Institutional Money, Ausgabe 2 | 2021

G enau 1,9 Billionen Dollar in den USA und 1,8 Billionen Euro in der EU – so umfang- reich sind die Stimuluspake- te, mit denen dies- und jenseits des Atlan- tiks die Volkswirtschaften aus dem Covid- 19-Loch gezogen werden sollen. Die Kon- junkturmaßnahmen, die noch zu Zeiten von Finanz- und Eurozonenkrise geschnürt wurden, nehmen sich im Vergleich dazu zaghaft aus, der – nicht selten miss- bräuchlich verwendete – Begriff „histo- risch“ darf an dieser Stelle wohl mit Fug und Recht verwendet werden. „Historisch“ impliziert aber auch, dass ein Ereignis so noch nicht dagewe- sen ist und die Erfahrungen mit einer derartigen Situation zwangsläufig über- schaubar sind. Dementsprechend groß ist das Spektrum an Erwartungen und Un- sicherheit. Möglich erscheinen Überhit- zungseffekte und Blasenbildungen an den Börsen bis hin zu Stagflation, vereinzelt fällt in Deutschland auch schon mal reflex- artig das Wort „Hyperinflation“. In einem konzisen Paper mit dem Titel „As Duration Dies, Equities Rise“ zeich- net Jim Masturzo, bei Research Affi- liates Head of Asset Allocation, ein relativ positives Bild, das ein Boom-and- Bust-Szenario an den Aktienmärkten eher ausschließt. Wie der Titel klar- macht, geht Masturzo von sinkenden Durationsrisiken aus und argumentiert angesichts der aktuellen Aktienrisikoprä- mien für einen weiteren Auftrieb an den Aktienmärkten. Das ist angesichts der aktuellen Um- stände eine möglicherweise couragierte These. Denn wenn man der gängigen Berechnung der Aktienduration folgt, also den inversen Wert des Dividenden- ertrags heranzieht, „so ergibt sich“ laut Masturzo „bei einer Dividendenrendite von 1,5 bis 2,0 Prozent, um die dieser Wert in den vergangenen Jahren ge- schwankt ist, für den S&P 500 eine Dura- tion von 50 bis 67 Jahren“. Zieht man jetzt die gängigste Bewertungskennzahl, das KGV hinzu, das für den Index bei Redak- tionssschluss bei rund 30 lag, so käme das im Fall steigender Zinsen einer hochexplo- siven Gemengelage gleich. „Bewertet man Aktien allerdings gemäß der Risikoprämie (Equity Risk Premium, ERP), sieht die Sache schon anders aus“, so Masturzo. ERP lässt sich auf diverse Wei- sen berechnen, Masturzo folgt dabei dem Ansatz von Robert Shiller und vergleicht Aktienrenditen mit zehnjährigen Treasuries. „Man kann natürlich argumentieren, dass es sinnvoller wäre, den Aktienmarkt aufgrund seiner hohen Duration mit 30-jährigen US- Staatsanleihen zu vergleichen“, räumt der Studienautor ein, „allerdings hat die US- Regierung erst in den 1960er-Jahren damit begonnen, Anleihen mit 30-jähriger Lauf- zeit herauszubringen. Der Vergleich mit zehnjährigen Treasuries erlaubt also eine längere Rückschau.“ Aus eben dieser Rück- schau ergeben sich Risikoprämien, die etwa auf dem historischen Durchschnitt liegen (siehe Grafik „Risikoprämien für US-Aktien sind überschaubar hoch) . Damit gäbe es also derzeit keine massiv überbewerteten Sorgen die massiven Konjunkturpakete für Überhitzung, Inflation, steigende Zinsen und erhöhte Durationsrisiken? Nicht unbedingt. Die drei damit verbundenen Zauberbuchstaben lauten: YCT. Risikoprämien für US-Aktien sind überschaubar hoch Betrachtet man die Aktienmärkte in Relation zum Anleihensegment, so wirken Erstere nicht übertrieben teuer. Eine langfristige Betrachtung der Risikoprämien kann laut Jim Masturzo von Research Affiliates die Ansicht relativieren, wonach die Aktienmärkte nach dem Pandemie-Rebound zu teuer sind. Quelle: Studie -4 % -2 % 0 % 2 % 4 % 6 % 8 % 10 % 12 % Risikoprämie Durchschnitt Risikoprämie 2015 2010 2005 2000 2020 1995 1990 1985 1980 1975 1970 1965 1960 1955 1950 Totenfeier fürs Durationsrisiko » Das führt uns zum Schluss, dass die US-Notenbank Yield Curve Targeting (YCT) sehr stark in Betracht zieht. « Jim Masturzo, Head of Asset Allocation bei Research Affiliates 74 N o. 2/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | DURAT I ON FOTO : © A S S E T A L LOCAT I ON, OL EG ZNAMENS K I Y | S TOCK . ADOB E . COM

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