Institutional Money, Ausgabe 3 | 2021

Auch sind Regierungen und Aufsichts- behörden für die Altersvorsorge nun darauf bedacht, sicherzustellen, dass die treuhände- rische Rolle von Pensionsplänen die Nach- haltigkeitsagenda miteinbezieht. Covid-19 hat tiefgreifende und schmerzhafte Aus- wirkungen auf die Gesellschaft und die all- gemeinen Annahmen über die Art und Wei- se, wie wir leben, erschüttert. Die Gig-Eco- nomy – die keine Leistungen für Arbeitneh- mer wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Gesundheitsversorgung und Altersvorsorge vorsieht – ist ein Beispiel dafür, wie sozial unerwünschte Praktiken einen Mantel der Legitimität erhalten haben und den seit Langem bestehenden Gesellschaftsvertrag untergraben. Sozialismus durch die Hintertür? Fast die Hälfte der Befragten sieht im politischen Einfluss ein wichtiges Motiv für ihre Zuweisungen zu Anlagen in die S-Säu- le. Viele hegen Zweifel an dem entstehen- den Stakeholder-Modell und setzen es mit schleichendem Sozialismus gleich – mit einem übermächtigen Staat, der seine Mus- keln in verschiedenen Bereichen des Ge- schäftsgebarens spielen lässt. Aktuell sieht es so aus, als hätten die Kapitalsammel- becken kaum eine andere Wahl, als mit dem Strom zu schwimmen. Es scheint für den vorherrschenden Zeitgeist der einzig gang- bare Weg zu sein, damit der Kapitalismus für alle und nicht nur für einige wenige funktioniert und soziale Spannungen hintan- gehalten werden. Aufholprozess Fest steht, dass die S-Säule allmählich eine eigene Identität erhält. Fragt man die Pensionsfonds, welchen der drei ESG- Faktoren sie für den wichtigsten halten, so sehen 58 Prozent den Umweltfaktor als den bedeutendsten, gefolgt von der Governance mit 31 Prozent. Auf dem dritten Patz und damit ziemlich abgeschlagen befindet sich der soziale Faktor mit nur elf Prozent. In der Vergangenheit wurde von Firmen wie Regulatoren Umweltfaktoren der Vorrang gegeben. Emittenten haben daher systema- tische Berichterstattungsprozesse zu The- men wie Kohlenstoffemissionen, Reserven an fossilen Brennstoffen und die Nutzung sauberer Energie aufgebaut. Auf der ande- ren Seite haben nur wenige entsprechende Standards für die Berichterstattung in sozia- len Fragen etabliert. Erschwerend kommt hinzu, dass die bestehenden Vorschriften von Region zu Region unterschiedlich sind. So werden unterschiedliche Standards für freiwillige ESG-Offenlegungen verwendet – vom Sustainability Accounting Standards Board bis hin zur Global Reporting Initia- tive, zum Carbon Disclosure Project und zum UN Global Compact – alle mit unter- schiedlichen Bedürfnissen und Prinzipien rund um das Verständnis dessen, wie die Standards aussehen sollten. Vor allem die qualitativen Aspekte der sozialen Säule – wie Gesundheit, Wohlfahrt und Bildung – werden als positive externe Effekte betrach- tet, die beobachtbar, aber nicht messbar sind. Als solche sind sie öffentliche Güter, die in den Verantwortungsbereich der Re- gierung und nicht der Kapitalmärkte fallen. Die S-Säule wird derzeit über breite ESG-Indizes abgebildet. Die Nutzung ent- sprechender sozialer Themenindexfonds ist derzeit auf nur 14 Prozent der Befragten beschränkt. Diese Zahl soll sich in den nächsten drei Jahren allerdings fast verdop- peln (siehe Diagramm „Abbildung des S- Faktor in passiven Portfolios“) . Auch die Nutzung von Indizes für Social Bonds ist heute noch gering und liegt bei sechs Pro- zent, wird aber in den nächsten drei Jahren auf 28 Prozent steigen. Diese Bonds bieten einen wirksamen Mechanismus für die Finanzierung sozialer Projekte und gleich- zeitig eine geeignete Plattform, um mit Emittenten in Kontakt zu treten und ihre Aktivitäten im Bereich sozial wirksamer Maßnahmen zu diskutieren. Die Verwendung selektiver S-Indizes ist aufgrund des Mangels an geeigneten Indi- zes derzeit schwer möglich. Das Angebot wird aber in den nächsten drei Jahren deut- lich zunehmen. Derzeit decken von zehn thematischen Nachhaltigkeitsindizes auf dem Markt nur zwei die Säule S ab, sodass die Investoren gezwungen sind, sich mit dem zu begnügen, was verfügbar ist. Mo- mentan nutzen viele Investoren breitere ESG-Indizes, um ihre sozialen Ziele zu er- reichen. Die Interdependenz zwischen den Faktoren E, S und G sowie das Fehlen kla- rer sozialer Benchmarks sind die drän- gendsten Probleme der Investitionswilligen. Was auf der Aktienseite begann, weitet Abbildung des S-Faktors in passiven Portfolios In welchen Produkten der S-Faktor heute und in drei Jahren zu finden ist Soziale Themenindexfonds werden sich verdoppeln, Investments in Social Bonds auf Dreijahressicht wohl mehr als vervierfachen. SDG-Indizes, so sie einmal breiter vorhanden sind, werden am meisten nachgefragt werden. Quelle: CREATE-Research Survey 2021 Soziale Themen- indexfonds Smart-Beta- Fonds (Basis: S-Faktor) Breitere ESG- Indizes SDG-Indizes (Sustainable Development Goals) Social-Bond- Indizes 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 3 % 8 % 6 % 14 % 26 % 46 % 49 % 29 % 52 % 28 % Gegenwärtig In drei Jahren Wenig Tracking Error zugebilligt Fonds mit sozialem Schwerpunkt sollen einen geringen Tracking Error aufweisen. 40 Prozent der Pensionsfonds würden es vorziehen, wenn ihr Tracking Error unter einem Prozent läge, acht Prozent wollen gar kein aktives Risiko zum Stammindex in Kauf nehmen. Quelle: CREATE-Research Survey 2021 40 % 16 % 30 % 6 % 8 % Prozent der Befragten 0 % 0,1–0,9 % ≥ 3 % 1–1,9 % 2–2,9 % N o. 3/2021 | www.institutional-money.com 109 T H E O R I E & P R A X I S | E SG – SOZ I A L E A S P E K T E

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