Institutional Money, Ausgabe 4 | 2021

D ass politische Börsen kurze Beine haben, zählt zu den Weisheiten, die man zu Wahlkampfzeiten in sehr vielen Marktkommentaren lesen kann. Dabei wird im Regelfall unterstellt, dass auch ein politischer Umschwung auf längere Sicht wenig an der grundsätzli- chen Kapitalmarktentwicklung ändern kann. Das mag stimmen, wenn im Par- lament einige Sitze umgefärbt werden – im Iran des Jahres 1979 wäre man mit dem Spruch doch sehr falschgelegen. Nun sind in den meisten Staaten auch im Vorfeld von Wahlen keine Revolutionen zu befürchten, aber allein die Unsicherheit hinsichtlich des kommenden wirtschafts- politischen Klimas – so zeigen Analysen – wirkt sich auf die Entscheidungsfindung von Unternehmen messbar negativ aus. Dass dies auch bei privaten Haushalten der Fall ist, darf man zwar annehmen, sicher ist es aber keinesfalls. Bisher wurde die Frage nämlich noch nicht wissenschaft- lich beleuchtet. Erstmals hat nun ein Autorenquartett versucht, diese Lücke zu schließen. Vikas Agarwal, Hadiye Aslan, Lixin Huang und Honglin Ren haben untersucht, ob und wie politische Unsicherheit die Teilnahme der US- Haushalte am US-Aktienmarkt beein- flusst. Ihre Ergebnisse sind dabei durch- aus auch für Unternehmen interessant, denn eine Veränderung der Partizipa- tionsrate der privaten Haushalte am Aktienmarkt hat auch Auswirkungen auf IPO-Bestrebungen von Firmen oder deren Möglichkeit, Kapitalerhöhungen im breiten Publikum zu platzieren. Die Reaktion der Haushalte auf poli- tische Unsicherheit ist eine andere als jene von Unternehmen. Im Gegensatz zu Unternehmensinvestitionen, die kost- spielig und unumkehrbar sind, sind Aktieninvestitionen der Haushalte leich- ter reversibel. Die Autoren entwickelten ein theoretisches Modell, um zu veran- schaulichen, dass politische Unsicherheit die Beteiligung der Haushalte an den Aktien- märkten über zwei verschiedene Schienen beeinflusst, die sich vom Bereich der Un- ternehmensinvestitionen unterscheiden. Ers- tens führt ein Anstieg der politischen Unsi- cherheit zu einem höheren Vermögensrisi- ko, wie Pástor und Veronesi 2013 in „Poli- tical Uncertainty and Risk Premia“ feststell- ten, und damit zu einer spekulativen Nach- frage nach risikoarmen Assets, die Haushal- te dazu veranlasst, ihre Aktieninvestitionen zu reduzieren. Zweitens erhöht ein Anstieg der politischen Unsicherheit das Risiko des Arbeitseinkommens, wie Baker, Bloom und Davis 2016 in „Measuring Economic Policy Uncertainty“ nachwiesen, was wiederum Aktienverkäufe bei den Haushalten auslöst. Beide Umstände verringern die Bereitschaft der Haushalte, sich in Zeiten erhöhter poli- Bis jetzt war nur wenig darüber bekannt, inwieweit politische Unsicherheit den privaten Aktienbesitz beeinflusst. Eine aktuelle Studie des Kölner Centre for Financial Research liefert dazu neue Erkenntnisse. » Mehr politische Unsicherheit macht Arbeitseinkommen riskanter, sodass Haushalte Aktienrisiken reduzieren. « Dr. Vikas Agarwal, College of Business, Georgia State University, Atlanta Anlageberater Angst SSIP-Daten Statistiken zu den Haushaltsvariablen Personen der Standard- Stichproben Durchschnitt Median abweichung Teilhabe (Aktien inklusive Investmentfonds) 359.260 0,223 0,000 0,416 Teilhabe (mit IRA/401K/Keogh; Pensionskonten) 359.260 0,387 0,000 0,450 Aktienanteil in Prozent des liquiden Vermögens 359.260 0,104 0,000 0,271 Frauen als Haushaltsvorstände 359.260 0,510 1,000 0,499 Verheiratet 359.260 0,531 1,000 0,489 Alter des Haushaltsvorstands in Jahren 359.260 46,92 45,00 17,23 Ausbildung High School oder weniger 359.260 0,394 0,000 0,493 College ohne Abschluss 359.260 0,312 0,000 0,468 Collegeabschluss oder mehr 359.260 0,283 0,000 0,456 Berufstätigkeit 359.260 0,041 0,000 0,198 Rasse (weiß) 359.260 0,822 1,000 0,382 Haushaltsgesamtvermögen 359.260 139.079 66.197 694.331 Liquides Haushaltsvermögen 359.260 32.173 1.500 824.300 Die „Survey of Income and Program Participation“ (SIPP) gilt als verlässliche Datenquelle zu Haushaltsmerkmalen und Haushaltsvermögen. Die meisten Variablen sind binär, nehmen also den Wert von eins an, wenn etwa Teilhabe am Aktien- markt besteht, und null, wenn keine vorhanden ist. Die Medianwerte sind in solchen Fällen dann entweder null oder eins. Quelle: Studie 112 N o. 4/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | AKT I EN-GOUVERNEURE FOTO: © GEORGIA STATE UNIVERSITY, ZIMMYTWS | STOCK.ADOBE.COM

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