Institutional Money, Ausgabe 3 | 2021

W enn ein Psychologe, der ein Zentrum für Risiko- forschung leitet, vor den Verheißungen der Ver- haltensökonomik warnt, muss einen das hellhörig werden lassen. Gerd Gigerenzer, Leiter des Harding-Zentrums für Risiko- kompetenz an der Universität Potsdam, hat allerdings gute Gründe dafür. Denn er be- schäftigt sich seit Jahren mit den Themen Unsicherheit und Entscheidungsfindung. Im Gegensatz zu anderen Wissenschaftlern ver- lässt Gigerenzer gern einmal den Elfenbein- turm der Forschung, um seine Theorien an- hand von selbst durchgeführten Experimen- ten auf ihre Praxistauglichkeit zu überprüfen. Wir haben seine jüngste Veröffentlichung zum Anlass für ein Gespräch genommen. Herr Professor Gigerenzer, Sie haben vor kurzem Ihr neues Buch mit dem mehr oder weniger vielsagenden Titel „Klick“ veröf- fentlicht. Erklären Sie uns doch in kurzen Worten, worum es im Wesentlichen geht. Gerd Gigerenzer: Zum einen beschäftige ich mich darin mit der Frage, wie wir in einer zunehmend digitaler werdenden Welt die Kontrolle behalten können. Es geht aber auch darum, wie der Mensch eigentlich Entscheidungen trifft. Unter anderem wid- me ich mich dem Problem, unter welchen Voraussetzungen es für ihn sinnvoll ist, sol- che Entscheidungen einer Maschine, besser gesagt, dem Algorithmus einer Software zu überlassen, und in welchen Situationen er das eher nicht tun sollte, um sich stattdessen besser auf seine eigene Intuition zu ver- lassen. Es geht darum zu verstehen und zu wissen, was durch den Einsatz eines Com- puters wirklich gut, nein, besser funktio- niert. Deshalb gehe ich in weiten Teilen des Buchs der durchaus berechtigten Frage nach, was Algorithmen eigentlich tatsäch- lich zu leisten imstande sind und wo ihre Leistungsfähigkeit sozusagen überschätzt wird, weil sie eben nicht vermögen, eine der menschlichen Entscheidung überlegene Lösung zu bieten. Gerd Gigerenzer , Direktor des Harding-Zentrums für Risikokompetenz in Potsdam, gilt als einer der prominentesten Kritiker von Nobelpreisträger Daniel Kahneman. Im Interview rät er ab von einem allzu großen Vertrauen in die Ergebnisse komplexer Algorithmen. » INTUITION IST EIN 52 N o. 3/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | PROF. GE RD G I GE R ENZ E R | HARD I NG - Z ENT RUM FÜR R I S I KOKOMP E T ENZ FOTO: © TIM FLAVOR

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