Institutional Money, Ausgabe 3 | 2021

den Kurs von Aktien. Im Gegensatz dazu verfügen die Manager offener Investment- fonds über signifikante diskretionäre Spiel- räume bei ihrer Antwort auf Zu- und Abflüsse. Dabei können sie ihre Liquiditäts- managementerfordernisse und ihre Mög- lichkeiten betreffend Investmentopportuni- täten aufeinander abstimmen. Daher müssen sich hier nicht notwendigerweise alle Flows in Handelsaktivitäten betreffend die im Fondsbestand befindlichen Aktien niederschlagen. Prinzipiell sind ETFs mehr mit passiven Open-End- Fonds, die in aller Regel Indexfonds sind, vergleichbar. Trotzdem gibt es einige Unterschiede. Obwohl passive Fonds in ihrem Handelsverhalten weni- ger diskretionär agieren als ihre aktiven Gegenspieler, verfügen deren Manager doch über Spielräume beim Rebalancing ihrer Portfolios als Antwort auf Änderungen beim Benchmark-Index. Indexfonds haben diese Anreize, um den Ermessensspielraum dafür zu verwenden, die Verluste aus dem Front Running anderer Marktteilnehmer abzuschwächen. Im Gegensatz dazu be- stehen solche Anreize nicht für die APs, die nicht nur für einen bestimmten ETF arbeiten. Liquiditätsrückgang Um den Arbitrage-Mechanismus zu iden- tifizieren, der das Verhältnis zwischen ETF- Besitzgrad an Aktien und dem Grad an Gemeinsamkeit bei der Aktienliquidität bestimmt, verwenden die Autoren die Events des 24. August 2015, als der Handel in bestimmten ETFs, aber nicht in den zugrunde liegenden Aktien für eine be- stimmte Zeit ausgesetzt wurde. Angewandt wurde ein Differenz-von-Differenzen-An- satz. Mit dessen Hilfe konnten die Autoren zeigen, dass es zu einem größeren Rück- gang der Liquidität bei jenen Aktien kam, die stark in den betroffenen ETFs vertreten waren – und zwar relativ zu jenen Aktien, die nur schwach in diesen ETFs gewichtet waren. Diese Resultate sind robust, wenn man jene Aktien ausschließt, für die Re- striktionen beim Shorten und Handelsstopps an jenem Tag verfügt wurden. Zwei Fal- sifikationstests zeigten zudem, dass die Ergebnisse nicht zufällig sind. Erstens wurde ein Pseudo-Event-Tag, nämlich der 17. August 2015, also der dem Event-Tag vorausgehende Montag, verwendet, um zu zeigen, dass hypothetische Handelsausset- zungen, die dieselben ETFs zur gleichen Uhrzeit wie jene am 24. August 2014 be- treffen, mit keiner signifikanten Verringe- rung des Grads an Gemeinsamkeit bei der Aktienliquidität einhergehen. Der zweite Test sah folgendermaßen aus: Um alle Be- denken betreffend den Pseudo-Event-Tag zu zerstreuen, dass dieser nicht die Situation am Event-Tag widerspiegeln würde, wurde eine Simulationsanalyse unternommen. In dieser wurden die ETFs, die von der Han- delsaussetzung betroffen waren, mit dem Zufallsgenerator ausgewählt, und auch die Dauer der Handelsunterbrechung dieser so selektierten ETFs wurde zufällig ausge- wählt. Und auch hier zeigte sich ähnlich dem ersten Falsifikationstest, dass es keine signifikanten Rückgänge des Grades der Gemeinsamkeit bei der Aktienliquidität der in nämlichen ETFs enthaltenen Aktien gibt, wenn man die randomisierten Handelsunter- brechungen einsetzt. All dies unterstreicht trotz der Tatsache, dass bei Verwendung eines extremen Events auch Störfaktoren im Spiel sein könnten, die Vermutung, dass die Arbitrage die treibende Kraft bezüglich des Verhältnisses zwischen ETF-Besitzanteil an bestimmten Aktien und der Kommunalität von deren Liquidität darstellt. Wie bereits erwähnt, ist eine wichtige Innovation der ETFs, dass diese es Arbitra- geuren und Investoren ermöglichen, sich im Intraday Trading engagieren zu können. Diese Eigenschaft von ETFs machen sich die Autoren zunutze, indem sie die Trading- Stopps von ETFs während des 24. August 2015 für ihre Analyse benutzen. Jedoch ver- zichtet das Autorenquartett in der restlichen Analyse auf Intraday-Daten – aus verschie- denen Gründen: Denn um die Intraday- Abweichungen zwischen dem Preis eines ETFs und deren zugrunde liegenden Aktien einzufangen, müsste man über die indikati- ven Intraday-Werte (IIVs, Intraday Indica- tive Values) verfügen, die die ETFs im Markt verbreiten, die sich aber in keiner kommerziellen Datenbank wie etwa TAQ (Trade and Quote Database der NYSE) fin- den. Dazu kommt noch, dass es einen rech- nergestützten Trade-off zwischen der Ana- lyse hoch granularer Daten über kürzere Zeiträume und der Analyse relativ grober Daten über längere Zeiträume gibt. Solch ein Trade-off favorisiert im Besonderen die Intraday-Analyse des außergewöhnlichen Events vom 24. August 2015. Ein weiterer Grund für den Verzicht von Intraday-Daten liegt darin, dass eine Analyse auf Tages- datenbasis es den Autoren ermöglicht, die Ergebnisse mit jenen von aktiv gemanagten offenen Investmentfonds zu vergleichen. Nebeneffekte von ETFs Die vorliegende Studie trägt zu der seit Längerem nicht abebbenden Diskussion zum Thema der Nebeneffekte von ETFs bei, deren Siegeszug noch lange nicht zu Ende zu gehen scheint. Doch wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Neben der Tatsa- che, dass ETFs den Aktienmarkt volatiler machen, ist es hier der Quasi-Gleichlauf in der Liquidität der zu hohen Prozentsätzen von ETFs gehaltenen Aktien. Diversifika- tionsbestrebungen der Investoren in Bezug auf die Liquidität von Aktien leiden unter der starken Verbreitung von ETFs. Die stei- gende Kommunalität von Aktien in Fragen der Liquidität ist jedenfalls ein Umstand, dem risikoaverse Investoren mehr Augen- merk bei ihrer Asset Allocation einräumen sollten, als sie dies bisher getan haben. Denn letztlich tragen die institutionellen Investoren, selbst wenn sie keine ETFs besitzen sollten, ein größeres Risiko als ver- mutet, Aktien nicht verkaufen zu können, da sich das Liquiditätsrisiko schlechter als vermutet diversifizieren lässt und Aktien gleichmäßiger von Liquiditätsschocks – etwa in Krisen – betroffen sind. DR. KURT BECKER » Wer viele ETFs im Portfolio hält, kann sein Liquiditätsrisiko schlechter diversifizieren. « Christof W. Stahel, Senior Economist beim Investment Company Institute in Washington, D.C. 86 N o. 3/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | E T F - L I QU I D I T Ä T FOTO: © INVESTMENT COMPANY INSTITUTE

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