Institutional Money, Ausgabe 3 | 2021

E ines vorweg: Dass man selbst in Industrieländern des 21. Jahrhunderts darüber reden muss, warum es immer noch keine vollkommene Gleichberechtigung der Geschlechter gibt, darf zumindest als be- trüblich bezeichnet werden. Und ein ver- söhnliches Ende scheint vorerst auch nicht in Sicht zu sein. Denn laut dem Gender Pay Gap Report des World Economic Forum vom März 2021 würde es – so man das ver- gangene Tempo der Anpassungen gleich- bleibend fortführt – noch 99,5 Jahre dauern, bis Männer und Frauen durchschnittlich dasselbe verdienen. Besonders groß ist der „Gender Pay Gap“ in der Finanzbranche, zeigt eine Auswertung der Personalberatung Willis Towers Watson (WTW) aus dem Jahr 2020: Dort beträgt der Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern ganze 28 Pro- zent, im Durchschnitt sind es 21 Prozent. Die verständliche Emotionalität in der Debatte führt jedoch mitunter zu Übertrei- bungen in der Argumentation. Ähnlich wie beim ESG-Diskurs wird dabei gern in den Raum gestellt, dass Unternehmen, die die Gleichberechtigung in den Betrieben – und hier vor allem in den Chefetagen – vorantreiben, er- folgreicher und profitabler sind. Stellt sich die Frage, warum das so sein sollte. Wenn man davon aus- geht, dass Männer und Frauen über das gleiche Potenzial verfügen, dürf- te es eigentlich keinen Unterschied in der Performance geben – egal ob ein Team zu 100 Prozent aus Frauen, zu 100 Prozent aus Männern oder eben zu – den anzustrebenden – jeweils 50 Prozent aus Männern und Frauen besteht. Tatsächlich scheint eine Beweis- führung, wonach das Gendern in Unternehmen ökonomisch Vorteile bringt, schwierig. Ein Beispiel stellt der McKinsey & Company Report „Diver- sity wins – How inclusion matters“, dar. Die Autoren Vivan Hunt, Sara Prince, Sundiatu Dixon-Fyle und Kevin Dolan stellen darin die Behauptung auf, dass es „einen immer klareren Zusammenhang zwischen Gender Diversity im Aufsichtsrat und der Profitabi- lität eines Unternehmens gibt“. Als Beleg führen sie eine Auswertung von weltweit 1.039 Unternehmen an, die entsprechende Gender-Daten ausweisen. Das Resultat: Unternehmen, die in Sachen Gender Diver- sity im obersten Quartil liegen, haben eine 55-prozentige Chance, eine höhere Ebit- Marge auszuweisen als der Durchschnitt. Bei Unternehmen im vierten und somit schlechtesten Quartil lag diese Chance bei 44 Prozent. Wie sich die Unternehmen in den Quartilen dazwischen schlagen, bleibt unbeantwortet. Offen bleibt auch die Frage, wie weit die Outperformance reicht. Was, wenn das schlechteste Quartil zwar schlech- tere Chancen auf eine höhere Profitabilität hat, dafür aber im Fall der Fälle eine weit überdurchschnittliche Leistung erbringt? Ähnliche Zweifel dürften auch Andreas Andrikopoulos von der University of Aegean und seine Mitautoren der Studie „Does Boardroom Gender Diversity Affect Shareholder Wealth?“ geplagt haben. Um der im Arbeitstitel gestellten Frage nachzugehen, haben sie sich ein sehr spezifisches, hochriskantes Geschäftsfeld als Hintergrund der Analyse ausgewählt: Mergers & Acquisitions (M&A), also Übernah- men und Fusionen, im US-Banken- sektor. Analysiert wurden die außer- ordentlichen Erträge von 1.130 über- nehmenden Banken von 2003 bis 2018. Die Datenfelder wurden au- ßerdem in die Zeitspannen vor, wäh- rend und nach der Übernahme- ankündigung unterteilt. Verglichen wurden weiters die Zeiträume wäh- rend und nach der Finanzkrise. Eine erste Momentaufnahme der Studie bestätigt den bereits geäußer- Verstärkte Initiativen zur Gleichberechtigung sind längst ein Gebot der Stunde. Unrealistische Erwartungen an die Erträge von Gender-Equality-Initiativen könnten aber kontraproduktiv wirken. Zu wenig Dynamik Weibliche Besetzung von Verwaltungsräten bei US-Banken Der Anteil von Frauen in Verwaltungsräten von US-Banken ist nach wie vor erschreckend gering. Der Prozentsatz von Banken ohne weibliche Direktoren ist seit 2010 sogar gestiegen. Quelle: Studie 0 % 5 % 10 % 15 % 20 % 25 % 30 % 35 % 40 % 45 % 2018 I I 2015 I I I I 2010 I I I I 2005 I 2003 0 % 2 % 4 % 6 % 8 % 10 % 12 % 14 % Prozent an Frauen in Verwaltungsräten Prozent an Banken ohne Frauen im Verwaltungsrat » Es gibt einen immer klareren Zusammenhang zwischen Gender Diversity im Verwaltungsrat und der Profitabilität eines Unternehmens. « Dixon-Fyle, Hunt, Dolan & Prince, Studienautoren von „Diversity wins“, McKinsey Zu hohe Erwartungen? 118 N o. 3/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | GENDE R D I VE R S I T Y FOTO: © MELITA | STOCK.ADOBE.COM

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