Institutional Money, Ausgabe 4 | 2021

Fremdkapitalfinanzierung anbieten: „Hier wird auf Objektebene ein Immobiliendar- lehen von bis zu 60 Prozent des Werts auf- genommen“, erklärt Halblaub. Hier sind es dann echte Immobiliendarlehen mit ent- sprechend niedrigeren Zinsen. Ein erstes Produkt mit einem Leverage bis zu 60 Pro- zent hat Estating bereits in die Platzierung gegeben. Zielgruppen Zielgruppe für die Immobilienverbriefun- gen sind zunächst Family Offices, vermö- gende Privatpersonen (HNWIs) und Versor- gungswerke. „Wir wollen aber weiter hinein in den institutionellen Markt und zum Beispiel an kleinere und mittlere Pensionskassen und Ver- sicherungsgesellschaften vertrei- ben“, erklärt Halblaub. Die ganz großen Einheiten wird er womög- lich nicht interessieren können, weil diese mit ihren eigenen Im- mobilien-Spezialfonds selbst eine breite Streuung herstellen können. „Aber für kleinere bis mittlere In- stitutionelle kann das Konzept passen. Bis- her war der Bereich Prime Residential Pro- perties aufgrund der Kostenstrukturen für diese Zielgruppe nicht interessant. Mit un- serem Produkt ist es zudem leichter, eine re- gionale Streuung herzustellen.“ Neben dem Sourcing und der Verbriefung organisiert Estating auch das Property und das Facility Management. Hier werden die Kosten aber lediglich durchgereicht, ähnlich wie das eine Hausverwaltung macht. „Ver- dienen wollen wir nur auf der Transak- tionsebene, nicht über die Dauer des Invest- ments“, stellt Halblaub klar, wo der Sweet- spot liegt. Verbriefungsstruktur Bank- und depotfähig werden die Einzel- immobilien durch eine Verbriefungsstruktur. Obwohl alle fünf Gründer von Estating ei- nen digitalen Hintergrund haben und die technische Expertise für eine Tokenisierung vorhanden gewesen wäre, hat man sich für eine Verbriefung entschieden. „Das ist in dem Fall das geeignetere Vehikel. Außerdem sind die wenigsten Investoren bisher in der Lage, Token zu halten, oder wollen dies nicht. Wir sind in der Lage, die Zertifikate in Abschnitten ab 50.000 Euro oder US-Dollar anzubieten – in Zukunft soll diese Mindestanlagesumme aber deutlich sinken“, so Oetken. Die Verbriefungen führt Estating selbst über eine eigene Gesellschaft namens Esta- ting Property Vault in Luxemburg durch. „Luxemburg ist der größte Verbriefungs- markt Europas mit einer sehr stabilen Rechtslage. Wir haben die Prozesse dazu weitgehend automatisiert, sodass wir die Verbriefungen zu wettbewerbsfähigen Prei- sen anbieten können“, erklärt Halblaub. Üblicherweise würden solche Verbriefungen erst ab rund 100 Millionen Euro angeboten, „aber nicht für ein Apartment von zwei Millionen Euro!“, stellt er klar. Die Verbrie- fungsgesellschaft in Luxemburg setzt für jede Immobilie ein separates Compartment auf, das die Immobilie kauft und zur Finan- zierung ein Wertpapier begibt. „Das hat eine ähnliche rechtliche Wirkung, als hätten Sie ein Sondervermögen für jede einzelne Immobilie“, meint Halblaub, „das funktio- niert ähnlich wie das Sondervermögen eines Fonds.“ Im Verwertungsfall wird ausschließlich auf die Immobilie in diesem einzelnen Compartment zurückgegriffen. „Das funk- tioniert ähnlich wie ein Einzelpfandbrief mit 100 Prozent Rangauslauf, also eine wirklich immobilienbesicherte Finanzierung, eben ein Debt Security“, wird Halblaub tech- nisch. Im Fall, dass Estating pleitegeht, hätten am Ende ausschließlich die Wertpapierinha- ber das Verwertungsrecht an der Immobilie. Der Erlös werde dann pari passu ausge- schüttet. „Es besteht also kein Emittenten- risiko“, stellt Halblaub klar. Einmaliger Ausgabeaufschlag Die Kosten sind in Assetklassen mit rela- tiv niedrigen Cash-Renditen ein besonders wichtiger Aspekt, sie sind also auch hier einen besonderen Blick wert. Für den Im- mobilienankauf berechnet Estating einen einmaligen Ausgabeaufschlag von drei Pro- zent. „Das brauchen wir, um damit die Verbriefung herzustellen und den Vertrieb zu bezahlen“, so Oetken. „Im Verlauf geben wir lediglich die Kosten für die Betreuung der Immobilie weiter.“ Das sind insbeson- dere die Kosten für Property und Facility Management. Erwerbsnebenkosten fallen an wie bei jeder Immobilie. „Aber nur beim Ersterwerb, nicht beim Weiterverkauf des Wertpapiers“, stellt Oetken klar. Vertrieben werden die Immobilienzertifi- kate hauptsächlich in zwei großen Märkten: in der DACH-Region und in Lateinamerika. „Das hat sich so angeboten, weil unsere Gründer in diesen Märkten eine gute Reich- weite haben“, erklärt Oetken. „Pensionskas- sen, Versicherungen und andere qualifizierte Investoren sprechen wir natürlich selbst an“, ergänzt er. Der Vertrieb an Privatanleger erfolgt hingegen über Finanzanlagenberater und andere regulierte Marktteilnehmer. Einen Sekundärmarkt will Estating später auch etablieren, „aber erst mal sind wir mit dem Ausbau des Primärmarktes beschäf- tigt“, dämpft Halblaub die Hoffnung, dass in Kürze ein florierender Sekundärmarkt mit Estatings Immobilienzertifikaten mög- lich sein wird. „Wenn jemand verkaufen möchte, machen wir das unseren anderen Investoren bekannt“, meint Halblaub. Da er und sein Team global vernetzt sind, hofft er, auch dann Käufer zu finden, wenn dies in einem möglicherweise prozyklischen deut- schen Markt schwierig wäre. „Natürlich streben wir eine höhere Liquidität an, aber mehr als das können wir als Start-up jetzt noch nicht versprechen“, gibt Halblaub zu. Zum Schluss nennt er gleich eine zweite illiquide Assetklasse, mit der dieses Kon- zept machbar wäre: „Theoretisch wären Verbriefungsstrukturen auch für Private Equity sinnvoll – mal sehen, wo bei uns die Reise noch hingeht!“ ANKE DEMBOWSKI » Die ersten beiden Immobilien haben wir diesen Sommer bereits platziert, und nun geht es weiter. « Matthias Oetken, einer der fünf Gründer von Estating, ehemaliger Finanzchef der Neobank N26 226 N o. 4/2021 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R AT E G I E N | IMMO-VERBR I E FUNG FOTO: © ESTATING

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