Institutional Money, Ausgabe 4 | 2021

Erinnern Sie uns gerade an die Ereignisse um Long Term Capital Management Ende der 90er-Jahre? Aswath Damodaran: Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass sogar Nobelpreisträger der irri- gen Annahme erliegen können, Arbitrage sei an den Aktienmärkten möglich und Konvergenz sei garantiert. Das entspricht aber nicht der Realität. An den Aktienmärk- ten gibt es keine Garantien. Das ist übrigens auch das grundlegende Problem vieler soge- nannter Value-Investoren, die uns das wäh- rend der vergangenen 20 Jahre immer und immer wieder vor Augen geführt haben: Aktien mit niedrigem Kurs-Gewinn-Ver- hältnis oder einer hohen Dividende zu kau- fen hat nichts damit zu tun, den tatsächli- chen Wert eines Unternehmens beziehungs- weise die korrekte Bewertung einer Aktie zu kennen. So etwas als Fundamentalanaly- se oder Value Investing zu bezeichnen, ist im Grunde ein Witz. Denn es ist nichts anderes als eine außerordentlich faule Denkweise, wenn es darum geht, tatsächli- che Werthaltigkeit zu ermitteln. Gehen Sie da nicht ein wenig zu hart mit substanzorientierten Investoren um? Aswath Damodaran: Ich habe wirklich mit sehr vielen Investoren und Fondsmanagern gesprochen, die von sich behaupten, sie seien Value-Investoren. Die meisten nehmen im Grunde einfach nur eine wenig intelligente Abkürzung. Screenings des Marktes anhand der immer gleichen Kennzahlen wie zum Beispiel dem Kurs-Gewinn-Verhältnis oder dem Kurs-Buchwert-Verhältnis sind heute kein differenzierender Faktor mehr und ent- halten daher auch nur wenig Information über den tatsächlichen Wert einer Aktie. Zu Zeiten von Benjamin Graham, dem Begrün- der des Value Investing, war das noch etwas anderes: Denn Benjamin Graham musste die Fundamentaldaten ja auch noch manuell zusammentragen und berechnen. Graham hatte keinen Computer und keine Datenbank. Er hat seine Daten mit Bleistift auf Papier erfasst und jede Korrelation, jede einzelne Kennziffer im Kopf ausgerechnet. Das ist es, womit er sich einen echten Wettbe- werbsvorteil erarbeitet hat. Heute gehen Sie einfach ins Internet, und nach wenigen Klicks haben Sie ein nach Ihren Wünschen zusammengestelltes Screening von hunder- ten Werten. Dieses Screening haben aber im Handumdrehen auch alle anderen Marktteil- nehmer. Das ist kein Wettbewerbsvorteil mehr. Was Value-Investoren heute betrei- ben, ist in vielen Fällen nicht mehr wert- haltig, und viele von ihnen verhalten sich zudem ignorant. Wie meinen Sie das? Aswath Damodaran: Im 20. Jahrhundert war Value Investing eine hervorragende Idee, die über einen langen Zeitraum großartige Ergebnisse hervorgebracht hat. Es war eben zeitweise sehr einfach, Geld damit zu ver- dienen. Man kaufte Aktien mit einem mög- lichst niedrigen Kurs-Gewinn-Verhältnis und wurde fast zwangsläufig mit einem ansehnlichen Wertzuwachs dafür belohnt. Aber weil es eben so einfach war, mit ge- ringem Aufwand gutes Geld zu verdienen, sind viele der selbst ernannten Value-Inves- toren dann nicht nur faul, sondern auch ignorant geworden. Sie wähnen sich auf der richtigen Seite der Geschichte und handeln unklug: Wenn ihre Strategien aufhören zu funktionieren, verdoppeln sie einfach den Einsatz und beklagen lautstark die Irrationa- lität der Märkte. Was sollte ein Value-Investor Ihrer Ansicht nach stattdessen tun? » Weil es so einfach war, mit geringem Aufwand gutes Geld zu verdienen, sind viele der selbst ernannten Value-Investoren dann nicht nur faul, sondern auch ignorant geworden. « Prof. Aswath Damodaran, Professor an der New York University 56 N o. 4/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | PROF. ASWATH DAMODARAN | NYU S T ERN FOTO: © AXEL KOESTER

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