Institutional Money, Ausgabe 3 | 2021

sich zunehmend auf die Rentenseite aus. Die Befragten betonten die Schwierigkeit, das ganze Jahr über Gespräche mit Anlei- henemittenten zu führen. Bemerkenswert ist jedoch, dass es jetzt eine Entwicklung von grünen zu nachhaltigen Anleihen gibt und weiter zu nachhaltigkeitsgebundenen Anlei- hen. Letztere nehmen Kuponanpassungen vor, wenn der Emittent bis zu einem be- stimmten Datum die vordefinierten Nach- haltigkeitsziele nicht erreicht. Obwohl sie mit einem niedrigen Kupon ausgestattet sind, wird erwartet, dass sie von der Kurs- entwicklung profitieren werden, wenn sie in die Anleihenkaufprogramme der Zentral- banken aufgenommen werden. Das relative Gewicht gesellschaftlicher Ziele – und damit auch des S-Faktors – soll mit dem Übergang der Investoren zum Impact Investing zunehmen, bei dem es im Wesentlichen um die Erzielung messbarer finanzieller und gesellschaftlicher Ergebnis- se geht. Die Überarbeitung der Richtlinie über die nichtfinanzielle Berichterstattung durch die EU ist ein wichtiger Schritt zur Konsolidierung, und die erwartete Taxono- mie für den S-Faktor durch die EU wird zur Konkretisierung des von vielen noch als zu schwammig betrachteten Faktors beitragen. Programmierte Nettozuflüsse Während des Marktcrashs im März 2020 haben 82 Prozent der ESG-Indizes in extre- men Stressphasen weniger Rückgänge ge- zeigt als ihre jeweiligen Nicht-ESG-Mutter- indizes, und 81 Prozent der ESG-Indizes haben ihre Nicht-ESG-Indizes seit dem Ausverkauf im März 2020 laut DWS-Schät- zungen outperformt. Ihre Widerstandsfähig- keit hat weiterhin Nettomittelzuflüsse ange- zogen. Auf die Frage, wie sich der Anteil der passiven Fonds mit Schwerpunkt Sozia- les an ihrem Gesamtportfolio in den nächs- ten drei Jahren verändern wird, erwarten 66 Prozent der Befragten, dass er sich erhöhen wird, 32 Prozent erwarten, dass er gleich bleibt und zwei Prozent erwarten einen Rückgang. Vor der Krise wurden die Neu- zuflüsse von vielen lediglich als Momentum in einem seit zehn Jahren andauernden Bullenmarkt betrachtet. Es wurde ange- nommen, dass die Lebensfähigkeit der drei ESG-Säulen am besten nicht an den Zuflüs- sen in Zeiten steigender Märkte, sondern an ihrer Widerstandsfähigkeit, wenn die unver- meidliche Korrektur kommt, getestet wird. Da ESG-Investitionen den Härtetest bestan- den haben, hat sich die Aufmerksamkeit darauf gerichtet, ob die ESG-Säulen Risiko- faktoren sind, die zu den traditionellen Fak- toren wie Value, Qualität, Größe und gerin- ge Varianz hinzukommen. Zwei Denkschulen Diese waren eindeutig unter den Befrag- ten zu erkennen: hier die „Gläubigen“ und dort die „Pragmatiker“. Die überwiegend in Europa ansässigen „Gläubigen“ sind der Meinung, dass Märkte in ihrer Region all- mählich ESG-Risiken selektiv einpreisen und mehr Gewicht auf die E- und G-Säulen als auf die S-Säule legen werden. Große europäische Länder wie Frankreich, Deutschland, Italien und das Vereinigte Kö- nigreich haben den Daten der OECD zufol- ge auch die größten Fortschritte bei der Umsetzung erreicht. Die „Pragmatiker“ hin- gegen argumentieren, dass ESG ein Risiko- faktor ist. Covid-19 hat sozioökonomische Ungleichheiten aufgedeckt. Daher behan- deln die Pragmatiker die ESG-Investitionen als eine Möglichkeit, Informationsineffi- zienzen zu nutzen, während die Märkte die inhärenten Risiken nur langsam einpreisen. Die unmittelbare Frage für beide Denk- schulen ist, wie viel Tracking Error sie zu tolerieren bereit sind, wenn sie über passive Fonds in die S-Säule investieren. Der Tracking Error misst bekanntlich die Höhe des aktiven Risikos, das jeder Fonds gegen- über seinem Stammindex eingeht. Es liegt in der Natur der Sache, dass es einen Ziel- konflikt zwischen einem hohen Engage- ment in der S-Säule und einem geringen Tracking Error gibt. Einerseits erwarten die Befragten gute risikobereinigte langfristige Renditen von ihren passiven Fonds, die die Säule S abdecken, sie sind andererseits aber nicht bereit, große Abweichungen vom Stammindex, der als Benchmark verwendet wird, hinzunehmen. 40 Prozent von ihnen würden es vorziehen, wenn ihr Tracking Error unter einem Prozent läge. Am oberen Ende sind nur 22 Prozent bereit, einen Tracking Error von über zwei Prozent zu tolerieren, der wohl mit einem stärker kon- zentrierten Portfolio einhergeht (siehe Gra- fik „Wenig Tracking Error zugebilligt“) . Schlussbemerkungen Von den befragten Pensionsfonds nannten 59 Prozent Covid-19 als Schlüsselfaktor für ihr gestiegenes Interesse am S-Faktor in ESG, weil sich dieser direkt auf den Unter- nehmenserfolg niederschlagen kann. Eine noch größere Anzahl, nämlich 66 Prozent, betrachtet Mitarbeiter als diejenige Kompo- nente der S-Säule, die den größten Einfluss auf die Erfolgskennzahlen hat (siehe Grafik „Einfluss der Stakeholder-Gruppen“) . Der zuvor vom Management umworbene Aktio- när landete in dieser Umfrage erst an vierter Stelle. Dies ist ein klares Zeichen dafür, dass das Primat der Aktionäre auf Kosten eines stakeholderzentrierten Kapitalismus heute zurückgedrängt wird, während es in den letzten Jahrzehnten noch Doktrin war. Wer sich nun schon auf den Untergang des Kapitalismus zugunsten einer neuen Form des Sozialismus durch die Hintertür gefreut hat, macht die Rechnung wahrscheinlich ohne den Wirt, zumindest in den angelsäch- sischen Ländern: Denn wenn sich das Top- management dort vor die Wahl gestellt sieht, entweder Löhne zu erhöhen oder Aktienrückkäufe aufzustocken, würde es sich wohl nach wie vor für Letzteres ent- scheiden. DR. KURT BECKER Einfluss der Stakeholder-Gruppen Welche Gruppe hat den größten Einfluss auf den Unternehmenserfolg? Es sind die Mitarbeiter, denen Pensionsfonds den größten Einfluss auf die Erfolgskennzahlen eines Unternehmens zubilligen. Der Einfluss der Aktionäre auf den Firmenerfolg wird sogar geringer eingestuft als jener von Lieferanten und den Kommunen. Quelle: DWS Keine Aktionäre Lieferanten Örtliche Gemeinde/Kommune Mitarbeiter % der Befragten 8 % 28 % 31 % 41 % 66 % 110 N o. 3/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | E SG – SOZ I A L E A S P E K T E

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