Institutional Money, Ausgabe 3 | 2021

Jahres der Pandemie hat sich die ESG- Diskussion über Risiko- und Ertragszu- sammenhänge zu einer grundlegenderen Frage hin entwickelt: Welche Rolle neh- men Unternehmen bei der Schaffung einer gerechteren und nachhaltigen Ge- sellschaft ein, jetzt wo der heutige Kapi- talismus vor seiner größten Herausfor- derung seit Menschengedenken steht? Infolgedessen wirft die von DWS finanzierte und von CREATE-Research durchgeführte diesjährige Pensions- fondsstudie ein Licht darauf, wie Pen- sionspläne weltweit auf diesen Wandel reagieren. Die letzten beiden jährlichen DWS-CREATE-Umfragen zeigten die gleichzeitig stattfindenden grundlegenden Trends, die den Aufstieg von ESG-Investi- tionen und passiven Fonds durch die Säulen „G“ und „E“ abdeckten. Die diesjährige Umfrage stellt eine logische Erweiterung dar, indem sie sich auf die Säule „S“ kon- zentriert. Sie bezieht sich darauf, wie ein Unternehmen die Beziehungen mit den fünf Stakeholder-Gruppen, die für die finanzielle Leistung des Unternehmens besonders ent- scheidend sind, gestaltet. Mit der Umfrage sollen vier Fragen be- antwortet werden: n Akzeptanz: Wie ist der aktuelle Stand der Akzeptanz von sozial orientierten passi- ven Fonds in den Portfolios von Pen- sionsfonds? n Abdeckung: Welche Anlageklassen und Instrumente werden für den Zugang zu diesen Fonds genutzt? n Ergebnisse: Wie haben sie sich seit der der großen Marktverwerfung im März 2020 entwickelt? n Künftiges Wachstum: Wie sind die Aus- sichten in der Welt nach der Pandemie? An der Umfrage beteiligten sich 142 Pen- sionsfonds in 17 Ländern mit aggregierten Assets under Management von 2,1 Billionen Euro (siehe Grafik „Dickschiffe im Inter- view“) . 40 von ihnen waren auch im Anschluss an die Umfrage zu vertiefenden Interviews bereit, um noch tiefere Einblicke zu geben und Motivationen zu erforschen. Wichtigste Ergebnisse Dass die Pandemie den tektonischen Wandel hin zu ESG-Investitionen beschleu- nigt hat, steht außer Zweifel; auch dass sie das Interesse an der S-Säule geweckt hat, die sich allmählich in der Allokation von Rentenportfolios niederschlägt. Während 65 Prozent der Befragten bereits ein ausdiffe- » Der Aufstieg des Populismus war ein Weckruf für offensichtliche Mängel des vorherrschenden Kapitalismusmodells. « Prof. Amin Rajan, CEO von CREATE-Research Fallstudie eines niederländischen Pensionsfonds Wie Covid-19 dazu beiträgt, die soziale Dimension neu zu bewerten. D ie demografische Alterung hat den niederländischen Pensionsfonds in einen negativen Cashflow-Status gezwungen, was ihn einem Renditerisiko aussetzt. Es geht um die Länge auf dem Zeitstrahl, die das Portfolio braucht, um sich nach einem großen Drawdown wie- der vollständig zu erholen. Bei ESG-Inves- titionen unterteilt der Pensionsfonds daher die Risiken im Zusammenhang mit den Unternehmen, die hier ihre Altersvorsorge investieren, in zwei Arten: Ereignisrisiken und Erosionsrisiken. Ereignisrisiken und Erosionsrisiken Erstere werden durch kurzfristige Ereig- nisse verursacht – wie Governance-Fehl- verhalten, Arbeitskonflikte, Steuerbetrug –, die unmittelbare Auswirkungen auf den Aktienkurs haben können. Ein aktuelles Beispiel ist der plötzliche Zusammenbruch von Wirecard in Deutschland, als der Betrug aufgedeckt wurde. Die Erosionsrisiken hingegen können den Marktwert über einen längeren Zeit- raum verringern, da sie sich allmählich und kontinuierlich manifestieren. Der Kli- mawandel ist ein gutes Beispiel dafür. Soziale Faktoren sind wiederum beiden Risikotypen ausgesetzt. Schlechte Arbeits- beziehungen können die kurzfristige Ren- tabilität durch Arbeitskonflikte und lang- fristig die Wettbewerbsfähigkeit durch niedrige Produktivität verringern. Bislang hat das Pensionsfondsmanage- ment den Schwerpunkt eher auf den Governance-Teil von ESG gelegt und den G-Faktor durch Engagement unterstützt. Für den Pensionsfonds bildet eine gute Unternehmensführung die Grundlage für strenge Umwelt- und Sozialstandards, die für das Tagesgeschäft eines Unternehmens – und wie es mit der Gesellschaft inter- agiert – wichtig sind. Umdenken Covid-19 hat jedoch ein Umdenken hinsichtlich des Eventrisikos, das mit dem sozialen Faktor verbunden ist, bewirkt. Die Präsenz der sogenannten Gig-Economy – also das Zuziehen von Freelancern bei Bedarf ohne jede soziale Absicherung – zeigt, wie kreativ man bei der Erfindung fantasievoller Bezeichnungen sein kann, um Quellen der strukturellen Instabilität und Unsicherheit in unserer Gesellschaft zu beschönigen. Das Vertrauen in die Governance allein ist heute für den Pensionsfonds nicht mehr ausreichend. Dessen ESG-Investments werden immer granularer, da die inhä- renten Anlagerisiken immer offensichtli- cher, schneller und folgenreicher zutage treten. Wirecard – ein typisches Ereignisrisiko 106 N o. 3/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | E SG – SOZ I A L E A S P E K T E FOTO: © CREATE-RESEARCH

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