Institutional Money, Ausgabe 3 | 2021

Preiseffekt für den Gesamtmarkt haben kön- nen. Bisher galten solche Aussagen im Rah- men der klassischen Modellwelt als naiv, da Rückkäufe gegenüber Ausschüttungen darin keinen besonderen Einfluss haben sollten. Doch aufgrund der geringen Elastizität scheint sich das tatsächlich auszuwirken. Und da Aktienrückkäufe vor allem in den USA im Vergleich zu Dividenden überwie- gen, könnten sie für einen beträchtlichen Teil der Performance des Aktienmarktes verantwortlich sein. Analog dazu sollte auch bei Insidertransaktionen (je nach aggregier- ter Handelsrichtung) sowie bei Ausgabe neuer Aktien ein entsprechender Zusam- menhang mit Preiseffekten am Gesamt- markt bestehen. Seit Robert Shiller im Jahr 1981 den Be- griff „Excess Volatility“ prägte, ist man auf der Suche nach einer plausiblen Erklärung dafür, warum die Märkte viel stärker schwanken, als es die späteren Dividenden beziehungsweise allgemein die fundamenta- len Daten rechtfertigen. Das Modell von Gabaix und Koijen weist eine entsprechend hohe Überschussvolatilität auf, wobei Flow- Schocks rund 90 Prozent und Fundamental- daten nur etwa zehn Prozent der Varianz der Aktienrenditen ausmachen. Das ist ein Be- leg dafür, dass Nachfrageschocks in unelas- tischen Märkten nicht nur die Aktienrisiko- prämie beeinflussen, sondern auch übermä- ßig volatile Kurse verursachen können. Darüber hinaus werden noch weitere Aspekte genannt, die neu einzuschätzen sind, wenn die Inelastic Markets Hypothesis zutrifft: n Dauerhafte Kurseffekte müssen keine Informationen widerspiegeln, sondern können aus reinen Flows resultieren. Selbst bei großen Kursveränderungen kann es sein, dass die langfristig erwarte- ten Renditen kaum beeinflusst werden. n Ein hohes Handelsvolumen garantiert kei- ne Elastizität. Der größte Teil findet am Aktienmarkt selbst statt und kommt des- halb nicht der Makroelastizität zwischen Aktien und Anleihen zugute. n Mit der Aussage „Für jeden Käufer gibt es einen Verkäufer“ wurde oft aus- gedrückt, dass eine steigende Nachfrage beziehungsweise steigender Kaufdruck keine steigenden Kurse impliziert. Dem neuen Modell zufolge ist das aber durch- aus der Fall. Am erstaunlichsten ist wohl das Phäno- men der Makroineffizienz, auf das schon Paul Samuelson im Jahr 1998 hinwies („Summing Up on Business Cycles“). Dem- nach wird der absolute Wert des Aktien- marktes als Ganzes nicht richtig erfasst – und das obwohl der Markt auf kurze Sicht beeindruckend vorhersageeffizient (Einprei- sen von News) sowie mikroeffizient (relati- ve Bewertungen von Aktien) ist. Das Smart Money schafft es aber nicht, auf der Makro- ebene eine dauerhafte Elastizität bereitzu- stellen. Als Ursache dafür nennen die Auto- ren neben zu engen Mandaten und dem zunehmenden Anteil passiver Anleger noch weitere mögliche Erklärungen. Eine Varian- te ist, dass Fonds, die Value-at-Risk-Be- schränkungen unterliegen, in schlechten und volatilen Zeiten verkaufen müssen. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass sich trotz Preisschwankungen die subjektive Wahrnehmung der Aktienrisikoprämie und damit die Nachfrage nur wenig ändert – etwa dann, wenn ein Nachfrageschock sehr hartnäckig ist. Moderner „Insiderhandel“ Als potenziell problematisch ist ange- sichts der Studie die Praxis des Orderflow- Verkaufs einzuschätzen. Wenn den Kapital- flüssen eine derart hohe Bedeutung zu- kommt, könnte die Kenntnis eines signifi- kanten Teils davon eine Art des modernen Insiderhandels darstellen. Das wäre auch eine gute Erklärung dafür, warum Hoch- frequenzhändler überhaupt bereit sind, fort- laufend für die vermittelten Flows zu zah- len. Kombiniert mit weiteren Daten und unter Einsatz hoch entwickelter Machine- Learning-Algorithmen lassen sich hier sicherlich Muster identifizieren und syste- matische Effekte ausnutzen. Wenn die Auf- sichtsbehörden verstehen, welche Bedeu- tung die Flows und das Verhalten der Marktteilnehmer haben, könnten sich aber auch hier die Spielregeln ändern. Interessant sind auch die möglichen Folgen eines Wechselspiels von Zu- und Abflüssen. Da die Kapitalflusseffekte symmetrisch sind, könnte es zu einem Boom-and-Bust-Muster an den Märkten kommen – vergleichbar damit, wie es bereits Corey Hoffstein von Newfound Research in seinem Paper „Liquidity Cascades“ beschrieb. Entscheidend ist laut Gabaix und Koijen letztlich, die bestimmenden Faktoren zu finden, die ursächlich für die Kapital- fluss-Schocks sind. Erste Analysen dazu führen sie bereits selbst durch, indem sie Kapitalströme mit makroökonomischen Va- riablen und Sentiment-Maßen verknüpfen, sie lassen das Thema jedoch insgesamt of- fen für künftige Forschungen. Es ist also zu erwarten, dass es hierzu bald weitere Erkenntnisse geben wird. Bereits jetzt nen- nen die Autoren aber einige Kandidaten für mögliche Einflussfaktoren: n veränderte Erwartungen über künftige Kapitalströme oder Fundamentaldaten n Neigung des durchschnittlichen Anlegers zum Aktienkauf (beeinflusst durch hete- rogene Einkommens- oder Vermögens- schocks einzelner Anlegergruppen) n Schocks bei konkurrierenden Assets (bei- spielsweise fallende Anleihenrenditen, die Umschichtungen zugunsten von Aktien auslösen) n Liquiditätsbedarf (etwa bei Versicherun- gen nach einem Hurrikan) n Aufrechterhalten von Delta-Hedging bei fallenden Kursen Abschließend betonen die Autoren, dass ihre Inelastic Markets Hypothesis zunächst genau das bleibt: eine Hypothese. Das Modell sowie die empirische Analyse stüt- zen sich auf eine neue Methodik und auf in diesem Zusammenhang relativ unerforschte Daten. Festzuhalten bleibt aber insgesamt, dass die Makroelastizität einen entscheiden- den Schlüsselparameter für die Preisbildung am Aktienmarkt darstellt. DR. MARKO GRÄNITZ » Wir schätzen den Multiplikator auf 5. Der Median unserer Vorabumfrage war dagegen M=0. « Ralph S. J. Koijen, AQR Capital Management Professor of Finance, University of Chicago Booth School of Business N o. 3/2021 | www.institutional-money.com 155 T H E O R I E & P R A X I S | UNE L A S T I S CHE MÄRK T E

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