Institutional Money, Ausgabe 3 | 2021

„Man muss die Durchführungswege einfa- cher machen! Das darf für die Leute nichts Nebulöses sein“, fordert Melchiors. Auch Riesterverträge seien zu kompliziert in der Handhabung – und erst recht die anderen Durchführungswege. „Es muss auch für kleine Unternehmen etwas Zurechtge- schnittenes geben! Wir brauchen bAV-Pro- dukte, die der Anstreicher oder der Schrei- nermeister versteht und die er für seine Mitarbeiter machen kann, ohne sich lange einlesen zu müssen.“ Zumindest müsse jeder Einzelne den Teil der bAV verstehen, der für ihn wichtig ist. Hier seien auch die Unternehmen gefordert. Die Altersvorsorge bei den Unternehmen anzusiedeln hält er für richtig: „Daher kommt das Gehalt. Da ist man am Point of Sale und kann gut argumentieren, einen Teil des Gehalts für die Altersvorsorge einzu- setzen.“ Für eine gute Idee hält er die ange- dachte jährliche Information über die zu erwartenden Altersleistungen, kombi- niert aus gesetzlicher Rente, bAV und privater Vorsorge. „So können sich die Bürger regelmäßig mit diesem wichtigen Thema auseinandersetzen und sehen, wo sie gegebenenfalls noch etwas tun soll- ten. Wir müssen häufiger und engagier- ter über die Altersvorsorge sprechen“, meint Melchiors. Obwohl man ihn eher im Lager der Lebensversicherungen verortet, wird er bei der Frage zur Notwendigkeit von Garantien deutlich. „Anders als Kapitalanlagegesell- schaften können Versicherer die Langlebig- keit bereits beim Abschluss eines Vertrags absichern und den jeweiligen garantierten Rentenwert mitteilen. Was hilft es zu wis- sen, dass Sie mit 67 100.000 Euro erhalten, wenn Sie nicht wissen, was das an garan- tierter lebenslanger Rente bedeutet?“, fragt er. Aber er gibt auch zu: „Derzeit sind Garantien sehr teuer und in einer disrupti- ven Kapitalanlagewelt nur noch schwer zu halten. Deshalb sehe ich heute auch reine Kapitalanlagen als sinnvoll an; allerdings nur für den Teil, der nicht für die Erhaltung eines normalen Lebensstandards im Alter benötigt wird.“ Ansonsten müsse die Ge- sellschaft ohnehin einspringen. Er verweist auf Siemens. „Mit dem neuen Modell in der Direktzusage hat Siemens etwas Tolles ein- geführt. Dort gibt es eine Zusage in Höhe von 90 Prozent der Beiträge, und wenn das Kapital anwächst, wird auch das Zusagen- niveau wieder angezogen.“ Mit dem Geld, das nicht zwingend für die Erhaltung eines normalen Lebensstandards im Alter benötigt wird, könne man auch am Aktienmarkt spekulieren, meint Melchiors. Allerdings nicht ohne Warnung. So verweist er darauf, dass es am japanischen Markt 30 Jahre gedauert hätte, bis das alte Marktni- veau wieder erreicht wurde. „Aktuell läuft es natürlich gut, aber auch in Europa hatten wir Zehnjahreszeiträume, in denen sich am Aktienmarkt nicht viel getan hat“, warnt Melchiors vor zu großer Aktieneuphorie. Hauptsache, kollektive Systeme Er kann sich sogar vorstellen, dass in der ersten Säule nach und nach eine Kapital- deckung auf Aktienbasis eingerichtet wird, die langfristig die Systeme entlasten könnte. Hier nennt er Norwegen als gelungenes Beispiel. „Dazu brauchen Sie unbedingt große, kollektive Systeme, die langfristig ausgelegt sind. Auch der norwegische Staatsfonds ist schon mal für ein oder zwei Jahre rückläufig gewesen, aber das ließ sich über das Kollektiv ausgleichen. Bei Versicherungen haben Sie eben auch kollektive Systeme“, bricht er noch ein- mal eine Lanze für Versicherungen. Mit kollektiven Systemen wie Metallrente oder Chemie-Pensionsfonds sei auch der » Die Altersvorsorge ist eines der großen gesellschaftlichen Themen und staatlichen Aufgaben. « Hans Melchiors, Mitgründer von IWG Wirtschaft & Gesellschaft GmbH & Co. KG – Institut für angewandte Forschung Einige ehrenamtliche Tätigkeiten: • Vorstandsmitglied aba • Fachausschuss Regulatorik und Kapitalanlage der aba • Bundesausschuss Arbeitsmarkt und Alterssicherung BWR • Beirat im Institut der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung (IVS) • Gründung der Initiative Gesundheitswirtschaft e. V. 266 N o. 3/2021 | www.institutional-money.com P O R T R Ä T | HANS ME L CH I OR S | P S V FOTO: © RENÉ LAHN

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