Institutional Money, Ausgabe 4 | 2021

T raue keinem Backtest, bei dem du nicht selbst die manipulative Optimierung durchgeführt hast, könnte man in Anlehnung an Winston Churchills Generalverdacht ge- genüber jeglicher statistischer Auswer- tung sagen. Institutional Money wies darauf schon in Ausgabe 2 dieses Jahres hin („Smart Backtest statt Smart Beta“). Demnach führen scheinbar unabhängige Indexanbieter und/oder ETF-Sponsoren bei Smart-Beta-Ansätzen umfangreiches Data Mining durch, um Zuflüsse zu ge- nerieren. Die damit verbundene Kritik zielte vor allem auf Faktorstrategien ab. Darüber hinaus gibt es aber auch einige Stu- dien, die sich mit ganz grundsätzlichen Pro- blemen der „passiven Produkte“ befassen. So veröffentlichte Adriana Robertson im Jahr 2019 ihr Paper „Passive in Name Only: Delegated Management and ,Index‘ Inves- ting“, das eine umfangreiche empirische Analyse zu US-Aktienindizes beinhaltet. Darin lieferte sie zunächst einen Überblick, weshalb Indizes für die modernen Finanzmärkte von zentraler Bedeu- tung sind: Anleger verwenden sie, um Allokationsentscheidungen zu bewerten, Fondsmanager werden oft anhand der relativen Performance zu ihnen entlohnt, und Akademiker nut- zen sie vielfach in der empirischen Forschung. Im Zeitablauf hat die Be- deutung der Indizes dabei zugenom- men, was vor allem mit der Erfolgs- geschichte von klassischen Index- fonds und ETFs zusammenhängt. Heute sind darin Billionen von Dol- lar investiert, die letztlich durch die zugrunde liegenden Indizes gesteuert werden. Und das kann mitunter pro- blematisch sein. Denn während Ka- pitalflüsse fortlaufend veröffentlicht und analysiert werden, wurde den Indizes selbst bisher weniger Auf- merksamkeit zuteil. So war man sowohl in der akademischen Literatur als auch in der Anlagepraxis allgemein der Auffassung, dass Indexfonds und ETFs passive und weitgehend austauschbare Instrumente dar- stellen. Das ist aber nicht ganz korrekt. Self-Indexing In ihrem Paper untersucht Robertson handverlesene Daten zu Indizes, die als Benchmarks für Fonds verwendet werden. Dabei dokumentiert sie erhebliche Abwei- chungen, was deren Konstruktion angeht. Zudem stellt sie fest, dass die überwältigen- de Mehrheit der Indizes in der Stichprobe – mehr als 75 Prozent – nur von einem ein- zigen Fonds als primäre Benchmark ver- wendet wird. Bei Indexfonds zeigt sich die- ses Phänomen noch deutlicher. Und vor al- lem bei ETFs bildet ein erheblicher Teil letztlich Indizes nach, die selbst erstellt oder von einem verbundenen Unternehmen maß- geblich kontrolliert werden („Self-Inde- xing“), was über rein vertragliche Ge- schäftsbeziehungen hinausgeht. In der Stichprobe war das bei 81 von 571 Fonds der Fall, wie Robertson nach Prüfung der Prospekte herausfand. Interessant ist dabei, dass diese Fonds im Durchschnitt höhere Kos- tenquoten haben. Das bestätigt auch eine aktuelle Studie („Closet Active Management of Passive Funds“), die Adriana Robertson gemeinsam mit Pat Akey und Mikhail Simutin ver- fasst hat. Daraus geht hervor, dass etwa 20 Prozent der ETFs eigene Indizes abbilden – und dabei insge- samt höhere Gebühren verlangen und schlechtere Renditen erzielen. Das betrifft vor allem kleine Fonds. Die großen ETF-Sponsoren und In- dexanbieter, die über 95 Prozent des gesamten verwalteten Vermögens auf sich vereinen, sind nicht auf die- se Weise miteinander verbunden. ETFs gelten als passiv, transparent und kostengünstig , doch Untersuchungen zeigen, dass das nicht grundsätzlich so sein muss. Die heiklen Themen in diesem Zusammenhang drehen sich um „Self-Indexing“, „Active-Passive-Konzepte“ und die hohen Gewinnmargen großer Indexanbieter. Aktive passive Fonds Grenze zwischen aktivem und passivem Investieren scheint verschwommen Die Grafik zeigt die Verteilung der aktiven Gewichtungen von klassischen Indexfonds und ETFs im Zeitraum von 2006 bis 2018. Demnach kann fast ein Viertel der Stichprobe als „aktiv“ bezeichnet werden. Die gestrichelte Linie markiert den Medianwert der aktiven Gewichtungen von offiziell als aktiv deklarierten Fonds im gleichen Zeitraum. Quelle: Akey, P./Robertson, A. Z./Simutin, M. (2021), Closet Active Management of Passive Funds, S. 30 0 % 5 % 10 % 15 % 20 % 25 % 1,0 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0,0 Anzahl Fonds Anteil in Prozent Median aktiver Fonds Aktive Gewichtung Fette Margen » Indizes sind nicht wirklich passiv; ihre Erstellung erfordert viele Entscheidungen. « Adriana Robertson, Associate Professor of Law and Finance, University Toronto 170 N o. 4/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | B ENCHMARKS FOTO: © OLIVER SALATHIEL, PATPITCHAYA | STOCK.ADOBE.COM

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