Institutional Money, Ausgabe 4 | 2021

Woods von Ark Investment an. Mit ihrer Story über Start-ups und Makrowetten auf Elektroautos und Kryptowährungen hat sie es geschafft, ein enormes Fondsvermögen einzusammeln. Weil sie ihre Geschichte immer und immer wieder erzählt hat und viele ihr inzwischen glauben. Das Resultat ist: Sie hält sich schon jetzt für den Nostra- damus der Kapitalmärkte. Ich habe schon viele vermeintliche Marktgurus kommen und gehen sehen. Und alle haben ein Pro- blem bekommen, wenn sie gedacht haben, sie könnten die Zukunft vorhersagen. Es gibt viel zu viele Geschichtenerzähler an den Märkten. Ich halte mich lieber an die Zahlenmenschen. Ist das Ihre Unterscheidung – die Geschich- tenerzähler auf der einen und die Zahlen- menschen auf der anderen Seite? Aswath Damodaran: Wenn wir ehrlich sind, ist es doch so: Die Geschichtenerzähler prä- sentieren uns lediglich eingängige Narrative bezüglich der Wachstumschancen und da- mit auch des Werts der von ihnen präferier- ten Unternehmen. Da sind wir übrigens auch wieder beim anfangs genannten The- ma Momentum. Weil eben der Kurs solcher Aktien nur von den Geschichten getrieben wird, die über sie erzählt werden, aber nicht von nachprüfbaren Daten. Denn Gewinne oder Umsatzzahlen gibt es ja oft noch gar nicht. Ich persönlich glaube, dass es sinn- voller ist, jemandem zu vertrauen, der sich mit wirklich greifbaren und nachprüfbaren fundamentalen Daten auseinandergesetzt hat. Aber es muss ein Bewertungsmodell hinter den Zahlen stehen, das nach vorn gerichtet ist, nicht rückwärts. Denn ich glau- be schon lange nicht mehr an die vielbe- schworene Mean Reversion. Wobei das einmal die stärkste Kraft am Markt gewesen ist. Aswath Damodaran: Das war allerdings Ende des vorigen Jahrhunderts, als die Rückkehr zur Mitte noch wirklich funktioniert hat. Heute sehe ich es eher so, dass Mean Reversion nur so lange funktioniert, bis sie eben nicht mehr funktioniert, weil es einen Strukturbruch gibt. Ich persönlich habe nach der Dotcom-Blase auch acht Jahre ge- braucht, bis ich erkannt habe, dass ich nicht weiterhin all das, was ich im 20. Jahrhun- dert gelernt habe, als Kern dessen verwen- den kann, was im 21. Jahrhundert passiert. Aus diesem Grund ist eine Strategie, die auf einer reinen Rückkehr zu Mittelwerten basiert, heute eine sehr gefährliche Ange- legenheit. Heutzutage muss ich mich als Anleger viel mehr als früher fragen, was sich geändert haben könnte. Apropos Storytelling: Ist Nachhaltigkeit aus Ihrer Sicht auch nur eine Geschichte? Aswath Damodaran: Aus meiner Sicht ist ESG möglicherweise sogar das am meisten überbewertete und überverkaufte Konzept aller Zeiten. Dahinter steht im Grunde eine durchaus gut gemeinte Idee. Und am An- fang dachte ich, dass man sie nur noch ein wenig optimieren müsse. Heute kann ich eigentlich nur sagen: Macht endlich Schluss mit der ESG-Heuchelei! Warum ein so vernichtendes Urteil? Aswath Damodaran: Gleich aus mehreren Gründen: Es fängt schon damit an, dass die Messung dessen, was gut ist, nicht nur subjektiv ist, sie ist sogar individuell oder personenspezifisch. Wenn man eine Gruppe von Menschen fragt, was für sie einen guten Menschen ausmacht, dann werden alle extrem unterschiedliche Definitionen abge- ben – weil es eben von der individuellen Kultur, der Herkunft und vom persönlichen Hintergrund abhängt. Nicht einmal die sogenannten Ratingagenturen können sich darauf einigen, welche ESG-Bewertung sie einzelnen Unternehmen geben sollen. Die Korrelation unter solchen Einschätzungen ist nur sehr gering, aber man wird trotzdem weiterhin ein Geschäft daraus machen. » Aus meiner Sicht ist ESG möglicherweise sogar das am meisten überbewertete und überverkaufte Konzept aller Zeiten. « Prof. Aswath Damodaran, Professor an der New York University 60 N o. 4/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | PROF. ASWATH DAMODARAN | NYU S T ERN FOTO: © AXEL KOESTER

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