Institutional Money, Ausgabe 4 | 2021

chen Bankintervention“) . Anekdotisch inter- essant erscheint, dass das Mittel „Garan- tien“, das vor allem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine überdurchschnittlich oft ergriffene Maßnahme war, im 21. Jahr- hundert eine Renaissance feiert. Bezogen auf die jüngere Vergangenheit meint ein be- sorgt klingender Co-Autor Metrick, „dass das Krisenproblem vom Volumen her gra- vierender wird. Speziell seit dem Ende von Bretton Woods lässt sich ein entsprechender Trend erkennen. Über alle drei gesehenen Kategorien hat sich das Volumen im Ver- gleich zum BIP in nur einem halben Jahr- hundert durchschnittlich vervierfacht.“ Garantien und Injektionen Unterteilt man die Interventionskatego- rien weiter (siehe Tabelle „Garantierte Strategie“) und betrachtet die Anzahl der Einzelmaßnahmen – ohne Relation zum BIP –, so bestätigt sich der Trend hin zu Garantien von Spareinlagen. Unter anderem fällt auch auf, dass die Kategorien „Hilfs- kredite“ und „Regularien“ bis 1945 in jedem individuellen Zeitabschnitt mehr als 50 Prozent der ergriffenen Maßnahmen aus- machen. Dieser Anteil ist inzwischen deut- lich zurückgegangen und liegt in den ver- gangenen 50 Jahren bei nur noch 30 Pro- zent aller Interventionen. „An Bedeutung gewonnen haben hingegen ,direkte Kapital- spritzen‘, die seit 1972 die beliebteste ergrif- fene Einzelmaßnahme darstellen“, so Schmelzing. Panikvermeidung Mit diesen Daten ausgestattet analysieren die Autoren nun, welche Interventionen möglicherweise hilfreich beim Bekämpfen einer Bankenkrise waren (siehe Grafik „Wann Panik ausbricht – und wann nicht“) . Sie nehmen die gut dokumentierten und akademisch mehr oder weniger akzeptierten „Panik“-Daten aus dem erwähnten Krisen- kanon und setzen sie in eine monatlich skalierte Zeitleiste, in der der Zeitpunkt Null der eines jeweiligen Aktiencrashs ist. Zum Vergleich stellen sie eine Zeitleiste für alle Interventionen auf, bei denen jedoch eine Panik ausgeblieben ist. Sollte es im Panik-Chart und im Non-Panik-Chart zu unterschiedlichen Mustern kommen, hätte man einen Hinweis darauf, welche Inter- ventionen beim Vermeiden einer Krise möglicherweise hilfreich waren – vorausge- setzt, es ergibt sich tatsächlich eine Diskre- panz. Und das tut sie: Im Panik-Chart fällt auf, dass die ersten Maßnahmen erst vier Monate nach dem Aktiencrash gesetzt wur- den. Das beliebteste Mittel waren dann Not- kredite an Banken, gefolgt von Garantien an die Sparer und/oder Investoren und schließ- lich Umschichtungen der Assets. Konnte hingegen Panik vermieden wer- den, so fanden in fast einem Drittel der Fäl- le vor oder während des Aktiencrashs Maß- nahmen statt. Die Vorab-Restrukturierung des betroffenen Sektors spielt dabei die größte Rolle. Sonstige Maßnahmen wie etwa verbale Interventionen fanden selten, aber dann mehr oder weniger zeitgleich mit dem Marktkollaps statt. Nach dem Crash, aber noch vor dem Zeitpunkt, zu dem im Durchschnitt die Panik ausbrach, wurden die Assets der betroffenen Banken umge- schichtet. Das bedeutet in 50 Prozent aller Fälle, in denen es zwar zu krisenhaften Er- scheinungen gekommen ist, aber eine Panik vermieden wurden, wurden spätestens zwei Monate vor dem wahrscheinlichsten Panik- moment Maßnahmen ergriffen. Im Non-Pa- nik-Modus kam es auch deutlich seltener und später zur Vergabe von Notkrediten. Kapitalspritzen fanden in beiden Szenarien gleichzeitig statt, im Non-Panik-Ereignis kam es aber rund dreimal so oft zu dieser Art von Intervention. Es scheint auch, dass die Maßnahmen beim Vermeiden einer Pa- nik koordinierter getroffen wurden: Ziehen sich die Interventionen im Panikfall mehr oder weniger gleichmäßig durch den Kri- senzeitraum durch, so erfolgen sie im Non- Panik-Modus gedrängt rund um den Crash und dann wieder fokussiert rund um den siebenten Monat nach dem Crash. Das er- scheint nicht unplausibel. Ein lange Reihe an möglicherweise unpopulären Marktein- griffen verunsichert eine Gesellschaft eher als das punktuelle entschlossene Eingreifen. Somit die Lehre für Krise 903? Timing ist alles. Zumindest fast. Der Rest lautet: Whatever it takes. HANS WEITMAYR Wann Panik ausbricht – und wann nicht Entscheidend: der Zeitpunkt der ergriffenen Maßnahmen Der erste Chart zeichnet nach, wann Maßnahmen ergriffen wurden, nachdem eine Krise ausgebrochen war und zu Bank-Runs etc. geführt hat. Im zweiten Chart blieb die Panik aus. Der Unterschied: Wurden vor und während eines Crashs Maßnahmen ergriffen, konnte eine Panik vermieden werden. Blieb man untätig, kam es zwei Monate später eher zum Ausbruch der Krise, die Maßnahmen ließen mindestens zwei Monate auf sich warten. Quelle: Studie 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % Banken-Run/Panik Bankgarantien Kreditlinien Kapitalspritze Restrukturierung Sonstige (verbal etc.) Asset Management Neue Regulatorien Months pre-/post-equity crash Häufigkeit in % aller beobachteter Interventionen 10 8 6 4 2 0 -2 -4 -6 10 8 6 4 2 0 -2 -4 -6 N o. 4/2021 | www.institutional-money.com 143 T H E O R I E & P R A X I S | BANKKR I S EN

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