Institutional Money, Ausgabe 3 | 2021

BR I E F DER HERAUSGEBER 4 N o. 3/2021 | www.institutional-money.com D ie Diskussion „Active vs. passive“ ist nicht gerade neu, wird aber nach wie vor durchaus emotional geführt. Beide Lager berufen sich dabei immer wie- der auf wissenschaftliche Erkenntnisse, wobei in der Tendenz die Passivseite hier häufiger Bestätigung findet. Im Mai dieses Jahres meldete sich ein Akademiker zu Wort, dessen jüngere Arbeiten interessanterweise von beiden Lagern als Beleg für die Sinnhaftigkeit ihrer Ansätze verwendet wurden. In einem Gastbei- trag in der „Financial Times“ (FT) rückte der US-Finanz- marktforscher Hendrik Bes- sembinder das Bild zurecht. Der Amerikaner beschäftigte sich in den letzten Jahren ver- stärkt mit der Performance von Aktien und Investment- fonds, wobei er sich dabei auf sehr lange Anlagehorizonte konzentrierte. 2017 publizier- te er eine Arbeit, in der er die Frage stellte, ob man mit US- Aktien langfristig mehr ver- dient als mit US-T-Bills, 2020 stellte er dieselbe Frage im Zusammenhang mit internationalen Aktien (Institutional Money hat darüber berichtet, siehe Ausgabe 3/2020, „Erstaunlich schief“). Im Kern stellte Bessembinder fest, dass Aktien über lange Beob- achtungszeiträume hinweg zwar beträchtliche Vermögenszuwächse ermöglicht haben, der Großteil dieser Zuwächse aber von einer vergleichsweise geringen Anzahl von Aktien stammt. Die Asym- metrie in den Ertragsbeiträgen ist dabei spektakulär. Je nach Re- gion stammen die Hälfte bis zwei Drittel der Gewinne von einem Prozent der Unternehmen. So trugen zwischen 1990 und 2020 die erfolgreichsten 20 internationalen Unternehmen der Welt fast 22 Prozent zur globalen Nettovermögensbildung durch Aktien bei. Rund die Hälfte davon entfiel auf die Papiere von nur vier Unter- nehmen: Apple, Microsoft, Amazon und Alphabet. Laut Bessembinder gleicht das Bild am „normalen“ Aktienmarkt eher jenem, das man aus dem Venture-Capital-Bereich kennt: Die meisten Aktieninvestments verlieren Geld, und dabei ist der Anteil der Totalverluste hoch, gerettet wird das Bild von einigen wenigen Highflyern. Während Passive-Fans diese Ergebnisse so verstehen, dass die Jagd nach diesen Ausnahmeaktien sinnlos ist, interpre- tieren Active-Fans sie als Einladung, nach genau diesen Topun- ternehmen zu suchen. Der Autor selbst wundert sich in der FT:  „Es scheint, dass der Bericht eine Art Rorschachtest darstellte, da Beobachter aus denselben empirischen Fakten stark divergierende Interpretationen zogen.“ Der Professor betont in seinem Artikel, dass er eher wenig über die Auswirkungen seiner Forschung auf konkrete Anlagestrategien gesagt habe: „Ich habe einige neue Argumente für beide Seiten in der großen Debatte zwischen akti- ven und passiven Anlagen angeführt, aber ich habe mich nicht für eine der beiden Seiten ausgesprochen.“ Er sieht seine Berechnung zwar als Beleg dafür, dass es nicht einfach ist, die Ergebnisse von breit gestreuten Indexanlagen zu verbessern, völlig unmöglich sei dies aber auch nicht. Die For- schung habe gezeigt, dass Finanzmärkte ineffizient sein können, und das biete Chancen für aktive Manager. Ein Teil dieser Mana- ger verfügt nach Bessembinders Ansicht auch tatsächlich über die benötigten Fähigkeiten, diese Ineffizienzen – sprich Über- und Unterbewertungen – zu erkennen und in Outperformance zu ver- wandeln. Was die Zahl dieser „Talente“ betrifft, ist seine Schätzung allerdings ernüchternd. Die von ihm verwendete Analogie ist der Profisport: „Die potenziellen Vorteile einer Sportlerkarriere kön- nen in der Tat groß sein. Dennoch haben nur sehr wenige den rich- tigen komparativen Vorteil, und die überwiegende Mehr- heit von uns sollte sich wei- terhin auf ihre normale Arbeit konzentrieren.“ Bessembinders Fazit ist nichts anderes als ein Plä- doyer für die von vielen insti- tutionellen Anlegern längst mehr oder weniger ausge- prägt praktizierte Core-Satel- lite-Strategie. Dabei werden nur die exotischeren Teile des Portfolios ausschließlich oder mehrheitlich mithilfe aktiver Manager abgebildet, weil die Chancen, in diesen Märkten Ineffizienzen zu finden, höher sind als etwa bei amerikanischen Standardwerten. Es liegt auf der Hand, dass es auch in der Active-Passive-Diskussion kein richtig oder falsch geben kann. Beide Ansätze haben grundsätzliche Vor- und Nachteile, die es zu nutzen beziehungsweise zu vermeiden gilt. Wir bedauern, dass der Institutional Money Kongress auch in diesem Jahr der Pandemie zum Opfer gefallen ist, bleiben aber optimistisch, dass wir dieses und andere Themen mit Ihnen im kommenden Jahr persönlich diskutieren können. Argumente für beide Seiten Gerhard Führing Mamdouh El-Morsi Gerhard Führing Mamdouh El-Morsi

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