Institutional Money, Ausgabe 4 | 2021

S ie stecken Gesellschaften mitun- ter über Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte in den Knochen: Bankkrisen. Grobkörnige Schwarz-Weiß-Fotos von Menschen- massen, die sich vor Bankfilialen zu- sammenrotten, sind mitunter mehr als 100 Jahre alt, haben aber von ihrer Wir- kung auf den Betrachter nichts verloren. Deutlich weniger lang zurück liegt die große Finanzkrise. Auch damals kam es – wenngleich in geringerem Ausmaß – zu Schlangen vor den Schaltern, weil Kunden fürchteten, ihre Gelder könnten plötzlich nicht mehr verfügbar sein. Die Ak- tienmärkte brachen ein, Parallelen zu 1929 und seinen Folgen wurden gezogen. Letzten Endes kam es zwar zu schmerzhaften Ein- schnitten, Pleiten und Folgeerscheinungen wie der Eurozonenkrise, mit der archetypi- schen Quasi-Apokalypse rund um den Schwarzen Freitag wa- ren die Auswirkungen aber bei Weitem nicht zu vergleichen. 902 Bankenkrisen Damit drängt sich natürlich die Frage nach dem Unterschied auf. Wieso war die Bankenkrise von 2008/2009 um so viel weniger verheerend als die von 1929? Eine neue Studie der Yale-Pro- fessoren Andrew Metrick und Paul Schmelzing geht dieser Fra- ge in einer epischen Studie mit dem Titel „Banking-Crisis Inter- ventions, 1257–2019“ nach. Es handelt sich also um einen Beob- achtungszeitraum von 762 Jah- ren. „Wir präsentieren hier ein neues Datenset, das über 138 Länder hinweg 1.886 Bankinter- ventionen und 902 tatsächlich ausgebrochene Krisen umfasst“, erklärt Metrick. Die Daten haben die Auto- ren zum Einen aus der bestehenden Litera- tur, beispielsweise den prominenten Arbei- ten von Reinhart und Rogoff, gezogen. Ne- ben diesen 494 Standardkrisen – die Auto- ren sprechen vom Kanon – haben Metrick und Schmelzing aber auch anhand manuel- ler Auswertungen von Originaldokumenten 408 sogenannte „Kandidatenkrisen“ identi- fiziert. Das ist eine beachtliche Leistung, die sich auch im Umfang des Papers nieder- schlägt: 297 Seiten umfasst die Arbeit, wo- bei die Quellenangaben knapp 250 Seiten ausmachen und sich auf Originaldokumente von Handelskompanien, Banken, Stadtar- chiven etc. beziehen. Das Spannende an der Arbeit: Dadurch, dass die Autoren explizit zwischen Krise und Intervention unterschei- In einer Arbeit epischen Ausmaßes haben zwei Yale-Forscher für einen Zeitraum von 762 Jahren 902 Bankkrisen untersucht. Herausgefunden haben sie nicht nur, welche Arten von Intervention beim Abwenden einer Krise erfolgreich waren, sondern auch, worauf es vor allem ankommt: das richtige Timing. Too Big to Fail? Das Phänomen krisenrelevanter Banken war im 19. Jahrhundert bereits enorm stark ausgeprägt. Während der großen Finanzkrise 2008 kam es zu einer gewaltigen Eruption, was die Anzahl der einzelnen Interventionen betrifft. Die monetären Interventionsvolumina im Vergleich zum BIP waren Ende des 20. Jahrhunderts aber höher. Quelle: Studie » Die Volumina an Bankinterventionen haben sich in nur einem halben Jahrhundert rund vervierfacht. « Andrew Metrick, Yale School of Management; NBER Bereit für Krise 903? 40 % 30 % 20 % 10 % 50 % 160 140 120 100 80 60 40 20 0 2000 1950 1900 1850 1800 1750 1700 1650 0 % n Anzahl der Interventionen n Prozent des BIP 140 N o. 4/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | BANKKR I S EN FOTO: © YALE SCHOOL OF MANAGEMENT, 2015 EVERETT COLLECTION/SHUTTERSTOCK

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=