Institutional Money, Ausgabe 3 | 2021

Quality nur zirka ein Drittel zur ESG-Ren- dite bei. Sektor-Biases Neben dem Faktor-Exposure können Portfolios, die ESG-Leader favorisieren, auch implizit bestimmte Brancheneffekte beinhalten, die einen kritischen Blick wert sind. Und tatsächlich zeigen die untersuch- ten Long/Short-ESG-Strategien deutliche Abweichungen in den Branchengewichten mit Ausnahme der ESG-Momentum-Stra- tegie. Spart man das Momentum aus, er- reichte der gesamte Sektor-Bias – als Sum- me der Absolutwerte der Sektorgewichtsdif- ferenzen – je nach Strategie Werte zwischen 22 und 46 Prozent. Sektorneutralität sieht jedenfalls anders aus. In den USA zeigen die ESG-Strategien eine deutliche Über- gewichtung des Technologiesektors. In der aggregierten ESG-Rating-Strategie sind dies 12,75 Prozent. Um diese verzerrenden Effekte zu vermeiden, hat Scientific Beta Sektorbeschränkungen für die Long- und die Short-Seite eingeführt und ein monatli- ches Sektor-Rebalancing in den Strategien eingeführt. Die Gleichgewichtung der einzelnen Aktien erfolgt dann innerhalb ihres Sektor- gewichts. Damit wird schließlich Sektor- neutralität erreicht. Doch wie performen nun die sektorneutralen ESG-Strategien? Zuallererst schwächt die Sektorneutralität die Performance der ESG-Strategien, insbe- sondere die Renditen der US-Strategien schrumpfen dramatisch. Beispielsweise liegt ohne Sektorneutralität die Rendite der ag- gregierten US-ESG-Ratings-Strategie bei annualisierten 1,29 Prozent, nach Beseiti- gung der Sektor-Biases aber bei minus 0,58 Prozent jährlich. Die Rendite der US- Strategie auf Basis der Umweltratings mit impliziten Sektor-Biases beträgt jährlich 2,89 Prozent, nach Einführung der Sektor- neutralität aber nur mehr 0,48 Prozent pro Jahr. Betrachtet man statt simpler Renditen wieder das CAPM-Alpha oder führt man die Sieben-Faktor-Analyse durch, zeigt keine der sektorneutralen ESG-Strategien ein signifikantes Alpha. Was als Outperfor- mance die ESG-Anhänger erfreute, war im Wesentlichen also nichts anderes als das Resultat eines Branchen-Bias zu bestimm- ten Sektoren wie etwa der Technologie und bestimmter Stilfaktoren wie Quality, die sich bezahlt machten. Weitere Enttäuschungen Die nächste traurige Nachricht besagt, dass ESG-Strategien keinen Schutz vor dem Verlustrisiko darstellen. Daher gilt: Wenn man das Downside-Risiko berücksichtigt, ändert sich die Schlussfolgerung, dass es kein positives Alpha aus ESG-Strategien gibt, nicht. Und schließlich legen die Ergeb- nisse der Scientific-Beta-Studie nahe, dass die erhöhte Aufmerksamkeit für nachhalti- ges Investieren in Form geradezu exponen- tiell steigender Zuflüsse die Renditen wäh- rend eines Teils des Analysezeitraums auf- gebläht hat. Für Investoren ist es entscheidend, lang- fristige Renditen von den Effekten zu tren- nen, die aus der erhöhten Aufmerksamkeit des ESG-Themas resultieren. Denn falls das zunehmende Aufmerksamkeitslevel sich zum Renditetreiber für ESG-Erträge in den letzten Jahren entwickelt hat, muss man als Investor zwei Anpassungen bei den aktuell zu beobachtenden Renditen vornehmen, um realistische Renditeerwartungen an ESG- Anlagen formulieren zu können. Einmal sind die Renditen von ESG-Strategien in Zeiten größerer Aufmerksamkeit überhöht. Denn das stetig steigende Interesse erhöht die Nachfrage nach den einschlägigen Aktien und damit deren Preis. Investoren müssen daher den daraus resultierenden Rückenwind in Abzug bringen. Die dadurch erhaltenen Renditen sehen dann naturgemäß weniger attraktiv aus. Dazu kommt noch als weiterer Punkt, dass die erwartbaren Lang- fristrenditen sogar niedriger ausfallen wer- den als jene Renditen, die vor der erhöhten Aufmerksamkeit zu registrieren waren. Das kommt daher, weil die gestiegenen Aktien- kurse nichts anderes als künftig niedrigere Renditen bedeuten. Dieser Performance Drag als Konsequenz aufgeblähter Kurse hat unterdurchschnittliche Renditen in den kommenden Jahren zur Folge. Scientific Beta bildet das ab, indem man die Auswir- kungen dieser Aufmerksamkeitsverände- rung auf die ESG-Performance für zwei verschiedene Zustände (hohe beziehungs- weise niedrige Aufmerksamkeit betreffend ESG) modelliert. Dafür werden stellvertre- tend die ESG-Fonds-Flüsse herangezogen, Schrumpfende ESG-Alphas bei Anpassung an die Aufmerksamkeit Vom CAPM zum Sieben-Faktor-Modell schwinden die Alphas und werden sogar negativ. Gravierende Unterschiede zeigen sich bei den ESG-Alphas, wenn man vom CAPM zum Sieben-Faktor-Modell übergeht und Aktien-Stilfaktoren berücksichtigt. Das nach dem CAPM bei den US-ESG-Strategien stolze Alpha schwindet und wird sogar negativ, wenn man insbesondere die Zustände mit niedriger ESG-Aufmerksamkeit – und niedrigen Fondszuflüssen – untersucht. Ähnliches gilt für die Welt ex USA. Quelle: Studie -5 % -4 % -3 % -2 % -1 % 0 % 1 % 2 % 3 % 4 % 5 % -5 % -4 % -3 % -2 % -1 % 0 % 1 % 2 % 3 % 4 % 5 % ESG E S G ESG Momentum Kombination ESG E S G ESG Momentum Kombination CAPM mit hoher ESG-Aufmerksamkeit CAPM mit niedriger ESG-Aufmerksamkeit 7-Faktor-Modell mit niedriger ESG-Aufmerksamkeit 7-Faktor-Modell mit niedriger ESG-Aufmerksamkeit inkl. Parameter-Unsicherheit Annualisierte Alphas in Abhängigkeit von ESG-Fonds-Flüssen Annualisierte Alphas (US-Universum) Annualisierte Alphas (Developed-World-ex-US-Universum) 100 N o. 3/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | E SG – K E I N A L PHA

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