Institutional Money, Sonderausgabe 2 | 2021

lich zugängliche Quellen wie SIPRI, IAEA, NEI, CIA, Amnesty International, land- mine.de , GLOBAL 2000, Greenpeace, UN Global Compact, ILO, UNICEF, RAN, EIA, Transparency International, CPI, Peta und Eurostat. Unsere Stärke liegt in der gewaltigen Datenmenge und der Einsicht, die wir durch diese Daten bekommen. Der- zeit erhalten wir monatlich Daten von mehr als 120.000 Einzeltiteln. Was genau sagt Ihre ESG-Bewertung den Investoren? Tschas: Sie können mit unserer EDA-Be- wertung zwischen null und – bestenfalls – 100 feststellen, mit wie viel Prozent des Kapitaleinsatzes der überprüfte Wertpapier- bestand den vordefinierten EDA-Kriterien entspricht. Was sagen Sie mir, wenn ich noch strengere Kriterien anwenden will? Tschas: Ich heiße Sie willkommen und sage, dass Sie unserer Zielgruppe entsprechen. Investoren und Fondsgesellschaften können bei uns regelmäßig checken lassen, ob sich unerwünschte Unternehmen oder Länder in die Allokation des Fondsmanagers einge- schlichen haben. Die Definition, was uner- wünscht ist, können Kunden ganz nach ihren Wertvorstellungen und eigenen Tole- ranzgrenzen festlegen. Das Ergebnis ist dann natürlich nicht allgemein gültig, son- dern nur für diesen Kunden bestimmt und wird auch nicht veröffentlicht. Gibt es Unterschiede bei der Beurteilung von Aktien-, Renten- und eventuell auch anderen Fonds? Tschas: Ja, eines der insgesamt mehr als 20 möglichen Unternehmenskriterien ist zum Beispiel Rüstung. Hier stellen wir auch mit Unterstützung der öffentlich zugänglichen Quelle SIPRI jene Konzerne an den Pran- ger, die ihr Geld mit Rüstungsgütern ver- dienen. Rüstung ist auch eines der mehr als zehn möglichen Überprüfungskriterien für insgesamt 135 Länder. So werden Anleihen von Staaten abgewertet, die einen hohen Anteil an Militärausgaben, gemessen an ihrem BIP, aufweisen. Andere Kriterien wie die Todesstrafe kommen ausschließlich bei der Überprüfung von Ländern zur Anwen- dung. Manche Branchen – etwa Softwareherstel- ler oder Banken – werden häufig als „nach- haltig“ bezeichnet, weil sie selbst wenig bis gar keine Emissionen verursachen. Wie sinnvoll ist das angesichts der Tatsache, dass ihre Dienstleistungen und Produkte in allen anderen Branchen verwendet werden. Tschas: Nachhaltigkeitsfonds weisen in unse- rer Datenbank ein Gesamtvolumen von rund 660 Milliarden Euro auf. Acht der Top-Ten-Unternehmen, in die Nachhaltig- keitsfonds investieren, kommen aus dem Bereich IT/Telekommunikation. Microsoft ist hier klarer Spitzenreiter. In der Bewer- tung werden diese Unternehmen positiv gesehen, da sie nicht mit Atomenergie, Rüstung oder Gentechnik in Verbindung gebracht werden. Nehmen wir als fiktives Beispiel einen Atomstromkonzern, der E- Autos eines reinen Elektroautomobilkon- zerns in die Firmenflotte aufnimmt: Das ist kein Kriterium, das bei einer Nachhaltig- keitsanalyse berücksichtigt werden kann, also wird der E-Autokonzern deshalb nicht abgewertet, und ich denke, das ist auch nachvollziehbar. Sie zeichnen inzwischen eine umfangreiche Palette an Fonds für ihre Anlageergebnisse aus, dabei gibt es 14 Kategorien für ESG- Fonds. Wird überprüft, ob diese Fonds auch nach Ihren Maßstäben „nachhaltig“ sind? Polanz: Für die Vergabe des Awards kom- men nur jene Fonds infrage, die lediglich einen geringen Anteil ihres Volumens in Kohleunternehmen und Fracking investie- ren. Des Weiteren werden staatenbasierte Investments auf ihren Kohleanteil überprüft. Demnach werden Fonds, die diese speziel- len Nachhaltigkeitskriterien nicht erfüllen, von der Prämierung ausgeschlossen. Sieht man sich das aktuelle Marketing der Fondsanbieter an, könnte man meinen, es gebe ohnedies nur noch nachhaltige Invest- ments. Was können ESG-Fonds – und was können sie nicht? Tschas: Greenwashing von Fonds ist unser Feindbild. Viele Fonds mit dem angeblichen grünen Sticker der Nachhaltigkeit sind bei genauerer Betrachtung nämlich alles andere als grün. Daher durchlaufen sowohl offiziel- le ESG-Fonds als auch Nicht-ESG-Fonds in unserem Haus die exakt gleiche Berech- nungsmatrix. Nur so können wir uns eine unabhängige Meinung darüber bilden, ob ein Fonds nachhaltig ist oder nicht. Wie beurteilen Sie die ESG-Taxonomie der EU? Polanz: Wir sind Fans davon. Die Taxono- mie dient nicht nur als wichtige Orientie- rungshilfe für Fondsgesellschaften, einen weitestgehend klimaneutralen Weg einzu- schlagen, sondern sorgt im besten Fall auch für eine fortlaufende Dokumentation bezie- hungsweise Beweisbarkeit der nachhaltigen Ansätze. So fallen endlich auch veraltete Herangehensweisen wie der Best-in-Class- Ansatz. Besonders im Nachhaltigkeitssektor erfahren wir immer stärker den dringlichen Wunsch der Kunden nach höherer und fak- tischer Transparenz. Um das zu erreichen, sehen wir die Taxonomie als Hebel für die Zukunft des nachhaltigen Investierens, da man sich bereits vor der Anlageentscheidung einen Überblick darüber verschaffen kann, welchen Impact eine Investition auf Sozia- les, Unternehmensführung und Klima hat. Wir danken für das Gespräch. GERHARD FÜHRING » Die Definition, was unerwünscht ist, können Kunden ganz nach ihren Wertvorstellungen und eigenen Toleranzgrenzen festlegen. « Fabienne Polanz, Head of Content Management I MP A C T : RAT I NGS N o. 2/2021 | institutional-money.com 77

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=