Institutional Money, Ausgabe 3 | 2021

darauf liefern Jensen et al. eine interessante Antwort: Es ist eben sehr schwierig, den komplexen Trade-off von Rendite und Risi- ko an den Märkten zu messen. Das zeigt sich genau darin, dass eben kein einzelnes Merkmal bestimmt werden kann, mit dem sich dieses Verhältnis genau be- werten lässt. Die Forscher sehen deshalb nicht hunderte unterschiedlicher Faktoren, sondern eine kleine Anzahl gruppierter, hoch korrelierter Themen. Sie schlagen eine Taxonomie vor, nach der Anoma- lien in 13 Themen klassifiziert werden, innerhalb derer einzelne Faktoren klei- nere Variationen einer verwandten Idee darstellen. Zum Beispiel ist jeder Value- Faktor durch ein bestimmtes Bewertungs- verhältnis definiert, aber letztlich gibt es dafür verschiedene plausible Ansätze. Die Berücksichtigung dieser Variation ist kein Alpha-Hacking – vor allem dann nicht, wenn die „richtige“ Konstruktion des Value- Signals umstritten ist, was bei den meisten Themen der Fall sein sollte. Gemeinsam erbringen die einzelnen The- men mit den darin enthaltenen Faktoren demnach einen Beitrag zum kollektiven Verständnis der Märkte. Das spiegelt die positive Sicht auf den Faktorzoo wider: nicht als kollektive Übung im Data Mining, sondern als natürliches Ergebnis einer dezentralen Anstrengung, bei der Forscher verschiedene Beiträge leisten, um unser gesamtes Wissen über die Märkte schritt- weise zu verbessern. Schlussfolgerungen Der Vorwurf einer Replikations- sowie einer damit verbundenen Vertrauenskrise ist weder neu noch auf den Finanzbereich be- schränkt. Einige Studien lieferten Hinweise dafür, dass das Problem gerade im „Faktor- zoo“ akut zu sein scheint. Zudem ist die Anzahl der Faktoren bereits immens groß und wächst immer noch weiter an, was zusätzlich an der Glaubwürdigkeit nagt. Doch die Ergebnisse der jüngsten umfang- reichen Studien bestätigen diese Befürch- tungen nicht, ganz im Gegenteil: Sie zeigen die hohe Replizierbarkeit der meisten Fak- toren und festigen das Vertrauen in die bis- herige Literatur zu Kapitalmarkteffekten. Das heißt allerdings nicht, dass es über- haupt keine Herausforderungen gibt. So schreiben etwa Marta Serra-Garcia und Uri Gneezy, die Autoren der eingangs genann- ten Studie, dass Review-Teams bei Journals gewisse Kompromisse eingehen müssen: Sind die Ergebnisse einzelner Studien „in- teressanter“, wird mitunter ein geringerer Maßstab angelegt, was die erwartete Repro- duzierbarkeit der jeweiligen Studienergeb- nisse angeht. Und das scheint tatsächlich ein Problem zu sein. Wie Andrew Chen und Tom Zimmer- mann, die Autoren der zweitgenannten Stu- die, betonen, sollte eine weitere Entwick- lung in Zukunft an Bedeutung gewinnen: frei verfügbare Daten und Ressourcen. Eine damit verbundene offenere Zusammenarbeit ist entscheidend für die Weiterentwicklung des Wissens und das Verständnis von Risiko und Rendite, aber auch für den Schutz der Glaubwürdigkeit der akademischen Finanz- marktforschung in den Augen der Öffent- lichkeit. Deshalb stellen die Autoren ihren Datensatz mit Prognosevariablen für den Querschnitt der Aktienrenditen inklusive einer Dokumentation als Open Source be- reit (www.openassetpricing.com ). Das bein- haltet die aufwendig von Hand gesammel- ten Daten aus den Originalarbeiten der 319 Signale. Auch Jensen et al. haben ihre Daten für andere Forscher zugänglich gemacht (https://github.com/bkelly-lab/GlobalFac- tor) , um die erwünschte Praxis zur Replika- tion voranzutreiben. DR. MARKO GRÄNITZ Korrelationen zwischen Faktorthemen Paarweise Korrelationen innerhalb von 10 der 13 Themen liegen über 0,5. Die Autoren legen 13 Cluster fest, innerhalb derer die zugehörigen Faktoren beziehungsweise Charakteristika eine hohe wirtschaftliche und statistische Ähnlichkeit aufweisen. Die Grafik zeigt die durchschnittlichen paarweisen Pearson- Korrelationen zwischen Faktoren verschiedener Cluster beziehungsweise zwischen Faktoren desselben Clusters (jeweils oberster Wert) für US-Aktien im Zeitraum von 1975 bis 2019. Quelle: Jensen, T. I. / Kelly, B. T. / Pedersen, L. H. (2021), Is There a Replication Crisis in Finance?, NYU Stern School of Business (in Kürze erscheinend), S. 77 0,51 0,03 0,15 0,04 -0,1 -0,06 -0,1 -0,21 -0,2 0,01 0,03 -0,07 -0,01 0,39 0,09 0,2 -0,2 0,15 0,07 -0,19 0,03 0,01 0,15 -0,13 -0,14 0,74 -0,56 0,51 -0,08 -0,29 0,16 -0,27 0,01 0,07 0,16 0,61 0,71 -0,67 0,1 0,19 -0,45 0,15 −0,04 0,11 -0,28 -0,71 0,8 -0,01 -0,16 0,5 −0,04 0,01 -0,21 0,33 0,65 0,71 0,26 -0,01 0,14 0,04 -0,22 -0,16 -0,24 0,36 0,03 0,18 0,02 -0,16 -0,08 -0,27 0,68 0,29 0,03 -0,35 0,27 0,44 0,5 0,04 -0,15 0,02 -0,13 0,02 0,02 0 0,02 0,56 -0,03 -0,02 0,52 0,3 0,75 Accruals Debt Issuance Investment Leverage Low Risk Momentum Profit Growth Profitability Quality Seasonality Size Skewness Value Accruals Debt Issuance Investment Leverage Low Risk Momentum Profit Growth Profitability Quality Seasonality Size Skewness Value -1 -0,8 -0,6 -0,4 -0,2 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 » Wir stellen interessierten Forschern und Praktikern alle Daten auf openassetpricing.com zur Verfügung. « Andrew Chen, Senior Economist, Federal Reserve Board 160 N o. 3/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | R E P L I KAT I ONS KR I S E FOTO: © FEDERAL RESERVE BOARD

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