Institutional Money, Ausgabe 4 | 2021

gen im Voraus antizipiert werden, während das Risiko zwischenzeitlicher Kursschwan- kungen permanent besteht. Auf diese Weise verschwimmt der Indexeffekt zunehmend mit dem Rauschen der Kurse. Außerdem bedingen und überlagern sich die Entwick- lungen hier gegenseitig: Steigen die Kurse eines Kandidaten stärker an, wird auch des- sen Indexaufnahme wahrscheinlicher (und umgekehrt). Schließlich müssen Aktien, die in klassische Indizes aufgenommen werden, zuvor relativ betrachtet gestie- gen sein, um sich überhaupt dafür zu qualifizieren (Abbildung „Stetiger Kurs- anstieg vor Indexaufnahme“) . Das Glei- che gilt umgekehrt für Absteiger, die entsprechend gefallen sein müssen. Antti Petajisto wies in seinem Paper deshalb darauf hin, dass die Arbitrageu- re ein Teil der Lösung sind. Die Regeln zur Indexanpassung sollten transparent und mechanisch gehalten sein, damit Aktien, die später den Indexfonds „übergeben“ werden, über einen deutlich längeren Zeitraum im Voraus gekauft werden, was kursschonen- der ist. Gleichzeitig sollte sich dadurch der Indexeffekt reduzieren. Der Wind hat gedreht Seither drehte auch bei den empirischen Untersuchungen der Wind. So zeigte eine Studie von Standard & Poor’s aus dem Jahr 2008, dass der Indexeffekt tatsächlich abge- nommen hat. Als Erklärung führte man den beschriebenen Effekt an, dass eine zuneh- mende Zahl von Arbitrageuren jede Gele- genheit möglichst frühzeitig zu nutzen ver- sucht. Außerdem veränderte sich auch das Verhalten der Indexfonds. Statt wie anfangs nur zum Schlusskurs zu handeln, begannen sie, um diesen herum zu agieren, um ihren Durchschnittspreis zu verbessern. Oder sie übertragen das Risiko gleich auf speziali- sierte Handelsabteilungen, die ihnen min- destens den Schlusskurs garantieren. Die Autoren vermuten ebenfalls, dass vor allem mechanische Indexänderungen im Voraus antizipiert werden. Enthält das Regel- werk dagegen diskretionäre Elemente, so geht das mit einer geringeren Vorhersehbar- keit einher. Bei manchen Indizes werden die Anpassungen erst einige Tage vor dem Inkrafttreten bekanntgegeben, bei anderen schon Wochen vorher. All das wirkt sich darauf aus, wie Änderungen antizipiert wer- den. Der Studie zufolge wurden Ankündi- gungen von Aufnahmen in den S&P 500 und den Nikkei 225, die beide eine niedrige bis mittlere Vorhersagbarkeit aufweisen, am Markt wie neue Information wahrgenom- men, während Ergänzungen des FTSE 100 und des DAX, die eine hohe Vorhersag- barkeit haben, im Vorfeld erwartet wurden. Entsprechend können sich die Effekte mehrere Tage oder sogar Wochen vor der tatsächlichen Ankündigung einer Aufnahme oder eines Ausschlusses in den Kursen niederschlagen. Oder doch nicht? Christophe Bernard (Winton Capital Ma- nagement) ging in seiner Untersuchung „Hidden Costs in Index Tracking“ auch im Jahr 2014 noch davon aus, dass der Index- effekt existiert. Er argumentiert, dass sich das nicht im Tracking Error zeigt, da die Kosten wie beschrieben implizit im Index enthalten sind, beziehungsweise in den Kur- sen der einzelnen Aktien vor deren Auf- be- ziehungsweise Abstieg. Bernard schätzte den Effekt auf 17 bis 26 Basispunkte im Jahr. Aktive Manager könn- ten für diese Kosten einen deutlich höheren Portfolioumschlag umsetzen und damit potenziell mehr Alpha-Quellen anzapfen, so seine Argumentation. Allerdings betrachtete die Studie nur den Zeitraum von zehn Ta- gen vor bis zehn Tagen nach dem effektiven Anpassungstag. Der Effekt könnte sich auch auf einen längeren Zeitraum erstrecken. Auf weiterhin bestehende implizite Kosten weisen auch Untersuchungen von Research Affiliates hin, die im Jahr 2018 ihre viel beachtete Studie „Buy High and Sell Low with Index Funds!“ veröffent- lichten. Demnach nehmen klassische, nach Marktkapitalisierung gewichtete Indizes routinemäßig Aktien auf, die eine hohe fundamentale Bewertung haben, und ver- kaufen Aktien, die einen starken Bewer- tungsabschlag aufweisen. Basierend auf einem Durchschnitt verschiedener Kenn- zahlen waren die Aufsteiger im Durch- schnitt 74 Prozent höher und die Absteiger 50 Prozent niedriger bewertet als der Markt. Die Autoren Rob Arnott, Vitali Kalesnik und Lillian Wu schreiben weiter, dass sich das Muster im Jahr danach umkehrt. Ent- sprechend lässt sich hier ein Mehrwert schaffen, indem die Anpassungen vorweg- genommen (klassischer Indexeffekt) oder erst mit einer Verzögerung von drei bis zwölf Monaten umgesetzt werden (Lazy- Strategie) (siehe Abbildung „Träge Umset- zung war besser“) . Der Vorteil der Lazy-Strategie von durch- schnittlich 0,25 Prozent im Jahr gegenüber dem eigentlichen S&P 500 resultierte dabei daraus, dass Aufsteiger den Markt um 1,28 Prozent underperformten, aber vor allem Absteiger um 19,16 Prozent erheblich out- performten. Die Erklärung dafür sehen die Forscher in einer Kombination von Mean Reversion und Value-Effekt in den zwölf Monaten nach der Indexanpassung. Laut Vitali Kalesnik, einem der Autoren der Studie, ist das Ausmaß des Indexeffekts vor allem von drei Dingen abhängig: Liquidität: je niedriger die Marktkapita- ▪ lisierung der jeweiligen Aktie, desto stär- ker der Effekt Gewichtung: je höher die Gewichtung ▪ im Index, desto stärker der Effekt Verwaltetes Vermögen: Je mehr Geld ▪ insgesamt in ETFs auf den Index inves- tiert ist, desto stärker der Effekt. Umschichtungshäufigkeit Relevant ist aber auch die Häufigkeit der Indexumschichtungen. Werden die Positio- nen permanent angepasst und gehen dabei jedes Mal ein paar Basispunkte verloren, kann ein ordentlicher Renditenachteil ent- stehen. Das betrifft vor allem Smart-Beta- Strategien, die einen hohen Portfolioum- schlag haben, wie etwa Momentum oder » Der Indexeffekt hat sich seit 2011 deutlich abgeschwächt. « Anthony Renshaw, Director Applied Research, Qontigo 150 N o. 4/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | I NDEXE F F EKT E FOTO: © JEREMY FRECHETTE

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