Institutional Money, Ausgabe 4 | 2021

W enn es nach der Effizienz- markthypothese geht, ist die Sache ganz ein- fach: Die Kurse spie- geln alle verfügbaren Informationen wider, und die Nachfragekurven für Ak- tien sind vollkommen elastisch. Wenn also Anpassungen bei Indizes stattfin- den, sollte sich das der Theorie zufolge nicht auf die Renditen auswirken, da dies keine neuen Informationen beinhal- tet, die für die Bewertungen relevant sind. Allerdings hat die empirische For- schung gezeigt, dass die Sache in der Praxis nicht so einfach ist. Demnach führte die zu- nehmende Verwendung von Indizes als Benchmarks sowie als Grundlage für passi- ve Investments zum Phänomen des „Index- effekts“. Dieser beschreibt die Marktineffi- zienz, die sich darin manifestiert, dass Aktien abnormale Renditen und Handelsvolumina aufweisen, wenn sie in Indizes aufgenommen oder aus ihnen entfernt werden. Eine naheliegende Erklärung da- für besteht darin, dass Indexfonds neu aufgenommene Aktien kaufen (müssen), um die Veränderung im Index nachzubilden. Die damit ver- bundene Zunahme der Nachfrage führt dann im Mittel zu einem (vor- übergehenden) Kursanstieg. Umge- kehrt gilt für Aktien, die aus dem Index ausscheiden, dass deren Ange- bot am Markt steigt und die Kurse (vorübergehend) fallen. Andere Er- klärungen sind, dass die Aufnahme in einen Index die Aufmerksamkeit der Anleger und die Verfügbarkeit von Informationen erhöht. Auch die Liquidität der Aktien nimmt zu, was wiederum die Handelskosten senkt. Das Gleiche gilt umgekehrt für Ak- tien, die aus Indizes entfernt werden. Nun ist der Indexeffekt natürlich bei Weitem nichts Neues an den Märkten. Schon in den 1980er-Jahren haben Hedge- fonds von den Anpassungen profitiert. Denn auch damals gab es indexnahe Fonds und aktive Manager, die sich an den Bench- marks orientierten. Zudem wurden speziell in den USA bis Oktober 1989 die Index- anpassungen für den S&P 500 nicht im Voraus angekündigt, sondern noch am glei- chen Tag umgesetzt. ETF-Einfluss? Inzwischen hat sich das passive Investie- ren zu einer Erfolgsstory entwickelt. Man könnte also intuitiv vermuten, dass der Ef- fekt dadurch noch weiter befeuert wurde und die damit verbundenen in Bezug auf das Handelsvolumen im- mer größeren Anpassungen „leichte Beute“ für Alphajäger darstellen. Allerdings könnte man dem entgeg- nen, dass in dieser Zeit auch die Effizienz der Märkte insgesamt zu- genommen hat. So sind viele andere Anomalien, die damals existierten, bis heute weitgehend verschwunden. Es liegt auf der Hand, dass Index- fonds – abseits möglicher Ausnah- men etwa durch repräsentatives Sam- pling – ihre Portfolios im Zuge von Indexveränderungen anpassen müs- sen, um ihren Tracking Error zu mi- nimieren. Dadurch wird die Nachfra- ge nach den entsprechenden Aktien beeinflusst. Die Frage ist nur, inwie- weit sich das auf die Preise auswirkt. In der Studie „The Index Premium and its Hidden Cost for Index Funds“ zeigte Antti Petajisto den klassischen Effekt im Zeitraum von 1990 bis 2005 (Abbildung „Klassi- Lange war der Indexeffekt ein prominentes Beispiel dafür, wie passives Investieren die Marktpreise verzerren kann. Umso erstaunlicher ist, dass der Effekt heute trotz des Siegeszugs von ETFs nahezu verschwunden zu sein scheint. Klassischer Indexeffekt Überrendite der Aufnahmen und Unterrendite der Streichungen im S&P 500 Die Grafik zeigt die Entwicklung der kumulativen Über- beziehungs- weise Unterrendite von Indexanpassungen im S&P 500 im Zeitraum von 1990 bis 2005. Für den Zeitraum wird dabei angenommen, dass die Ände- rungen am Tag t–5 nach Börsenschluss bekannt gegeben werden und am Tag t=0 nach Börsenschluss in Kraft treten. Da die Differenz zwischen den beiden Tagen länger oder kürzer sein kann, wurde die tatsächliche Zeit in diesen Fällen entsprechend verkürzt oder gestreckt, um eine einheitliche Darstellung zu ermöglichen. Quelle: Petajisto, A. (2010), The Index Premium and Its Hidden Cost for Index Funds, NYU Stern School of Business, S. 42 -15 % -10 % -5 % 0 % 5 % 10 % 15 % Durchschnitt 95 % Konfidenzintervall Kumulative Überrendite in Prozent Aufsteiger Absteiger -10 -5 0 Handelstage vor und nach tatsächlicher Indexanpassung 5 10 Im Rauschen verschwunden » Die impliziten Kosten vor dem Ankündigungstag betragen schätzungsweise zehn Basispunkte. « Vitali Kalesnik, Partner & Director of Research, Research Affiliates Global Advisors (Europe) 148 N o. 4/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | I NDEXE F F EKT E FOTO: © RESEARCH AFFILIATES GLOBAL ADVISORS (EUROPE), GMF

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