Institutional Money, Ausgabe 3 | 2021

schätzen die Autoren die Veränderungen der Bestände auf Basis von Flow-of-Funds- und 13F-Daten. Außerdem werden Morningstar- Daten zum verwalteten Vermögen sowie zu Aktienquoten und Flows klassischer Fonds beziehungsweise ETFs sowie Daten des Center for Retirement Research zu Staats- und Pensionsfonds verwendet. Je nach Ver- fügbarkeit beginnen die Zeitreihen zwi- schen 1993 und 2002. Anschließend nutzen die Autoren die nach Größe gewichtete Summe der Schocks, um Auswirkungen auf die Kurse und die Nachfrage anderer Investoren zu unter- suchen. Dabei lässt sich die Volatilität der Aktienrenditen zu den verschiedenen Kate- gorien von Anlegern zurückverfolgen. Auf diese Weise wird die Sensitivität der Kurse auf Nachfrageschocks (also der Multiplika- tor) und die Nachfrageelastizität der einzel- nen Institutionen geschätzt. Die Ergebnisse sind über alle Spezifikationen und verschie- dene Robustheitstests hinweg weitgehend einheitlich und weisen Multiplikatoren zwi- schen drei und acht auf. Die Forscher schreiben, dass sie mit ihrem Modell umfangreiche Konstellationen abbil- den können. Haben Anleger verschiedene Elastizitäten, ergibt sich die Gesamtmarkt- elastizität aus den gewichteten Aktienquoten der Marktteilnehmer. Außerdem lässt sich das Modell auf einen unendlichen Horizont ausdehnen, indem der heutige Kurs durch die bisherigen kumulierten Zuflüsse und den Gegenwartswert der künftig erwarteten Zuflüsse bestimmt wird, geteilt durch die Marktelastizität. Ein interessanter Aspekt des Modells ist, dass Preisveränderungen nicht ausschließlich über aggregierte Flows beziehungsweise Nachfrage- schocks erklärt werden müssen. Es ist wie beim klassischen Verständnis auch möglich, dass Kursveränderun- gen aus Nachrichten oder fundamen- talen Daten resultieren, ohne dass dafür andere Effekte bemüht werden müssen. Wer schafft Elastizität? Insgesamt lassen die Untersuchun- gen auf eine recht lang anhaltende Preiswirkung der Kapitalströme schließen. Die Autoren betonen aber, dass das nicht mit dem tatsächlichen Informationsgehalt der Flows zu- sammenhängen muss. Allein die dauerhafte Verschiebung der Aktiennachfrage kann zur ebenso dauerhaften Verschiebung des Gleichgewichtspreises führen, was der Effi- zienzmarkttheorie widerspricht. Eine Erklärung für die sehr niedrige Elastizität ist, dass viele Institutionen enge Mandate haben, was die Autoren empirisch bestätigen. Deshalb ist es weitaus schwieri- ger als oft vermutet, überhaupt Marktteil- nehmer zu finden, die in nennenswerter Größe als Makro-Arbitrageure auftreten. Die oft genannten Hedgefonds halten insge- samt weniger als fünf Prozent des Aktien- marktes. Erfahrungsgemäß werden sie bei spezifischen Anomalien einzelner Titel aktiv, nehmen aber von direktionalen Posi- tionierungen am Gesamtmarkt eher Abstand und neigen sogar umgekehrt dazu, ihre Aktienquoten in schlechten Zeiten prozy- klisch zu reduzieren. Auch die eingangs in der Umfrage genannten Broker-Dealer sind insgesamt sehr klein und halten weniger als 0,5 Pro- zent des Aktienmarktes direkt. Sie scheinen zwar für die Mikroelastizität wichtig zu sein, können jedoch über längere Zeit keine großen Flows in Aktien hinein oder aus Aktien heraus absorbieren. Es stellt sich die Frage, wer an den Märkten überhaupt noch Elastizität schafft. Den Autoren zufol- ge sind hier die Haushalte und die Rebalan- cing-Transaktionen großer Institutionen zu nennen. Die Konsequenz ist offensichtlich: Da- durch, dass es keine große Gruppe gibt, die dauerhaft für Elastizität sorgt, ist diese Eigenschaft am Markt nur schwach ausge- prägt. Erschwerend kommt hinzu, dass auch der Transfer von Aktienrisiken zwischen Marktsegmenten wie Fonds, Pensionskas- sen und Versicherungen sowie Privatanle- gern gering ist. Deshalb könnten diese Anlegergruppen ähnliche Nachfrageschocks erleben, die dann nicht anderweitig absor- biert werden und entsprechend deutlich auf die Kurse durchschlagen. Neue Fragestellungen Die Autoren bezeichnen die bisherige Sichtweise auf die Preisbildung an den Märkten als „dunkle Materie“ mit kaum messbaren latenten Kräften. Durch die neue Perspektive der Inelastic Markets Hypo- thesis wird das Ganze greifbarer, da spezi- fische Einflussfaktoren auf Flows und Nachfrageschocks einzelner Anlegergrup- pen untersucht werden können. Indem anschließend das Verhalten dieser Akteure näher betrachtet wird, lassen sich deren Nachfragekurven ableiten und Rückschlüs- se auf die Kursbildung ziehen. Auf diese Weise sind praxisrelevante Erkenntnisse darüber möglich, wie der Markt Informa- tionen einpreist, statt diesen Prozess einfach als gegeben anzunehmen. Die Autoren schreiben, dass sich die ge- ringe Elastizität auf angrenzende Fragen auswirkt, die bisher anders beantwortet wurden. So unterliegen etwa Aktienprogramme von Staaten oder Notenbanken ebenfalls einem hohen Multiplikator und könnten als alternatives oder zusätzliches In- strument im Rahmen quantitativer Lockerungen infrage kommen. Als Beispiel wird Hongkong im August 1998 genannt: Damals kaufte die Regierung einen Anteil von sechs Prozent des dortigen Aktienmarktes und verursachte eine Überrendite von 24 Prozent, die in den folgenden acht Wochen nicht wieder korrigiert wurde. Ähnliche Effekte könnten die Aktienkäufe durch die Bank of Japan haben, wofür der Studie nach aber keine quantitativen Daten zur Makroelastizität vorliegen. Ein weiteres Thema sind Aktien- rückkäufe, die einen nennenswerten Klarer Zusammenhang Korrelation zwischen Flows und Aktienrenditen Die Grafik zeigt den Zusammenhang der aggregierten Flows mit den Renditen des Aktienmarktes. Die Autoren weisen aber darauf hin, dass es sich nur um Korrelationen handelt, und denkbar ist, dass dies Positive Feed- back Trading der Anleger widerspiegelt. Zeitraum: 1993 bis 2018. Quelle: Gabaix, X. / Koijen, R. S. J. (2021), In Search of the Origins of Financial Fluctuations: The Inelastic Markets Hypothesis, S. 31 Marktrendite Aggregierter Kapitalfluss (Anteil der aggregierten Marktkapitalisierung) -20 % -10 % 0 % 10 % 20 % -0,5 % 0 % 0,5 % 1 % FOTO: © AQR CAPITAL MANAGEMENT 154 N o. 3/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | UNE L A S T I S CHE MÄRK T E

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