Institutional Money, Ausgabe 3 | 2021

Das führt bei einigen Investments dazu, dass wir deren Zukunftspotenzial angesichts der jetzt erreichten Bewertung im Grunde neu einschätzen müssen. Inzwischen fragen sich ohnehin viele Markt- teilnehmer, ob die enormen Kurszuwächse, die Unternehmen wie Tesla oder Amazon in der jüngeren Zeit erfahren haben, ange- sichts der inzwischen erreichten Bewertung weiter Bestand haben können. Stuart Dunbar: Und meine Antwort darauf kann nur lauten: Das hängt sehr stark vom jeweiligen Unternehmen ab ( lacht ). Grund- sätzlich hat sich unserer Auffassung nach das Investmentumfeld insgesamt sehr stark verändert. Wir leben inzwischen in einer Welt, in der Unternehmen sehr schnell und mit relativ geringem Kapitalbedarf zu enor- mer Größe heranwachsen können. Das von Ihnen genannte Amazon ist da fast eher schon eine Art Gegenbeispiel. Wie meinen Sie das? Sie halten doch nicht ohne Grund in Ihren Fonds an Amazon fest. Stuart Dunbar: Das Unternehmen ist überall auf der Welt extrem schnell gewachsen. Aber es wird zum Teil seine Infrastruktur erst einmal auf- und ausbauen müssen. So etwas dauert nun mal eine Weile. Deswegen liegt das nach wie vor hohe Wachstums- potenzial von Amazon nicht wirklich im Logistik- und Liefergeschäft. Aber das Unternehmen kann durchaus noch in seinen anderen Geschäftsbereichen wachsen. Sprechen Sie von Amazon Web Services? Stuart Dunbar: Ganz genau! Das Cloudge- schäft ist im Grunde derzeit der sehr viel spannendere Teil in einem Unternehmen wie Amazon. Dieser Bereich hat noch enormes Potenzial, nicht nur aufgrund seiner Skalierbarkeit. Er ist auch sehr viel weniger kapitalintensiv als die Logistik- und Liefersparte und lässt sich deshalb extrem schnell auf der gesamten Welt aus- rollen. Aus diesem Grund unterliegen viele Markt- eilnehmer gerade im Fall von Amazon dem typischen Investmentfehler, wonach ein be- sonders starkes Wachstum in der Vergan- genheit bedeutet, dass eine hohe Bewer- tung, wie sie Amazon erreicht hat, gewis- sermaßen automatisch irgendwie zurück- kommen muss, weil das Unternehmen zu wachsen aufhört. Bei Facebook haben Sie die Position in Ihren Fonds aber schon deutlich verringert. Stuart Dunbar: Aber nicht weil wir grundsätz- lich an Facebook zweifeln würden. Wir sind immer noch der Ansicht, dass kein Unter- nehmen in der Lage sein wird, Facebook zu verdrängen. Es wird auch künftig die rele- vante Social-Media-Plattform sein. Aber wir gehen davon aus, dass das Unternehmen in absehbarer Zukunft nicht mehr so schnell wird wachsen können, wie das noch zum Zeitpunkt unseres Einstiegs war, vor allem aufgrund von regulatorischen Herausfor- derungen, vor denen es steht. Gibt es überhaupt klar definierte Trigger- punkte, an denen Sie eine Aktie verkaufen? Stuart Dunbar: Grundsätzlich wollen wir Gewinne so lang wie möglich laufen lassen. Wir halten nichts von vermeintlichen Bör- senweisheiten wie „Von Gewinnmitnahmen ist noch keiner arm geworden“. Schließlich ist Investieren eine asymmetrische Angele- genheit: Sie können 1.000 Prozent gewin- nen, aber nur 100 Prozent verlieren. Aber natürlich gibt es eine Art Wettbewerb um » Durch das Aufkommen der Coronakrise sind unsere längerfristigen Erwartungen in Bezug auf Veränderungen in der Welt sehr viel schneller eingetreten als erwartet. « Stuart Dunbar, Baillie Gifford N o. 3/2021 | www.institutional-money.com 65 T H E O R I E & P R A X I S | S TUAR T DUNBAR | BA I L L I E G I F FORD

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=