Institutional Money, Ausgabe 4 | 2021

M üsste man Erik Spickschen mit einem einzigen Be- griff beschreiben, fiele die Auswahl schwer – sie reicht von Achtsam- und Nachhaltigkeit über Bildungsexperte bis hin zu Entrepre- neur und Investor. Alles wäre zutreffend, aber nichts würde ihm annähernd gerecht. Dass der Mann in keine Schublade passt, sig- nalisiert schon sein Outfit: orange Daunen- Weste, lila Pulli, Jeans. Schon im zweiten Semester seines BWL-Studiums gründete er sein erstes Unternehmen: den Delikatessen- import Delimondo. „Ich esse und koche gern fein. In den 90ern war ich Gourmet der alten Schule“, sagt er fast entschuldigend, „inzwischen interessieren mich mehr die vegetarischen und veganen Alternativen, beispielsweise eine avocadobasierte Alter- native zur Foie gras.“ Heute ist er Mitge- sellschafter des Oukan, eines Restaurantpro- jekts in Berlin, wo man sich von japani- scher Mönchskost inspirieren lässt. „Es gibt genügend rationale Gründe, sich tierfrei zu ernähren“, meint Spickschen, „aber es soll auch schmecken und Spaß machen.“ Promoviert hat der studierte Betriebswirt und Japanologe zum Thema „Internes Unternehmertum und Recruiting von High Potentials“. Das Wissen nutzte er gleich beim Mitaufbau eines der führenden Anbie- ter von exklusiven Recruiting-Veranstaltun- gen in Deutschland, MSW & Partner. Da- raus entwickelte er sein drittes Start-up: die Internet-Jobsuchmaschine kimeta. Sie zählt mittlerweile zu den Top Five der deutschen kommerziellen Jobportale und funktioniert wie eine Art Job-Google: kimeta durchfors- tet Onlinejobbörsen, Stellenangebote von Unternehmen, Karrierewebsites und Perso- nalberatungen nach Stellenanzeigen und ordnet die Treffer mithilfe von KI-Verfahren nach qualitativen Kriterien und Aktualität. „Derzeit sind dort über zwei Millionen Job- anzeigen aufgeführt, und das allein im deutschsprachigen Bereich“, sagt Spick- schen. Bis heute ist er kimeta als Gesell- schafter und Vorsitzender des Gesellschaf- terbeirats verbunden. Doch was sich so geradlinig anhört, war in Wirklichkeit ein mäandernder und steini- ger Weg. Das Geschäftsmodell der Jobsuch- maschine musste öfter umgebaut werden, weil sich die Arbeitsmarktsituation gewan- delt hatte. Das Suchen nach Lösungen, näch- telanges Tüfteln, dazu noch privat ein Haus- bau und familiäre Herausforderungen … 2007 geriet Spickschen in eine schwere Kri- se, ein Jahr nach der Gründung. Aufhören war jedoch schwierig, denn er war einer der beiden Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens, sodass vieles an ihm hing. Aber durch die Ausdauer des gesamten Teams und mit einer Portion Glück gelang es letztlich, ein erfolgreiches Geschäftsmo- dell zu entwickeln und die Gewinnschwelle zu erreichen. Der Zusammenbruch hat ihn jedoch verändert. Mithilfe der Zen-Medita- tion erkannte er, dass systematisches Wachstumsmanagement nun nicht mehr sei- ne Sache war. Da er weder Kollegen noch Gesellschafter überfordern wollte, ließ er sich eineinhalb Jahre Zeit für seinen Aus- stieg – dann konnte er geordnet gehen. Während seiner neu gewonnenen Freiheit reiste er nach Japan, um den 88-Tempel- Pilgerweg in Shikoku zu gehen, was schon immer sein Traum war. Dort fand er Ruhe und Inspiration und kam außerdem wieder mit grünem Tee in Berührung. New Work Als er von seiner Reise nach einem hal- ben Jahr wieder zurück nach Deutschland kam, gründete er sein viertes Unternehmen: macha-macha, ein Teestubenfilialkonzept, in dem grüner Tee aus Japan und Speziali- täten aus grünem Tee angeboten wurden. „Ich wollte zum einen grünen Tee außerhalb von Japan bekannter und beliebter machen. Zum anderen wollte ich andere Arbeitsfor- men ausprobieren, New Work sozusagen“, erklärt er. „Die grundsätzliche Thematik ist, dass sich unsere Wirtschaft verändern muss. Wir müssen weg vom alleinigen Ziel der Gewinnmaximierung, hin zu Sinnmaximie- rung.“ Inspiration dafür fand er unter ande- rem im Buch „Reinventing Organizations“ von Frederic Laloux, das rund um das Jahr 2014 mit seiner Aufforderung zu sinnstif- tenden Formen der Zusammenarbeit welt- weit für Furore sorgte. Gründungs-Enthusiast Dr. Erik Spickschen hat einige Start-ups ins Leben gerufen und geht als Unternehmer gern alternative Wege. Als Stiftungsrat ist er mit zuständig für die Anlage des Stiftungsvermögens, und bei der Deutschen Bildung investiert er in die Ausbildung von Nachwuchsakademikern. Erik Spickschen frei assoziierend zu … … Achtsamer Umgang mit Ressourcen: „Macht Freude und wird uns wieder zurück ins Gleichgewicht bringen.“ … Das Sprichwort „Ohne Fleiß kein Preis“: „Preise, die man ohne Anstrengung erhält, führen meistens nicht zu nachhaltiger Freude.“ … Erfolg: „Das Ergebnis von Intuition, klarer Zielsetzung und Anstrengung mit einer Prise Glück und ganz viel Passion.“ … Rückschläge: „Die besten Lehrer.“ … Tee vs. Kaffee : „Tee täglich, Kaffee ab und zu.“ … Wachstumsparadigma: „Wachstum ist sinnvoll, bis die optimale Gleichgewichtsgröße erreicht ist.“ … Selbstorganisation in Unternehmen: „Die Zukunft, aber die Transformation dorthin ist heute noch eine Herausforderung.“ … Bildung: „Katalysator für Entwicklung und Entfaltung.“ … Gerechtigkeit: „Ein hoher Wert und nicht zu verwechseln mit Gleichheit.“ Hin zur Sinnmaximierung 246 N o. 4/2021 | www.institutional-money.com P O R T R ÄT | DR . ER I K SP I CKSCHEN | DEUT SCHE B I LDUNG AG FOTO: © SHINJI MINEGISHI

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