschrieben werden, und aus der Anwendung einer Tay- lorreihenerweiterung erster Ordnung ergibt sich die Zerlegung der Risikoprämie eines Assets in lineare Faktor-Betas. Die Autoren schlagen eine einfache Er- weiterung dieses Standards vor, indem sie einen Term hinzufügen, der die Näherungs- qualität für Left-Tail-Ereignisse verbessert. Diese Erweiterung ermöglicht es, die Risi- koprämie mit der multivariaten Crash-Sen- sitivität einer Aktie zu verknüpfen, die durch MCRASH gemessen wird. Mit ande- ren Worten: Die Autoren erweitern die linearen Standard-Multi-Faktor-Modelle, bei denen MCRASH die Prämie für das – nichtlineare – Exposure zum systematischen Crash-Risiko darstellt. Die theoretischen Ergebnisse implizieren, dass die erwartete Zur korrekten Einschätzung der Lawinengefahr benötigt man eine breite Palette an Informationen und Daten. Bei der Beurteilung des Crash-Risikos einzelner Aktien ist dies grundsätzlich ähnlich. Bisher wurde dennoch darauf verzichtet. N o. 4/2021 | www.institutional-money.com 95 T H E O R I E & P R A X I S | US - AKT I EN- CRASH

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