Institutional Money, Ausgabe 3 | 2021

Aufgabe wird künftig Lawrence Burns übernehmen, der im Übrigen auch schon seit 12 Jahren für Baillie Gifford arbeitet. Sie haben einmal gesagt: „Wir sind absolut nicht an Aktienkursen interessiert.“ Ist diese Haltung nicht ziemlich seltsam für eine Investmentgesellschaft? Stuart Dunbar: Das mag im ersten Moment so klingen, aber doch nur weil viele Marktteil- nehmer immer noch denken, es sei die Auf- gabe eines Fondsmanagers, sich permanent Gedanken über Aktienkurse, Wirtschafts- daten und Branchenentwicklungen zu ma- chen, um zu versuchen, danach ein bisschen schlauer zu sein als andere Investoren, beziehungsweise zu antizipieren, wie diese anderen Marktteilnehmer sich verhalten werden. Im Grunde aber ist das nichts anderes als simples Trading. Wie gehen Sie denn vor? Stuart Dunbar: Wir versuchen erst gar nicht zu antizipieren, was andere Investoren tun werden, ganz einfach, weil wir es nicht wissen können. Was wir aber wissen, ist Folgendes: Auf Sicht von fünf Jahren und länger haben die Unternehmen mit dem größten Wachstum eine 80-prozentige Wahr- scheinlichkeit, den Markt zu übertreffen. Auf der anderen Seite dieser Skala haben Unternehmen, die zu den 20 Prozent mit dem geringsten Wachstum gehören, eine 80-prozentige Wahrscheinlichkeit, sich schlechter als der Markt zu entwickeln. Und diese Relation ist konstant über fünf Jahre, eventuell sogar noch länger. Wenn wir es also schaffen, mit unserem Fünf-Jahre-plus- Horizont jene Unternehmen mit dem schnellsten Gewinnwachstum zu identifizie- ren, dann haben wir gute Chancen, in den aussichtsreichsten Aktien investiert zu sein. Woher stammen diese Erkenntnisse? Stuart Dunbar: Für uns war die Beobachtung wegweisend, dass der weit überwiegende Teil der Aktienmarktrenditen von einer nur winzigen Zahl von Unternehmen stammt. Daher interessieren wir uns schon lange nicht mehr für Brokerberichte oder Sell- Side Research. Stattdessen arbeiten wir mit Universitäten und Akademikern zusammen. Eine der Studien, die wir in Auftrag gege- ben haben, wurde von Hendrik Bessembin- der, Professor an der Arizona State Univer- sity, erstellt. Er hat für uns 2018 eine Lang- zeitanalyse über die globalen Aktienmärkte durchgeführt – und herausgefunden, dass in einem Zeitraum von 18 Jahren die Gesamt- wertschöpfung an den globalen Aktien- märkten von gerade einmal 1,3 Prozent der börsennotierten Unternehmen erzielt wurde. Damit sind wir wieder beim Thema Asym- metrie. Denn die Unternehmen, die zu diesen 1,3 Prozent gehören, warfen das Zehnfache, teilweise sogar das 30- oder sogar das 50- Fache dessen ab, was man ursprünglich in sie investiert hat. Wenn Sie also in der Lage wären, diese Firmen zu finden, würden Ihre Investmentergebnisse grandios ausfallen. Auch wir finden natürlich nicht alle. Aber nur, wenn wir Unsicherheit zulassen und akzeptieren, haben wir überhaupt die Chan- ce dazu. Sie bezeichnen Ihren Investmentstil nicht als aktiv, Sie benutzen den englischen Begriff „Actual Investing“, was im Deutschen so viel wie echtes oder tatsächliches Investie- ren bedeutet. Was steckt dahinter? Stuart Dunbar: Es ist eher ein Wortspiel, mit dem wir unser eigenes Verständnis von In- vestment ausdrücken und gleichzeitig an den grundlegenden Zweck des Investierens und der Investmentindustrie erinnern. Unse- re Branche hat sich in den vergangenen 30 oder 40 Jahren in vielerlei Hinsicht zu ih- rem Nachteil entwickelt. Viele Fondsmana- ger bezeichnen sich als aktiv. Aber ist das Kaufen und Verkaufen von Aktien oder der Versuch, sich von einem Index zu unter- scheiden und einen gewissen Tracking Error vorzuweisen, wirklich aktives Investment? » Wir kennen ein neu an die Börse kommendes Un- ternehmen oft schon drei oder vier Jahre vor seinem IPO und haben damit einen Informationsvorsprung. « Stuart Dunbar, Baillie Gifford N o. 3/2021 | www.institutional-money.com 67 T H E O R I E & P R A X I S | S TUAR T DUNBAR | BA I L L I E G I F FORD

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