Institutional Money, Ausgabe 3 | 2021

Ertrag, den wir als „Rauschen“ bezeichnen können. Es zeigte sich nun in der erwähnten Analyse, dass der unerwartete Anteil so vo- latil war, dass es nahezu unmöglich war, ei- ne irgendwie geartete sinnvolle Aussage über den ex ante zu erwartenden Ertrag zu treffen. Stellt sich da nicht die Frage, ob man das Problem des übermächtigen Einflusses die- ses immensen Marktrauschens überhaupt durch die Wahl eines noch längeren Unter- suchungszeitraums in den Griff bekommen könnte. Denn dann steigt ja die Wahrschein- lichkeit eines zwischenzeitlichen Struktur- bruchs. Kenneth French: Es ist natürlich durchaus plausibel, dass es zwischenzeitlich zu struk- turellen Brüchen am Markt gekommen sein wird. Aber die wesentliche Aussage ist, dass selbst über einen Zeitraum von 28 Jahren keine sinnvolle Aussage darüber möglich ist, ob die erwartete Prämie des Value-Fak- tors seit unserer ursprünglichen Studie ge- sunken ist oder ob sie überhaupt größer als Null ist . Welchen Schluss sollte ein Anleger daraus Ihrer Ansicht nach ziehen? Kenneth French: Demut! Anleger sollten sich ins Gedächtnis rufen, dass es viele Jahr- zehnte benötigen kann, um sinnvolle Er- kenntnisse aus Aktienrenditen zu ziehen. Eine abschließende Frage: Ergibt es irgend- einen Sinn, dass die Anzahl der Faktoren immer weiter gestiegen ist? Manche Mana- ger betrachten hunderte verschiedener Fak- toren. Kenneth French: Das hängt von der Anwen- dung ab. Es wäre genauso, wenn Sie mich gefragt hätten, ob es sinnvoll ist, mehr als einen Hammer zu benutzen. Für mich oh- nehin nicht, weil ich in der Hälfte aller Fälle mit jedem Hammer den Nagel verfehlen würde. Aber für einen Schuhmacher oder einen Schreiner sieht es wahrscheinlich ganz anders aus: Für diese beiden wird es sicherlich durchaus sinnvoll sein, mehrere unterschiedliche Hämmer zu benutzen. Es mag an einer mangelnden Vorstellungskraft liegen, aber ich kann mir nur schwer vor- stellen, dass der Einsatz von mehreren hun- dert Faktoren zu einem nachhaltig besseren Investmentergebnis führen wird. Denn da steht man schnell vor einem Problem, das Ökonometriker als Multikollinearität be- zeichnen: Der Unterschied zwischen zwei der in einem solchen Modell verwendeten Faktoren würde so winzig sein, dass man daraus kaum ein vernünftiges Ergebnis wür- de ableiten können. Aber ich will nicht aus- schließen, dass mich irgendwann jemand vom Gegenteil überzeugen kann. Wir danken für das Gespräch. HANS HEUSER Faktoren-Entdecker Kenneth French lehrt als Professor für Finanzwissenschaft an der Tuck School of Business des Dartmouth College. Er gilt als Experte für das Verhalten von Wertpapier- kursen und Anlagestrategien. Er und sein Mitautor Eugene F. Fama sind weithin bekannt geworden für ihre Forschungen zum Value-Effekt sowie zu Multi- faktormodellen zur Preisbildung von Vermögenswerten. Ihre Aufsätze „The Cross-Section of Expected Stock Returns“ und „Common Risk Factors in the Returns on Stocks and Bonds“ waren grundlegend für die Entwicklung des noch heute von den meisten Marktteilnehmern ver- wendeten Drei-Faktor-Modells. Frenchs jüngste Arbeiten konzentrieren sich auf die Analyse der Preisbildung von Vermögenswerten und den Kompromiss zwischen Faktoranwendung und erwarteten Renditen an den Finanzmärkten. French ist Research Associate am National Bureau of Econo- mic Research, beratender Herausgeber des „Journal of Financial Economics“, ehemaliger Mitheraus- geber des „Journal of Finance“ und der „Review of Financial Studies“ sowie ehemaliger Präsident der American Finance Association. Bevor er nach Dartmouth kam, war French Mit- glied der Fakultät der Sloan School of Management des MIT, der Yale School of Management und der Booth School of Busi- ness der University of Chicago. » Anleger sollten sich ins Gedächtnis rufen, dass es viele Jahrzehnte benöti- gen kann, um sinnvolle Erkenntnisse aus Aktien- renditen zu ziehen. « Kenneth French, Dartmouth College 46 N o. 3/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | PROF. K ENNE TH F R ENCH | DAR TMOUTH COL L EGE FOTO: © KATHY TARANTOLA

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