Institutional Money, Ausgabe 4 | 2021

W enn Investmenthäuser ihre Fondsmanager prä- sentieren, wird nicht sel- ten die kumulierte An- zahl der Jahre an Erfahrung erwähnt, über die ein Team verfügt. Es hört sich gut an, wenn eine Mannschaft als Gruppe 100 Jahre „im Geschäft ist“; Erfahrung ist auch im Fondsmanagement Trumpf. Dabei bleibt allerdings unerwähnt, ob die In- vestmentprofis mehrheitlich „einfache“ Kapitalmarktjahre hinter sich haben oder ob sie sich in schwierigen Markt- phasen behaupten mussten. Diese Frage könnte man beim Verständnis der Fak- toren, die die Unterschiede in der Fondsperformance erklären, durchaus stellen, bisher ist dies aber noch nicht passiert. Da frühere Studien gezeigt haben, dass Managermerkmale wie der Bil- dungshintergrund und das Alter, die Erfah- rungen aus anderen Branchen und sogar miterlebte Schockereignisse mit den Ergeb- nissen zusammenhängen, war es nahelie- gend, den Einfluss der Erfahrungen der ers- ten Berufsjahre auf die späteren Ergebnisse von Vermögensverwaltern zu untersuchen. Die vier Wissenschaftler Jie Chen von der Leed University Business School, Meziane Lasfer, Bayes Business School (vormals Cass), City University of London, Wei Song von der Southampton Business School an der University von Southampton sowie Si Zhou, School of Economics an der Shang- hai University, untersuchten genau das. Sie wollten wissen, ob die erfahrungsbezogenen persönlichen Merkmale von Fonds- managern deren Anlagestrategien und die Fondsperformance beeinflussen können. Die Aussagekraft sollte dabei im Investment Management vergleichsweise hoch sein, weil Fondsmanager – anders als etwa CEOs – einen direkten Einfluss auf die Ergebnisse der von ihnen betreuten Vermögen haben. In der Studie untersuchte das Quartett gezielt das wirtschaftliche Umfeld zu dem Zeitpunkt, an dem Fondsmanager erstmals in den Arbeitsmarkt eintraten. Man wollte herausfinden, ob dieses erfahrungsbezogene Merkmal in weiterer Folge deren Manage- mentstil und ihre Fondsperformance beein- flusste. Als Ersatz für den Zeitpunkt des Arbeitsmarkteintritts verwendete man das Jahr, in dem Manager ihr Grundstudium abgeschlossen hatten, in diesem traten die meisten Fondsmanager der Stichprobe auch ihre erste Stelle an. Als „Rezessions-Fonds- manager“ wurden daher jene definiert, die ihre Karriere in einem Rezessionsjahr – basierend auf der Konjunkturdatenbank des National Bureau of Economic Research – begannen. Die Autoren unterstellten dabei eine Art „Prägung“. Weil Individuen zum Zeitpunkt des Arbeitsmarkteintritts besonders offen für Umweltreize sind, so die Annahme, soll- ten diese ersten Erfahrungen ein kognitives Einfrieren bewirken. Christopher Marquis und András Tilcsik von der Harvard Univer- sity of Toronto wiesen 2013 in „Imprinting: „Toward a Multilevel Theory“ darauf hin, dass der Beginn der beruflichen Laufbahn eines Menschen, der den Übergang von der Bildungs- zur Arbeitswelt darstellt, eine kritische und sensible Phase der Prägung ist. Daher ist es wahrscheinlich, dass der Einzelne in dieser Zeit seine berufliche Ein- stellung so formt, dass sein späteres Verhal- ten durch das seinerzeitige Umfeld geprägt wird. Frühere Studien haben gezeigt, dass bei einer Vielzahl von Bevölkerungsgrup- pen – darunter Juristen, Wissenschaftler, Manager, Wirtschaftswissenschaftler und Investmentbanker – die Erfahrungen in der frühen Karriere einen nachhaltigen Einfluss auf die Überzeugungen, Verhaltensweisen und Orientierungen des Einzelnen haben. Die Studienautoren erwarteten daher, dass Fondsmanager mit einem Berufsstart in Rezessionszeiten in puncto Risikobereit- schaft konservativer sind und bei ihren Investitionsentscheidungen ein höheres Maß an professioneller Skepsis an den Tag legen. Da Rezessionserfahrungen auf einer frühen Karrierestufe einen tiefgreifenden und dau- erhaften Einfluss auf das Bewusstsein des Einzelnen für Veränderungen im makroöko- nomischen Umfeld haben können, könnten solche in schlechten Zeiten startenden Fondsmanager, kurz „Rezessionsmanager“ genannt, empfindlicher auf Veränderungen im Konjunkturzyklus reagieren als ihre Pendants ohne frühe Rezessionserfahrung. Da frühere Studien über Investmentfonds gezeigt haben, dass die Fondsperformance bei übermäßiger Risikobereitschaft sinkt und bei besserer Antizipation von Konjunk- turzyklen durch das Management steigt, stellt das Kapitalmarktforscher-Quartett die Hypothese auf, dass ein positiver Zusam- menhang zwischen Rezessionsmanagern und Fondsperformance besteht. Die Autoren testen die Arbeitshypothese Wenn Fondsmanager ihren Karriereweg in Rezessionsjahren beschreiten, erbringen sie später bessere Leistungen als jene, die ihre ersten Erfahrungen in Schönwetterperioden sammeln. Prägende Lehrjahre » Rezessionsmanager sind gute Markt- timer, sie halten in Rezessionen mehr Cash und defensive Aktien. « Dr. Jie Chen, Professor of Finance, Leed University Business School 120 N o. 4/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | FONDSMANAGER FOTO: © LEED UNIVERSITY BUSINESS SCHOOL, ELNUR | STOCK.ADOBE.COM

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