Institutional Money, Ausgabe 3 | 2021

D er Wirecard-Skandal war für das Vertrauen in den Finanz- platz Deutschland nicht eben hilfreich. Immerhin gelang es einem der stark analysierten DAX-Unter- nehmen, 1,9 Milliarden Euro mehr in seinen Bilanzen vorzugaukeln, als tatsächlich da waren. Damals waren das rund 25 Prozent der Konzernbilanzsumme. Im Lauf der Aufklärungsarbeiten des Skandals ge- rieten unter anderem das Bundesfinanz- ministerium mit Olaf Scholz, die BaFin sowie das Kanzleramt unter Druck – Letzteres half Wirecard bei seinem Markteintritt in China. Journalisten der „Financial Times“ und Investoren, die seit 2015 auf Betrugsvorgänge im Un- ternehmen hinwiesen, begegnete die deutsche Finanzaufsicht mit einer Straf- anzeige wegen möglicher verbotener Markt- manipulation – gegen die Journalisten. BaFin-Chef Felix Hufeld musste schließlich seinen Hut nehmen. Neben dem personellen Neustart an der BaFin-Spitze mit Mark Branson und einer Umstrukturierung der Aufsicht wurde auch ein neues Finanzmarktgesetz auf den Weg gebracht. Es soll die Voraussetzungen schaf- fen, solche Skandale künftig zu verhindern oder zumindest früher zu entdecken. FISG soll es richten Entsprechend haben Bundestag und Bun- desrat das Finanzmarktintegritätsstärkungs- gesetz (FISG) im Mai verabschiedet, am 1. Juli 2021 ist es in weiten Teilen in Kraft getreten. Mit dem neuen Gesetz wird das Bilanzkontrollverfahren grundlegend refor- miert. Es verpflichtet zum einen die Börsen- aufsichtsbehörden der Länder und die BaFin zur Zusammenarbeit. Außerdem verbessert das Gesetz durch entsprechende Änderun- gen des WpHG den Informationsaustausch zwischen Börsenaufsicht und BaFin. „Man muss sich die Frage stellen, was man am Ende durch noch intensivere Kon- trollen in Fällen aufdecken kann, in denen man – etwa als Aufsichtsrat – böswillig getäuscht wird“, relativiert Isabella Ries die Möglichkeiten gesetzlicher Maßnahmen. Sie ist Senior Managerin und Expertin für Bank- und Kapitalmarktrecht bei KPMG Law und berät unter anderem Aufsichtsräte. Sie sieht auch viel Wirkkraft in den Auswir- kungen des Skandals an sich: „Nach einem solchen Skandal fragt sich jeder, der etwa als Aufsichtsratsmitglied in der Verantwor- tung steht: Bin ich kritisch, bin ich unab- hängig genug? Unter welchen Umständen hätte mir das auch passieren können? Und wie hätte ich es verhindern können?“ Effektivere Aufsicht Bei der Untersuchung des Skandals blieb lange ungeklärt, wer eigentlich für die Kon- trolle des international tätigen Zahlungs- dienstleisters mit Hauptsitz in Aschheim zuständig war. BaFin und Bundesbank hat- ten 2017 entschieden, Wirecard nicht als Finanzholding, sondern als Technologie- konzern einzustufen. Damit war die BaFin nur noch für die Wirecard Bank zuständig und nicht mehr für den Gesamtkonzern. Im Fall Wirecard hat der damalige BaFin- Präsident Felix Hufeld ein Aufsichtsversa- gen von sich gewiesen. „Aber natürlich wird der Fall Wirecard dazu führen, dass die Aufsicht in Einzelfällen künftig noch kritischer hinterfragt, ob und welche Beauf- sichtigungsmöglichkeiten sie für Unterneh- men hat, die im Konzern Finanzdienstleis- tungen anbieten“, so Ries’ Einschätzung. Außerdem stärkt das FISG die BaFin auf dem Gebiet der Bilanzkontrolle. Beispiels- weise sind künftig Anlass- und Stichproben- prüfungen allein Sache der BaFin. Bisher galt ein zweistufiges Verfahren: Einem Ver- dacht auf Verstöße gegen Rechnungs- legungsvorschriften ging zuerst die Deut- sche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) nach. Nur wenn ein Unternehmen mit der privaten Prüfstelle nicht kooperierte oder Zweifel am Prüfungsverfahren aufkamen, kam es zur Prüfung durch die BaFin. Die DPR wurde 2019 von der BaFin mit einer Prüfung von Wirecard beauftragt, schlug aber nicht Alarm. Künftig kann die BaFin direkt gegenüber einem Kapitalmarktunternehmen auftreten, wenn ein Verdacht auf Bilanzverstöße be- steht. Sie kann „ihm mit forensischen Mit- teln in die Bücher schauen“, wie die BaFin auf ihrer Website schreibt, und weiter: „Da- für erhält die BaFin zusätzliche hoheitliche Befugnisse, etwa erweiterte Auskunftsrechte und ein Recht auf Durchsuchungen und Beschlagnahmen.“ Dabei darf die BaFin auch die Führungsspitze eines zu prüfenden Unternehmens und dessen Abschlussprüfer vorladen und vernehmen. Bislang spielte Forensik für die BaFin nur bei der Verfol- Nach dem Wirecard-Skandal räumt das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) der BaFin mehr Kompetenzen und Durchgriffsrechte ein. Auch die Rolle der Aufsichtsräte wird gestärkt. » Nach einem solchen Skandal fragt sich jeder, der in der Verantwortung steht: Hätte mir das auch passieren können? « Isabella Ries, Senior Managerin und Expertin für Bank- und Kapitalmarktrecht bei der KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Frankfurt Direktere Kontrolle 286 N o. 3/2021 | www.institutional-money.com S T E U E R & R E C H T | F I SG FOTO: © KPMG LAW RECHTSANWALTSGESELLSCHAFT, MOHAMADFAIZAL | STOCK.ADOBE.COM

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