Institutional Money, Ausgabe 4 | 2021

Passiv nur dem Namen nach Die wichtigste Erkenntnis des erstge- nannten Papers ist, dass Indizes nicht wirklich „passiv“ sind, da in deren Er- stellung zwangsläufig alle möglichen Entscheidungen getroffen werden müs- sen. Das heißt, dass auch passive Anle- ger letztlich die Verwaltung des Port- folios delegieren – nur eben mit dem Unterschied, dass der Beauftragte statt dem klassischen Fondsmanager eben der Indexersteller beziehungsweise -be- treiber ist. Denn dort werden die Ent- scheidungen getroffen, die der Fonds dann entsprechend umzusetzen hat. Hier kommt die Diversität der Index- landschaft ins Spiel. Allein den Namen eines Index zu kennen, reicht bei Wei- tem nicht aus, um die tatsächlichen Mechanismen zu verstehen. Zum Bei- spiel stützen sich manche Indizes weit- gehend auf quantitative, mechanische Regeln, während andere nach wie vor über erheblichen Ermessensspielraum verfügen. Letzteres bedeutet, dass sich ein- zelne Entscheidungen des Indexanbieters teilweise überraschend auf die Portfolios der Anleger auswirken können. Tatsächlich sind in der Praxis damit hunderte Milliarden Dollar an Indizes gebunden, die im Prinzip ähnliche Strategien verfolgen, wie man sie von einem „aktiv“ verwalteten Fonds er- warten würde, so die Studie. Allerdings können weder Indizes noch aktive Fonds ohne Weiteres von ihren grundlegenden Richtlinien abweichen. Das ist nur im Rahmen eines längeren Prozesses möglich. Zudem besteht bei Indizes, die von vielen Marktteilnehmern ver- wendet werden, ein Anreiz zur Auf- rechterhaltung der Integrität. Doch dieser Anreiz ist erheblich abge- schwächt, wenn der Index nur einen Nutzer hat. Und beim Self-Indexing dürfte er noch geringer sein, da ein- und dasselbe Unternehmen – bezie- hungsweise ein mit ihm verbunde- nes Unternehmen – sowohl den Index als auch den Fonds verwaltet. Ein Hinweis des Papers in Rich- tung der Regulierungsbehörden ist, den Standard zur Verwendung von Indizes als Benchmarks zu überden- ken. Angesichts der enormen Anzahl und Vielfalt von Indizes scheinen diese nicht uneingeschränkt einen besseren Vergleich zu bieten als andere Anlagemög- lichkeiten wie etwa Fonds der Konkurrenz. Ausmaß der „Aktivität“ Die zweitgenannte Studie des Autoren- trios um Adriana Robertson untersucht das aktive Verhalten der scheinbar passiven Instrumente noch genauer. Überraschend ist dabei, dass etwa ein Drittel der Indexfonds und ETFs eine höhere Aktivität aufweist als der Median der offiziell aktiv verwalteten Fonds. Dies messen die Autoren anhand zweier Größen: am Bestimmtheitsmaß eines Vier-Faktor-Regressionsmodells sowie an der aktiven Gewichtung, die erfasst, wie stark die Portfoliogewichtung eines Fonds von der durch die Marktkapitalisierung im- plizierten Gewichtung abweicht. Die beiden Maße ergeben, dass 38 beziehungsweise 22 Prozent der Indexfonds und ETFs im unter- suchten Zeitraum von 2006 bis 2018 aktiver waren als der Medianwert von als aktiv ver- waltet deklarierten Fonds (siehe Grafik „Aktive passive Fonds“) . Das verdeutlicht, wie die Grenze zwischen aktivem und pas- sivem Investieren verschwimmt. Der aktive Charakter lässt sich auch anhand von Stilen wie Value, Momentum oder Size messen. Dabei zeigt sich, dass Indexfonds und ETFs in der Stichprobe alles andere als homogen sind und eine Vielzahl von Stilen und unterschiedlichen Strategien verfolgen. Auch hier zie- hen die Autoren den Vergleich zu aktiven Fonds. Zwar sind die Expo- sures gegenüber den Faktoren ver- gleichbar, aber bei Indexfonds und ETFs treten stärkere Fat Tails auf. Das passt nicht zur Vorstellung von passivem Management, dass ein (breiter) Marktindex abgebildet wird. Besonders gilt dies für exoti- Marktanteile Top-5-Indexanbieter und ETF-Sponsoren INDEXPROVIDER ETF-SPONSOR Name Marktanteil Name Marktanteil S&P Dow Jones 53,24 % iShares 33,17 % CRSP 14,51 % Vanguard 27,82 % FTSE Russell 12,37 % State Street 22,69 % MSCI 7,86 % Invesco 6,52 % NASDAQ 6,97 % Schwab Die Tabelle zeigt die Marktanteile der fünf größten Indexanbieter und ETF-Sponsoren am US-Aktienmarkt per Dezember 2019. Die Top Five machen gemeinsam jeweils rund 95 Prozent des Marktes aus. Quelle: An, Y./Benetton, M./Song, Y. (2021), Index Providers: Whales Behind the Scenes of ETFs, S. 11 Etliche Akteure im Geschäft mit passiven Investmentkonzepten verstehen sich gut darauf, ihre Lösungen in einem besseren Licht erscheinen zu lassen oder die wahre Kostenbelastung zu verschleiern. N o. 4/2021 | www.institutional-money.com 171 T H E O R I E & P R A X I S | B ENCHMARKS

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