Institutional Money, Ausgabe 4 | 2021

weiteren Anstieg der Welthandelsvolumina. Das führt zu steigender Nachfrage in allen Transportbereichen. Die größeren Fragen sind: Können die Reedereien Kapazitäten nachlegen, und kommt der Passagierverkehr in der Luft zurück, damit die Frachtkapazi- täten in den Rümpfen der Passagiermaschi- nen wieder zu Verfügung stehen? Wir sind vorbereitet, unsere Kunden in allen Trans- portmodi die optimale Lösung für ihre Lie- ferkette zur Verfügung zu stellen. Welche Änderungen finden derzeit bei der „letzten Meile“ statt, und wer könnte davon profitieren? Wie profitiert Ihr Unternehmen davon? Oliver Seidl: Wir gehen davon aus, dass wir durch Digitalisierung und künstliche Intelli- genz große Fortschritte auf der letzten Mei- le sehen werden. Durch optimierte Routen- planung können wir schneller und mit weniger Emissionen an unsere Kunden aus- liefern. In den Städten stellen wir Paletten mit bis zu 500 Kilogramm Fracht längst mit elektrischen Cargobikes zu. Die sind leise, emissionsfrei und dürfen auch in verkehrs- beruhigten Zonen fahren. Wie wird sich die CO 2 -Bepreisung auf den Güterverkehr auswirken? Oliver Seidl: Sie hilft uns, mit unseren Kun- den Gespräche über grüne Lösungen zu führen. Als Logistikunternehmen sind wir asset-light. Wir stehen also zwischen dem Kunden, der seine Ware transportieren lässt, und dem Carrier, der sie auf seinen Assets, also zum Beispiel Schiffen oder Flugzeu- gen, transportiert. Wir sind das Bindeglied, der Organisator, Planer, Architekt und Controller der Lieferketten. Wenn wir grüne Logistik wollen, liegt es an uns, die grünen Transportangebote bei Carriern einzufor- dern und bei den Verladern zu verkaufen. Für die Verkehrswende sitzen wir also an einer entscheidenden Stelle. Wie wird sich die Covid-19-Pandemie auf den Güterverkehr auswirken? Oliver Seidl: Gesperrte Seehäfen und als Fol- ge der Covid-Pandemie fast komplett redu- zierte Passagierflüge, in denen in Normal- zeiten ein großer Teil der Luftfracht trans- portiert wird, haben uns die Verwundbarkeit der Lieferketten vor Augen geführt. Wir werden daher Verlagerungen und Diversifi- zierungen in den Lieferketten sehen, um Abhängigkeiten von bestimmten Ländern zu reduzieren. Folglich wird die Produktion immer mehr in andere Teile der Welt wan- dern, etwa nach Südostasien, Osteuropa oder Mexiko. Es zählt dann nicht mehr nur der billigste Standort, sondern auch Sicher- heit und Flexibilität gewinnen mehr an Bedeutung. Bevor Sie zu Schenker kamen, haben Sie beim Holzwerkstoffhersteller Pfleiderer, beim Anlagenbauer Dürr, beim Elektronik- hersteller Loewe und bei der Media-Saturn- Holding in verantwortungsvoller Position gearbeitet. Was ist an der Logistikbranche völlig anders als in den Branchen, in denen Sie zuvor gearbeitet haben? Und wo sehen Sie Gemeinsamkeiten? Oliver Seidl: Generell ging es in allen Unter- nehmen darum, die richtigen Produkte zu den richtigen Preisen auf den richtigen Märkten zu verkaufen. Das interessiert insbesondere den Finanzer, denn daraus ent- stehen Umsatz, Ergebnis und Cashflow. Was mich an der Logistik wirklich faszi- niert, sind die maximale Internationalität, die hohe Dynamik aller Akteure und die da- durch erforderliche Flexibilität, sich laufend ändernde Rahmenbedingungen möglichst zu antizipieren. Wir danken für das Gespräch. ANKE DEMBOWSKI » Wir werden künftig Verlagerungen und Diversifi- zierungen in den Lieferketten sehen, um Abhängig- keiten von bestimmten Ländern zu reduzieren. « Oliver Seidl, Chief Financial Officer der Schenker AG 90 N o. 4/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | OL I VER S E I DL | SCHENKER AG FOTO: © CHRISTIAN KNIEPS

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