Institutional Money, Ausgabe 3 | 2021

der UN auf nicht weniger als 169 Unterzie- le, sogenannte „Targets“, heruntergebrochen werden. Illiquide Investments Auch wenn das machbar ist, gibt es eine Einschränkung: „Die Datenhäuser können uns die Daten nur für gelistete Investments liefern“, so Siegmund. Über Direktdarlehen, Immobilien und sonstige Illiquids, die sich in den Portfolios befinden, müssen die Produktanbieter selbst Daten sam- meln, oder sie verpflichten die jeweili- gen Verwalter vor Ort dazu. Ob dies praktikabel ist, hängt unter anderem von der Marktmacht des Players ab. Obwohl die R+V als eines der großen Versiche- rungshäuser Deutschlands mit 130 Mil- liarden Euro Kapitalanlagen über Marktmacht verfügen dürfte, erklärt Siegmund: „Wir werden selber ganz neue nichtfinanzielle Daten sammeln und aufbe- reiten.“ Allein damit ist es allerdings nicht getan. „Was uns bei den nichtgelisteten Investments noch fehlt, sind geeignete Benchmarks für die nichtfinanziellen Zie- le“, sagt Siegmund. Für die seit Jahrzehnten verwendeten finanziellen Ziele haben sich die Benchmarks längst etabliert. Nachdem die Ziele definiert sind, die Daten gesammelt und aufbereitet wurden und auch klar ist, wie man die Ziele errei- chen will, kommt die Messung der Zieler- reichung. Denn nur durch die Quantifizie- rung des Zielerreichungsgrades lassen sich die knappen Ressourcen optimal auf die einzelnen Produkte oder Projekte allokieren. Bei ökologischen Zielen, dem „E“ in ESG, ist die Messung des Zielerreichungs- grades vergleichsweise einfach. Zumindest macht man es sich einfach, indem man sich etwa dem gefundenen Konsens anschließt, der CO 2 -Fußabdruck sei ein guter Indikator dafür, ob der Klimawandel gestoppt werden kann oder nicht. Kniffliger wird es bei den diversen Im- pact-Zielen, die teilweise schwer zu greifen sind. Kirchen und Stiftungen haben mit der Verfolgung nichtfinanzieller Ziele und deren Messung die längste Erfahrung, denn sie existieren zum Teil seit Jahrhunderten. Da- her lohnt sich ein Blick, wie sie das ma- chen. Die Deutsche Bischofskonferenz kennt ihr Ziel: den christlichen Glauben zu verbreiten und zu verkünden. Hinsichtlich der Zielerreichung misst die Organisation der katholischen Kirche in Deutschland etwa die Zahlen der Erstkommunionen, Taufen, Eintritte, Austritte, wie viele Kin- dertageseinrichtungen, Schulen und Hoch- schulen es unter katholischer Trägerschaft gibt und wie viele Gottesdienstteilnehmer es pro Bistum gibt. Diese Zahlen werden in jährlichen Zahlenreihen festgehalten. Ganz andere Daten benötigt der Smart- Beta-Investmentspezialist Ossiam, eine Tochtergesellschaft von Natixis Investment Managers. Der Asset Manager beschäftigt sich mit der Messung von Biodiversität und greift dabei auf externe Datenlieferanten zu- rück. „Unser neu aufgelegter Ossiam Food for Biodiversity UCITS ETF hat zum Ziel, eine deutliche und quantifizierbare Senkung des Biodiversitäts-Fußabdrucks des Lebens- mittel- und Landwirtschaftssektors zu errei- chen“, sagt Carmine de Franco, Head of Research bei Ossiam. Ein weiteres Ziel ist die Reduzierung des CO 2 -Fußabdrucks, „denn der Klimawandel hat einen großen Einfluss auf den Biodiversitätsverlust, ähn- lich wie in einer negativen Rückkopplungs- schleife“, so de Franco. Ossiam verfolgt Biodiversität Das investierbare Universum des Fonds besteht aus etwa 250 Unternehmen aus dem Lebensmittel- und Landwirtschaftssektor in ausgewählten Industrieländern; nach An- wendung der ESG- und Kohlenstoffreduk- tionsfilter enthält das Portfolio schließlich 60 Titel. „Wir analysieren beispielsweise, wie eine Tonne Rindfleisch produziert wird. Dabei macht es einen Unterschied, ob das in Deutschland oder Brasilien geschieht“, erklärt de Franco. Ossiam greift dabei auf Daten des FinTech-Unternehmens Iceberg Data Lab zurück, die bei Biodiversitätszah- len führend sind. „Früher hat man Biodiver- sität einfach anhand der Zahl der Tierarten gemessen. Wir betrachten vier Impact-Be- reiche: Treibhausgasemissionen, Landnut- zung, Umweltverschmutzung durch Dünge- mittel, da die darin enthaltenen Stickoxide (NOx) den Boden versauern, und Ver- schmutzung von Süßwasser“, erklärt de Franco. Dabei umfasst die Bewertung das jeweilige Unternehmen selbst sowie seine Lieferanten und Kunden. Anhand von McDonald’s gibt er ein Beispiel: „Wir be- trachten die Produkte: Burger. Dann ermit- teln wir, wo McDonald’s das Rindfleisch für die Burger kauft. Sagen wir, es wird überwiegend lokal eingekauft. Dann ermit- teln wir, welchen Einfluss die lokale Rind- fleischproduktion auf die Biodiversität hat.“ Solche Daten werden für alle Portfoliounter- nehmen zusammengetragen. Um am Ende ein optimiertes Portfolio zu erstellen, wird die Mean Species Abundance (MSA) unter den gegebenen Bedingungen maximiert. „Der Prozess ähnelt der Messung des CO 2 - Fußabdrucks eines Wertpapierportfolios, nur ist es dann nicht der CO 2 -, sondern der Bio- diversitäts-Fußabdruck“, erklärt de Franco. Einen Engpass sieht er: „Wir hätten die Biodiversitätsdaten gern auf globaler Ebene, aber das gibt es noch nicht. Wir arbeiten mit unserem Datenlieferanten daran, dass zu- mindest Daten für China und Brasilien erhoben werden. Außerdem hat natürlich jeder Datenlieferant und jedes Analysehaus seine Vor- und Nachteile, aber man kann nicht mit allen zusammenarbeiten.“ Er rech- net damit, dass die Kosten für nichtfinan- zielle Daten langfristig steigen, da dies ein veritables Business wird, insbesondere die Lizenzierung. „Alle Daten- und Lizenzkos- ten, einschließlich der ESG- und Biodiver- sitätsdatenanbieter, sind bereits in unserer Management Fee von 75 Basispunkten ent- halten“, so de Franco. Ihm gefällt, dass die Weltbank-Tochter IFC und das Global Impact Investing Net- work (GIIN) im März gemeinsam begon- nen haben, die Joint Impact Indicators (JII) zu veröffentlichen. Dabei handelt es sich um harmonisierte Indikatoren, auf die Im- » Es wäre gut, wenn noch mehr Daten, die erhoben werden, öffentlich verfügbar gemacht würden. « Carmine de Franco, Head of Research bei Ossiam 192 N o. 3/2021 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R A T E G I E N | IMPAC T I NVE S T I NG FOTO: © THOMAS GOGNY

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