Institutional Money, Ausgabe 3 | 2021

betreffend Aufbau und Führung von Unter- nehmen bedeutet, dass die Gründer länger die Kontrolle über ihre Organisation behal- ten. Da dieser Druck von außen, an die Börse zu gehen, ausbleibt, nehmen viele die Option wahr, länger privat zu bleiben, indem sie etwas mehr von ihren Anteilen an einen ausgewählten Investorenkreis ver- kaufen, anstatt überstürzt an ein IPO zu denken. Staatliche Rahmenbedingungen Als hilfreich für ein längeres „Privat- bleiben“ erwiesen sich legistische Verände- rungen in den USA. Im Sarbanes-Oxley Act von 2002 wurden die Bedingungen für ei- nen Börsengang deutlich verschärft, wäh- rend nachfolgende Regulierungsmaßnah- men die Belastung durch die Berichterstat- tung für gelistete Unternehmen erhöht haben. Einige Finanzvorstände seien sogar so weit gegangen zu sagen, so Robert Natz- ler, dass sich die Kosten für eine Börsen- notiz allein seit 2011 mehr als verfünffacht hätten. Auf der anderen Seite sind die Steuerrechtsänderungen zu nennen, die im US JOBS (Jumpstart Our Business Start- ups) Act von 2017 verankert sind. Sie haben es aufstrebenden Wachstumsunternehmen leichter gemacht, Mitarbeiteraktien auszu- geben, während die Firma privat bleibt, wodurch eine weitere historische Quelle des Drucks in Richtung Börsengang beseitigt wurde. Verschobene Prioritäten Früher galt es in Unternehmer- kreisen als Inbegriff des Erfolgs, wenn man an die Börse ging. Doch die Normen verschieben sich innerhalb der Gründer-Com- munity. Für Unternehmen wie Facebook war das Läuten der Bör- senglocke beim IPO ein prestige- trächtiger Moment und ein Aus- druck des „Erwachsenwerdens“ des Unternehmens. Aber da es immer mehr große und bekannte Unternehmen wie SpaceX, Stripe und ByteDance (die Eigentümer von TikTok) gibt, die bis dato pri- vat geblieben sind, hat sich die Assoziation zwischen Börsenno- tierung und Erfolg abgeschwächt. Natzler bringt es auf den Punkt: „Wenn wir heute mit Gründern sprechen, sind wir erstaunt, wie viele die Börsen mit Abneigung betrachten und misstrauisch auf die Beziehungen zwischen Management und den allzu oft bloß kurzfristig orientier- ten Aktionären blicken.“ So kommt es, dass diese Art von Unter- nehmen, die heute länger in privater Hand bleiben, sich stark von jenen jungen und unreifen Firmen unterscheiden, auf deren Suche und Unterstützung in der Frühphase sich talentierte Venture-Kapitalisten spezia- lisiert haben. Es handelt sich nicht mehr um Unternehmen, die die Hilfe von Investoren bei der Einstellung wichtiger Mitarbeiter, der Ausarbeitung von Personalrichtlinien oder der Erstellung von Marketingplänen benötigen. Das Letzte, was viele dieser Gründer wollen, ist ein weiterer Investor, der ihnen sagt, wie sie ihr bereits sehr erfolgreiches und expandierendes Unter- nehmen führen sollen. Wichtige Bezugspunkte Auf den privaten Märkten geht es nie nur um den Zugang zu Kapital. Management- teams können ihre Investoren auswählen und die Bedingungen und Preise nennen, zu denen sie Beteiligungen an ihrem Unter- nehmen anbieten. Natzler wird konkret: „Jeder Investor kann einen Scheck ausstel- len; aber es ist der Investor, den das Unter- nehmen will, der die Chance bekommt, die- sen Scheck zu einer attraktiven Bewertung dann tatsächlich auch ausstellen zu kön- nen.“ Zwei wichtige Parameter sind im Auge zu behalten. Einmal geht es um die Fähigkeit, selbst- ständig Beteiligungen an Late-Stage-Firmen zu akquirieren. Baillie Gifford kann durch seine Beziehungen und seine Reputation Zugang zu Investitionsmöglichkeiten erhal- ten, anstatt sich nur an von Banken geför- derten Investitionsrunden zu beteiligen. In den letzten zwei Jahren hat man über 75 Prozent seiner Beteiligungsgeschäfte über diese eigenen Kanäle getätigt. Zweitens achtet man auf die Häufigkeit, mit der man volle Zuteilung in privaten Finanzierungs- runden erhält, an denen man teilnimmt. 2019 hat Baillie Gifford in mehr als 95 Pro- zent der Fälle volle Zuteilung erhalten, 2020 liegt die Zahl bei etwas über 97 Prozent. Diese Werte sind ungewöhnlich hoch. Warum also entscheiden sich also Gründer für eine Partnerschaft mit Baillie Gifford? Natzler: „Für uns sind es drei Punkte. Un- ser Ansatz und unser Verständnis sind lang- fristig angelegt mit einer nachweislichen Bilanz bei der Unterstützung von Wachs- tumsunternehmen. Wir nutzen Vehikel und Strukturen, die es uns ermöglichen, kontinu- ierliche Unterstützung zu bieten, indem wir die Gründer über mehrere private Finanzie- rungsrunden hinweg begleiten und dann bis weit nach dem Börsengang an ihrer Seite bleiben. Dank der gewonnenen Erkenntnisse können wir mit demManagement zusammen- arbeiten, wenn das Unternehmen wächst.“ Langfristigkeit sticht Bei Baillie Gifford ist das Bekenntnis zur Langfristigkeit nicht nur eine leere Worthül- se. Das liegt wohl auch in der eigenen DNA begründet, wo die Partner am nicht gelisteten Asset Manager beteiligt sind. An den Börsen weltweit hält der durchschnittliche Anleger eine Aktie nur mehr mehrere Monate lang, bei Baillie Gifford liegt die durchschnittliche Haltedauer bei mehr als sieben Jahren. Für die Flaggschiff-Strategie, mit der man 2012 begonnen hat, liegt dieser Zeitraum bei fast zwölf Jahren. Natzler sagt: „Wir haben uns im- mer viel mehr auf die langfristigen strategischen Optionen eingelas- sen, die sich den Unternehmen bie- ten, als auf kurzfristige Taktik. Und wir waren immer sehr offen, wenn es darum ging, unsere Perspektiven mit Vorständen und anderen Inves- Gestern und heute Prominenter Beispiele: Zeit bis zum IPO und Marktkapitalisierung beim IPO Wer heute in den USA an die Börse geht, ist als Firma gereifter und auch deutlich schwerer in puncto Marktkapitalisierung als früher. Quelle: Studie 0 5 10 15 20 Jahre Amazon | 1994–1997 Google | 1998–2004 Facebook | 2004–2018 Spotify | 2006–2018 SpaceX | 2002–? 0,4 Mrd.USD 23 Mrd.USD 104 Mrd.USD 27 Mrd.USD 46 Mrd.USD Jahre bis zum IPO N o. 3/2021 | www.institutional-money.com 243 P R O D U K T E & S T R A T E G I E N | PR E - I PO - I NVE S TMENT S

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