Institutional Money, Ausgabe 3 | 2021

Bei der Analyse, ob eine grenzüber- schreitende Steuergestaltung gegeben ist, muss zunächst das Vorliegen be- stimmter gesetzlich normierter Kenn- zeichen („hallmarks“) geprüft werden. „Zusätzlich muss bei einigen dieser Kennzeichen der sogenannte Relevanz- test erfüllt sein“, ergänzt Wolff. Da die gesetzlichen Regelungen in vielen Punkten unbestimmt waren, hat das BMF am 29. März 2021 ein An- wendungsschreiben zu den deutschen DAC-6-Regelungen veröffentlicht. „Das gibt uns gute Anhaltspunkte bei den Prüfungen“, so Wolff. Allerdings verbleiben in der Praxis noch ungeklärte Themenbereiche, beispielsweise im Rahmen von grenzüberschreitenden Im- mobilientransaktionen. „Immobilien- transaktionen sind im Sinne der deut- schen DAC-6-Regelungen regelmäßig grenzüberschreitend, wenn Verkäufer und Erwerber in verschiedenen Staaten ansässig sind“, so Wolff. Hierbei sei grundsätzlich für alle grenzüberschreitenden Immobilientrans- aktionen das Kennzeichen „Standardi- sierte Struktur“ von zentraler Bedeu- tung. Eine grenzüberschreitende Steuer- gestaltung ist grundsätzlich als „standar- disierte Struktur“ meldepflichtig, wenn zum einen der zugrunde liegende steuerliche Vorgang in einer Vielzahl von Fällen ohne wesentliche Anpassung genutzt werden kann und zum anderen der „Relevanztest“ erfüllt wird. Ein Steuervorteil ist unter an- derem gegeben, wenn durch die Steuerge- staltung Steueransprüche entfallen oder ver- ringert werden (sollen). Share-Deal-Transaktionen „In der Praxis ist beispielsweise immer noch ungewiss, ob im Rahmen von grenz- überschreitenden Immobilien-Share-Deal- Transaktionen unter Einbeziehung einer ,RETT-Blocker-Struktur‘ das Kennzeichen ,Standardisierte Struktur‘ erfüllt wird“, meint Wolff. Schlimmstenfalls würde das dazu führen, dass viele der grenzüberschrei- tenden Share-Deal-Transaktionen eine DAC-6-Meldepflicht nach sich ziehen. Bei solchen Transaktionen wird nicht das Grundstück selbst, sondern es werden Ge- sellschaftsanteile der grundstücksbesitzen- den Gesellschaft erworben, das heißt, ein Käufer erwirbt weniger als 90 Prozent der Anteile etwa an einer immobilienbesitzen- den Kapitalgesellschaft. Die restlichen min- destens 10,1 Prozent der Gesellschaftsantei- le verbleiben beim Altgesellschafter oder werden von einem Dritten erworben. Auf diese Weise soll Grunderwerbsteuer vermie- den oder erheblich reduziert werden. „Gegen das Vorliegen einer DAC-6-Mel- depflicht solcher grenzüberschreitenden Im- mobilien-Share-Deal-Transaktionen könnte die Auffassung vertreten werden, dass beim Erwerb einer deutschen grundstücksbesit- zenden Gesellschaft bereits überhaupt kein grenzüberschreitender Bezug gegeben ist, wenn lediglich der Verkäufer und/oder der Käufer der Gesellschaftsanteile im Ausland ansässig ist“, meint Wolff. Ferner könne argumentativ durchaus auch die Errichtung einer RETT-Blocker-Struktur nicht als „standardisierte Struktur“ anzusehen sein, da Immobilien-Share-Deal-Transaktionen regelmäßig individualisierte Gestaltungen vorsehen und gerade keine Musterkonzepte benutzt werden können. „Es ist wenig überraschend, dass das BMF in dem Anwendungsschreiben davon ausgeht, dass in einem solchen Fall ein grenzüberschreitender Bezug gegeben ist und damit grundsätzlich eine Meldepflicht an das BZSt besteht“, erklärt Wolff. Nach Ansicht des BMF genügt es, dass die an der Gestaltung Beteiligten (d. h. auch Anteils- verkäufer beziehungsweise -erwerber) in mehr als einem Staat ansässig oder aktiv sind, um von einer „grenzüberschreitenden Steuergestaltung“ auszugehen. „Allerdings hat sich die Finanzverwaltung zur konkre- ten Frage, ob die Errichtung einer RETT- Blocker-Struktur tatsächlich das Kennzei- chen ,Standardisierte Struktur‘ erfüllt, bi- slang noch nicht geäußert“, ergänzt Wolff. Auch der „Relevanztest“ sollte in einem solchen Fall regelmäßig als erfüllt gelten, da die Erlangung eines Steuervorteils – also die Vermeidung beziehungsweise erhebliche Reduzierung der Grunderwerbsteuer – in der Regel einer der Hauptvorteile einer RETT- Blocker-Struktur ist. „Hierfür spricht auch, dass im Vorfeld von Immobilien-Share- Deal-Transaktionen üblicherweise umfang- reiche Stellungnahmen erstellt werden, die die (grunderwerb)steuerlichen Auswirkun- gen der Transaktion beschreiben“, weiß Wolff aus der Praxis. ANKE DEMBOWSKI Die EU hat zur Vermeidung von zu „kreativen“ grenzüberschreitenden Steuergestaltungen die DAC-6-Meldepflichten installiert. Völlig klar ist bisher allerdings noch nicht, was tatsächlich gemeldet werden muss und was nicht. N o. 3/2021 | www.institutional-money.com 271 S T E U E R & R E C H T | DAC 6

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