Institutional Money, Ausgabe 3 | 2021

W enn es nach der klassi- schen Effizienzmarkt- theorie geht, spielt die Preiselastizität der Märk- te keine Rolle – sie wird einfach als gege- ben angenommen. Demnach bewegen sich die Kurse nicht, wenn verschiedene Akteure miteinander handeln, sondern nur dann, wenn es neue Informationen gibt, die einzupreisen sind. In der realen Welt gibt es allerdings ein „kleines“ Problem: Die Transaktio- nen kommen durch Angebot und Nach- frage zustande, und insbesondere deren relatives Kräfteverhältnis hat durchaus Einfluss auf die Kursbildung. In der Praxis weiß man schon lange um diese Bedeutung der Kapitalströme. Wenn Mil- liarden neuer Gelder in die Märkte fließen, kann das nicht ohne Auswirkungen auf die Preise passieren, so die naheliegende Ver- mutung. Ein gutes Beispiel dafür zeigte die Studie „The Equity Market Implications of the Re- tail Investment Boom“ (Institutional Money 02/2021, Seite 120). Darin wurde unter- sucht, wie sich der Ansturm von Privatan- legern auf den US-Aktienmarkt auswirkte. Das Ergebnis: Die Nachfrageschocks der Robinhood-Trader hatten einen deutlichen Preiseffekt, obwohl diese Gruppe nur einen kleinen Teil der Märkte ausmachte. Inter- essant war dabei auch, dass institutionelle Anleger, die rund 65 Prozent des US-Ak- tienmarktes halten, eine sehr niedrige Preis- elastizität aufweisen. Als Ursache dafür vermuten die Autoren, dass große Teile davon passiv investiert sind, was die Märkte insgesamt unelastisch macht. Doch auch schon deutlich früher, in der 2011 veröffentlichten Studie „Market Liqui- dity and Flow-driven Risk“, wurde die hohe Relevanz der Flows nachgewiesen. Anhand von Hochfrequenz-Flow-Daten für S&P- 500-Futures wurde gezeigt, dass etwa die Hälfte der Preisschwankungen auf Schocks im Kapitalfluss zurückgeführt werden konn- ten und die entsprechenden Auswirkungen zudem dauerhaft waren. Unter der Annah- me, dass Termin- und Kassamärkte stark korrelieren, lässt sich daraus ableiten, dass Flows einen großen Teil der Marktschwan- kungen erklären können. Ein aktuelles Paper von Xavier Gabaix und Ralph S. J. Koijen erweitert die For- schung zu diesem Thema deutlich, indem es das Gerüst für einen neuen Ansatz liefert: die Inelastic Markets Hypothesis. Bei Annahme effizienter Märkte sollten die Aktienkurse im einfachsten Fall dem Bar- wert der künftigen Dividenden entsprechen, sodass Mittelzuflüsse per se keine Auswir- kungen haben dürften. Gabaix und Koijen zeigen jedoch das Gegenteil: Demnach füh- ren Zuflüsse in den Aktienmarkt zu einem Eine neue Studie kommt zu dem Schluss, dass der Aktienmarkt als Ganzes erstaunlich preisunelastisch ist. Das bedeutet, dass Zu- und Abflüsse in den und aus dem Markt erheblichen Einfluss auf die Kurse haben und ihn makroineffizient machen können. Aktienbesitz 1993 vs. 2018 Verlagerung von Haushalten zu Institutionen Unter „Haushalten“ sind in den Flow-of-Funds-Daten auch Anlegergruppen wie Hedgefonds und Stiftungen beinhaltet. Sowohl Hedgefonds als auch Broker-Dealer halten jedoch nur geringe Teile des Aktienmarktes. Während sie für die Mikroelastizität eine wichtige Rolle spielen, scheinen sie kaum in der Lage zu sein, starke Kapitalflüsse über längere Zeit zu absorbieren und damit eine hohe Makroelastizität zu erzeugen. Quelle: Gabaix, X. / Koijen, R. S. J. (2021), In Search of the Origins of Financial Fluctuations: The Inelastic Markets Hypothesis, S. 8 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 2018 1993 Anteil am Aktienbesitz Staatliche und lokale Behörden Haushalte Broker- Dealer Klassische Fonds Banken Ausland Geschlossene Fonds Staatliche und lokale Pensionsfonds Private Pensions- fonds Lebens- versicherer Sach- und Unfall- versicherer Pensions- fonds der Regierung ETFs » Die Überraschung ist, wie groß die Effekte ausfallen. « Xavier Gabaix, Pershing Square Professor of Economics and Finance, Harvard University Vom Flow getrieben 152 N o. 3/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | UNE L A S T I S CHE MÄRK T E FOTO: © HARVARD UNIVERSITY, SIMON | STOCK.ADOBE.COM

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