Institutional Money, Ausgabe 3 | 2021

überwiegt aber inzwischen die Evidenz ent- gegen einer Replikationskrise bei den Fak- torrenditen. So trifft auch das methodisch abweichende Paper „Is There a Replication Crisis in Finance?“ von Theis Ingerslev Jen- sen, Bryan Kelly und Lasse Heje Pedersen eine positive Grundaussage. Sie führen die Herausforderungen zur Reproduzierbarkeit der Finanzforschung auf zwei grundlegende Punkte zurück: n Keine interne Validität: Die Er- gebnisse können zum Beispiel aufgrund von Fehlern im Code nicht mit denselben Daten repli- ziert werden oder sind nicht ro- bust, also nicht mit etwas unter- schiedlichen Methoden und/oder Daten replizierbar. n Keine externe Validität: Die Er- gebnisse können zwar solide re- pliziert werden, sind aber durch p-Hacking bedingt und deshalb nur scheinbar signifikant, etwa durch Testen mehrerer Hypothe- sen ohne notwendige statistische Anpassung dafür. Das Autorentrio nutzt zur Faktor- replikation einen auf Wahrschein- lichkeitsverteilungen basierenden Ansatz (Bayes’sches Modell). Das entspricht der Idee zur wissen- schaftlichen Replikation, während Chen und Zimmermann eine pure Replikation durchführen (siehe In- fokasten). Auf Basis theoretischer und empirischer Untersuchungen kommen Jensen et al. zu dem Schluss, dass die meis- ten Faktoren replizierbar sind und in Out-of- Sample-Tests bestätigt werden. Zudem schreiben sie, dass die Evidenz aufgrund der hohen Anzahl von Faktoren sogar gestärkt und nicht wie oft vermutet geschwächt wird. Die Abbildung „Replikationsrate“ zeigt die schrittweisen Ergebnisse der Untersu- chung. Dargestellt ist dort die Entwicklung des Prozentsatzes der Faktoren mit statistisch signifikanter durchschnittlicher Überrendite: n Ausgangspunkt ist die Replikationsrate von 35 Prozent aus der Studie von Hou et al. n Der zweite Wert zeigt die Basisrepli- kationsrate von 56,2 Prozent in der Stichprobe von US-Faktoren (signifi- kante t-Statistiken der entsprechenden Regressionen). Den gegenüber Hou et al. deutlich höheren Wert führen die Autoren auf die abweichende Aus- wahl an Faktoren, Unterschiede in de- ren Konstruktion und ihre längere Stichprobe zurück. n Der Ausschluss von Faktoren, die in den Ursprungsstudien nicht signifi- kant waren, ergibt den dritten Wert von 63,9 Prozent. n Der vierte Wert von 83,2 Prozent kommt durch Verwendung risikoad- justierter statt roher Renditen zustan- de. Die Adjustierung erfolgt anhand des CAPM, um mögliche Einflüsse auf Faktorexposures abseits des Betas zu vermeiden. n Die statistische Anpassung um den Effekt von Mehrfachtests führt zur Abnahme der Replikationsrate auf 78,2 Prozent. Interessant ist an dieser Stelle das hierar- chische Bayes’sche Modell, das auf Basis von Verteilungen und Korre- lationen das Verhalten aller Fakto- ren gemeinsam berücksichtigt. Die Intuition dahinter ist, dass der um- fangreiche Faktorzoo für die Repli- zierbarkeit eine höhere Evidenz und damit einen Vorteil bietet, wenn ähnliche Faktoren vergleich- bar gut abschneiden. Dieser Effekt lässt die Replikationsrate im sechs- ten Schritt auf 83,2 Prozent anstei- gen. Abschließend beziehen die Autoren globale Daten aus insge- samt 93 Ländern in das Modell ein und erhalten eine finale Replika- tionsrate von 84 Prozent. Dieser Wert ist mehr als doppelt so hoch wie bei Hou et al. und zeigt, dass US-basierte Faktoren auch interna- tional gut reproduzierbar sind. Faktor: Themen statt Zoo Trotzdem stellt sich die Frage, weshalb es überhaupt zur Entste- hung des Faktorzoos kam. Auch » Umfangreiche Daten zu 153 Faktoren in 93 Ländern zeigen sehr ähnliche Ergebnisse wie in den USA. « Lasse Heje Pedersen, Professor of Finance, Copenhagen Business School, und Principal, AQR Capital Management Faktor-Alphas: USA vs. international Die Werte liegen nahe der 45-Grad-Linie und verdeutlichen damit die weitgehend ähnlichen Alphas. Die internationalen Alphas sind nach Marktkapitalisierung gewichtete Durchschnitte der jeweiligen Faktoren in allen anderen Ländern außer den USA. Da sich die internationalen Daten auf kürzere Zeiträume erstrecken, sind die Konfidenzintervalle dort insgesamt weiter und die Replikationsraten niedriger. Quelle: Jensen, T. I. / Kelly, B. T. / Pedersen, L. H. (2021), Is There a Replication Crisis in Finance?, NYU Stern School of Business (in Kürze erscheinend), S. 35 -1,0 % -0,5 % 0,0 % 0,5 % 1,0 % In Originalstudie signifikante Faktoren In Originalstudie nicht signifikante oder nicht auf Signifikanz untersuchte Faktoren 45-Grad-Linie Alpha international US-Alpha -0,5 % -1,0 % 0,0 % 0,5 % 1,0 % » Unser Paper zeigt, dass die Faktorforschung besser reproduzierbar ist als bisher angenommen. « Theis Ingerslev Jensen, Copenhagen Business School N o. 3/2021 | www.institutional-money.com 159 T H E O R I E & P R A X I S | R E P L I KAT I ONS KR I S E

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